und dann erst die kurze Angabe folgen lässt, dass Jesus einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha- be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei- ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie -- und nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül- len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem noch Niemand gesessen habe, angebunden -- finden, das (die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein- wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung, der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; diess sei so geschehen, und die Jünger haben -- auf die Thiere nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine Thier --, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.
Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die Angabe des Matthäus, dass Jesus nicht bloss, da doch nur er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern dass er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar, wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er- stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei- gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun- ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge- laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die einen dadurch zu beseitigen, dass sie sehr schwachen Au- ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei
1)Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541.
2)Olshausen, 1, S. 776.
Zweiter Abschnitt.
und dann erst die kurze Angabe folgen läſst, daſs Jesus einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha- be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei- ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie — und nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül- len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem noch Niemand gesessen habe, angebunden — finden, das (die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein- wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung, der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; dieſs sei so geschehen, und die Jünger haben — auf die Thiere nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine Thier —, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.
Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die Angabe des Matthäus, daſs Jesus nicht bloſs, da doch nur er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern daſs er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar, wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er- stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei- gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun- ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge- laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die einen dadurch zu beseitigen, daſs sie sehr schwachen Au- ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei
1)Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541.
2)Olshausen, 1, S. 776.
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Zweiter Abschnitt.
und dann erst die kurze Angabe folgen läſst, daſs Jesus
einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha-
be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein
ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als
er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage
und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei-
ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit
der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie — und
nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül-
len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem
noch Niemand gesessen habe, angebunden — finden, das
(die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein-
wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung,
der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; dieſs sei
so geschehen, und die Jünger haben — auf die Thiere
nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine
Thier —, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.
Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die
Angabe des Matthäus, daſs Jesus nicht bloſs, da doch nur
er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern daſs
er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar,
wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er-
stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das
Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei-
gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun-
ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder
soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge-
laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter
gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten
her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die
einen dadurch zu beseitigen, daſs sie sehr schwachen Au-
ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei
1) Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541.
2) Olshausen, 1, S. 776.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/307>, abgerufen am 24.11.2024.
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