Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. als ziemlich kleinlicht erscheinen muss. Zu gut kennen wirauch bereits die Neigung der urchristlichen Sage, solche Proben der höheren Natur ihres Messias zu geben (man denke an die Berufung der zwei Brüderpaare; die genaue- ste Analogie aber hat die eben angeführte, unten näher zu betrachtende Art, wie Jesus das Lokal für seine lezte Mahlzeit mit den Zwölfen bestellen lässt), als dass wir uns der Vermuthung enthalten könnten, auch hier nur ein Ge- bilde jener Neigung vor uns zu haben. Diess wird um so wahrscheinlicher, wenn wir nachzuweisen im Stande sind, warum sich hier des Fernsehen Jesu gerade als Wissen um einen angebundenen Esel zeigt, wie eine solche Nachwei- sung allerdings möglich ist. Über der im ersten und vier- ten Evangelium citirten Stelle aus Zacharias nämlich, wel- che vom Einreiten des sanftmüthigen Königs nur überhaupt auf einem Esel handelt, versäumt man gewöhnlich, eine andere A. T.liche Stelle zu berücksichtigen, welche näher den angebundenen Esel des Messias enthält. Es ist diess die Stelle 1 Mos. 49, 11, wo der sterbende Jakob zu Juda von jenem shylh sagt (LXX): desmeuon pros ampe- lon ton polon autou kai te eliki ton polon tes onouautou. Justin der Märtyrer fasst auch diese mosaische Stelle, wie jene prophetische, als Weissagung auf den Einzug Jesu, und behauptet daher geradezu, das Füllen, welches Jesus holen liess, sei an einen Weinstock gebunden gewesen 12). Auch die Juden deuteten nicht nur überhaupt jenen Schi- lo vom Messias, wie sich schon in den Targumim nach- weisen lässt 13), sondern namentlich auch das Anbinden 12) Apol. I, 32: to de; desmeuon pros ampelon ton polon autou 13) s. Schöttgen, horae, 2, p. 146.
Zweiter Abschnitt. als ziemlich kleinlicht erscheinen muſs. Zu gut kennen wirauch bereits die Neigung der urchristlichen Sage, solche Proben der höheren Natur ihres Messias zu geben (man denke an die Berufung der zwei Brüderpaare; die genaue- ste Analogie aber hat die eben angeführte, unten näher zu betrachtende Art, wie Jesus das Lokal für seine lezte Mahlzeit mit den Zwölfen bestellen läſst), als daſs wir uns der Vermuthung enthalten könnten, auch hier nur ein Ge- bilde jener Neigung vor uns zu haben. Dieſs wird um so wahrscheinlicher, wenn wir nachzuweisen im Stande sind, warum sich hier des Fernsehen Jesu gerade als Wissen um einen angebundenen Esel zeigt, wie eine solche Nachwei- sung allerdings möglich ist. Über der im ersten und vier- ten Evangelium citirten Stelle aus Zacharias nämlich, wel- che vom Einreiten des sanftmüthigen Königs nur überhaupt auf einem Esel handelt, versäumt man gewöhnlich, eine andere A. T.liche Stelle zu berücksichtigen, welche näher den angebundenen Esel des Messias enthält. Es ist dieſs die Stelle 1 Mos. 49, 11, wo der sterbende Jakob zu Juda von jenem שילה sagt (LXX): δεσμεύων πρὸς ἄμπε- λον τὸν πῶλον αὐτοῦ καὶ τῇ ἕλικι τὸν πῶλον τῆς ὄνουαὐτοῦ. Justin der Märtyrer faſst auch diese mosaische Stelle, wie jene prophetische, als Weissagung auf den Einzug Jesu, und behauptet daher geradezu, das Füllen, welches Jesus holen lieſs, sei an einen Weinstock gebunden gewesen 12). Auch die Juden deuteten nicht nur überhaupt jenen Schi- lo vom Messias, wie sich schon in den Targumim nach- weisen läſst 13), sondern namentlich auch das Anbinden 12) Apol. I, 32: τὸ δέ· δεσμεύων πρὸς ἄμπελον τὸν πῶλον αὐτοῦ 13) s. Schöttgen, horae, 2, p. 146.
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Zweiter Abschnitt.
als ziemlich kleinlicht erscheinen muſs. Zu gut kennen wir
auch bereits die Neigung der urchristlichen Sage, solche
Proben der höheren Natur ihres Messias zu geben (man
denke an die Berufung der zwei Brüderpaare; die genaue-
ste Analogie aber hat die eben angeführte, unten näher zu
betrachtende Art, wie Jesus das Lokal für seine lezte
Mahlzeit mit den Zwölfen bestellen läſst), als daſs wir uns
der Vermuthung enthalten könnten, auch hier nur ein Ge-
bilde jener Neigung vor uns zu haben. Dieſs wird um so
wahrscheinlicher, wenn wir nachzuweisen im Stande sind,
warum sich hier des Fernsehen Jesu gerade als Wissen um
einen angebundenen Esel zeigt, wie eine solche Nachwei-
sung allerdings möglich ist. Über der im ersten und vier-
ten Evangelium citirten Stelle aus Zacharias nämlich, wel-
che vom Einreiten des sanftmüthigen Königs nur überhaupt
auf einem Esel handelt, versäumt man gewöhnlich, eine
andere A. T.liche Stelle zu berücksichtigen, welche näher
den angebundenen Esel des Messias enthält. Es ist
dieſs die Stelle 1 Mos. 49, 11, wo der sterbende Jakob zu
Juda von jenem שילה sagt (LXX): δεσμεύων πρὸς ἄμπε-
λον τὸν πῶλον αὐτοῦ καὶ τῇ ἕλικι τὸν πῶλον τῆς ὄνουαὐτοῦ.
Justin der Märtyrer faſst auch diese mosaische Stelle, wie
jene prophetische, als Weissagung auf den Einzug Jesu,
und behauptet daher geradezu, das Füllen, welches Jesus
holen lieſs, sei an einen Weinstock gebunden gewesen 12).
Auch die Juden deuteten nicht nur überhaupt jenen Schi-
lo vom Messias, wie sich schon in den Targumim nach-
weisen läſst 13), sondern namentlich auch das Anbinden
12) Apol. I, 32: τὸ δέ· δεσμεύων πρὸς ἄμπελον τὸν πῶλον αὐτοῦ
— σύμβολον δηλωτικὸν ὴν τῶν γενησομένων τῷ Χριςῷ καὶ τῶν
ὑπ̕ αὐτοῦ πραχϑησομένων· πῶλος γάρ τις ὄνου εἱςήκει ἔν τινι
εἰσόδῳ κώμης πρὸς ἄμπελον δεδεμένος, δν ἐκέλευσεν ἀγαγεῖν αὐ-
τῷ κ. τ. λ.
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