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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
akheiropoietos bezeichnet, was derselbe Gegensaz von sinn-
licher und geistiger Religionsverfassung zu sein scheint.
Demgemäss lässt sich nun auch die johanneische Stelle so
erklären: das ist das Zeichen meiner Vollmacht, dass ich im
Stande bin, an die Stelle des mosaischen Ceremonialdien-
stes in kürzester Frist einen neuen, geistigen Gottesdienst
zu setzen. Allein, abgesehen von der minder bedeuten-
den Schwierigkeit, dass bei Johannes nicht wie bei den
Synoptikern das Subjekt gewechselt, und der neuzuer-
richtende naos als allos, sondern durch autos als dersel-
be mit dem zerstörten bezeichnet wird 5), so lässt sich na-
mentlich das en trisin emerais nach dem oben Ausgeführ-
ten auch hier nicht ohne Weiteres in dem unbestimmten
Sinne von kurzer Zeit fassen 6): in seiner genauen Bedeu-
dung genommen aber passt es nur als Termin der Aufer-
stehung Jesu, nicht aber der Vergeistigung des Religions-
wesens.

So von beiden Erklärungen in gleicher Weise augezo-
gen und abgestossen, flüchtet sich Olshausen zu einem Dop-
pelsinn, welcher indess nicht zwischen der johanneischen
und der zulezt dargelegten symbolischen, sondern zwischen
der johanneischen Deutung und der jüdischen die Mitte
hält, indem Jesus nur, um die Juden abzuweisen, sie zum
Abbrechen ihres Tempels, als zu etwas Unmöglichem, auf-
gefordert, und unter dieser nie eintreffenden Bedingung
sich zum Bau eines neuen erboten haben soll; so jedoch,
dass neben diesem ostensibeln Sinn für die Menge noch ein
verborgener hergieng, der den Jüngern erst nach der Auf-
erstehung klar wurde, nach welchem naos den Leib Jesu
bezeichnete. Allein jene an die Juden gerichtete Aufforde-
rung sammt dem darangehängten Erbieten wäre ein un-
würdiger Muthwille, die darin verborgene Andeutung für

5) Storr, in Flatt's Magazin, 4, S. 199.
6) Tholuck und Olsmausen, z. d. St.

Dritter Abschnitt.
ἀχειροποίητος bezeichnet, was derselbe Gegensaz von sinn-
licher und geistiger Religionsverfassung zu sein scheint.
Demgemäſs läſst sich nun auch die johanneische Stelle so
erklären: das ist das Zeichen meiner Vollmacht, daſs ich im
Stande bin, an die Stelle des mosaischen Ceremonialdien-
stes in kürzester Frist einen neuen, geistigen Gottesdienst
zu setzen. Allein, abgesehen von der minder bedeuten-
den Schwierigkeit, daſs bei Johannes nicht wie bei den
Synoptikern das Subjekt gewechselt, und der neuzuer-
richtende ναὸς als ἄλλος, sondern durch αὐτὸς als dersel-
be mit dem zerstörten bezeichnet wird 5), so läſst sich na-
mentlich das ἐν τρισὶν ἡμέραις nach dem oben Ausgeführ-
ten auch hier nicht ohne Weiteres in dem unbestimmten
Sinne von kurzer Zeit fassen 6): in seiner genauen Bedeu-
dung genommen aber paſst es nur als Termin der Aufer-
stehung Jesu, nicht aber der Vergeistigung des Religions-
wesens.

So von beiden Erklärungen in gleicher Weise augezo-
gen und abgestoſsen, flüchtet sich Olshausen zu einem Dop-
pelsinn, welcher indeſs nicht zwischen der johanneischen
und der zulezt dargelegten symbolischen, sondern zwischen
der johanneischen Deutung und der jüdischen die Mitte
hält, indem Jesus nur, um die Juden abzuweisen, sie zum
Abbrechen ihres Tempels, als zu etwas Unmöglichem, auf-
gefordert, und unter dieser nie eintreffenden Bedingung
sich zum Bau eines neuen erboten haben soll; so jedoch,
daſs neben diesem ostensibeln Sinn für die Menge noch ein
verborgener hergieng, der den Jüngern erst nach der Auf-
erstehung klar wurde, nach welchem ναὸς den Leib Jesu
bezeichnete. Allein jene an die Juden gerichtete Aufforde-
rung sammt dem darangehängten Erbieten wäre ein un-
würdiger Muthwille, die darin verborgene Andeutung für

5) Storr, in Flatt's Magazin, 4, S. 199.
6) Tholuck und Olsmausen, z. d. St.
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[332/0351] Dritter Abschnitt. ἀχειροποίητος bezeichnet, was derselbe Gegensaz von sinn- licher und geistiger Religionsverfassung zu sein scheint. Demgemäſs läſst sich nun auch die johanneische Stelle so erklären: das ist das Zeichen meiner Vollmacht, daſs ich im Stande bin, an die Stelle des mosaischen Ceremonialdien- stes in kürzester Frist einen neuen, geistigen Gottesdienst zu setzen. Allein, abgesehen von der minder bedeuten- den Schwierigkeit, daſs bei Johannes nicht wie bei den Synoptikern das Subjekt gewechselt, und der neuzuer- richtende ναὸς als ἄλλος, sondern durch αὐτὸς als dersel- be mit dem zerstörten bezeichnet wird 5), so läſst sich na- mentlich das ἐν τρισὶν ἡμέραις nach dem oben Ausgeführ- ten auch hier nicht ohne Weiteres in dem unbestimmten Sinne von kurzer Zeit fassen 6): in seiner genauen Bedeu- dung genommen aber paſst es nur als Termin der Aufer- stehung Jesu, nicht aber der Vergeistigung des Religions- wesens. So von beiden Erklärungen in gleicher Weise augezo- gen und abgestoſsen, flüchtet sich Olshausen zu einem Dop- pelsinn, welcher indeſs nicht zwischen der johanneischen und der zulezt dargelegten symbolischen, sondern zwischen der johanneischen Deutung und der jüdischen die Mitte hält, indem Jesus nur, um die Juden abzuweisen, sie zum Abbrechen ihres Tempels, als zu etwas Unmöglichem, auf- gefordert, und unter dieser nie eintreffenden Bedingung sich zum Bau eines neuen erboten haben soll; so jedoch, daſs neben diesem ostensibeln Sinn für die Menge noch ein verborgener hergieng, der den Jüngern erst nach der Auf- erstehung klar wurde, nach welchem ναὸς den Leib Jesu bezeichnete. Allein jene an die Juden gerichtete Aufforde- rung sammt dem darangehängten Erbieten wäre ein un- würdiger Muthwille, die darin verborgene Andeutung für 5) Storr, in Flatt's Magazin, 4, S. 199. 6) Tholuck und Olsmausen, z. d. St.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/351>, abgerufen am 22.11.2024.