Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. Zeit (eutheos) verbindet. Man hat diesem Übelstand durchdie Behauptung auszuweichen versucht, dass eutheos hier nicht die schnelle Folge der einen Begebenheit auf die an- dere, sondern nur das unerwartete Eintreten eines Ereig- nisses bezeichne, und also hier nur so viel gesagt werde: plözlich einmal (unbestimmt, wie lange) nach jenen Be- drängnissen bei der Zerstörung Jerusalems werde der Mes- sias sichtbar erscheinen. Abgesehen davon jedoch, dass eine solche Deutung von eutheos, wie Olshausen richtig sieht, ein blosser Nothbehelf ist, so ist durch dieselbe nicht einmal wirklich geholfen, indem nicht allein der parallele Markus V. 24. durch sein en ekeinais tais emerais meta ten thlipsin ekeinen die von hier an gemeldeten Erfolge in dieselbe Zeitreihe mit den zuvor erzählten verlegt, sondern auch kurz hernach übereinstimmend in allen Relationen (Matth. V. 34. parall.) die Versicherung sich findet, dass alles diess noch von der gegenwärtigen Generation erlebt werden würde. Da auf diese Weise der Annahme, dass von V. 29. an Alles auf die Wiederkunft Christi zum Weltgericht gehe, durch den 34ten Vers Vernichtung drohte: so wurde nunmehr, wie schon der Wolfenbüttler klagt 8), das Wort genea gefoltert, dass es der Voraus- setzung nicht mehr entgegen sein sollte. Bald musste es die jüdische Nation 9), bald die Anhängerschaft Jesu 10) bedeuten, und von der einen oder andern sollte Jesus sa- gen, sie werde, unbestimmt in der wievielten Generation, bei'm Eintritt jener Katastrophe noch vorhanden sein. So den gedachten Vers zu erklären, dass er eine Zeitbestim- mung gar nicht enthalte, soll selbst nothwendig sein in Rücksicht auf den gleichfolgenden 35ten: da nämlich in diesem Jesus den Zeitpunkt jener Katastrophe zu bestim- 8) a. a. O. S. 188. 9) Storr, a. a. O. S. 39. 116 ff. 10) Paulus, z. d. St.
Dritter Abschnitt. Zeit (εὐϑέως) verbindet. Man hat diesem Übelstand durchdie Behauptung auszuweichen versucht, daſs εὐϑέως hier nicht die schnelle Folge der einen Begebenheit auf die an- dere, sondern nur das unerwartete Eintreten eines Ereig- nisses bezeichne, und also hier nur so viel gesagt werde: plözlich einmal (unbestimmt, wie lange) nach jenen Be- drängnissen bei der Zerstörung Jerusalems werde der Mes- sias sichtbar erscheinen. Abgesehen davon jedoch, daſs eine solche Deutung von εὐϑέως, wie Olshausen richtig sieht, ein bloſser Nothbehelf ist, so ist durch dieselbe nicht einmal wirklich geholfen, indem nicht allein der parallele Markus V. 24. durch sein ἐν ἐκείναις ταῖς ἡμέραις μετὰ τὴν ϑλίψιν ἐκείνην die von hier an gemeldeten Erfolge in dieselbe Zeitreihe mit den zuvor erzählten verlegt, sondern auch kurz hernach übereinstimmend in allen Relationen (Matth. V. 34. parall.) die Versicherung sich findet, daſs alles dieſs noch von der gegenwärtigen Generation erlebt werden würde. Da auf diese Weise der Annahme, daſs von V. 29. an Alles auf die Wiederkunft Christi zum Weltgericht gehe, durch den 34ten Vers Vernichtung drohte: so wurde nunmehr, wie schon der Wolfenbüttler klagt 8), das Wort γενεὰ gefoltert, daſs es der Voraus- setzung nicht mehr entgegen sein sollte. Bald muſste es die jüdische Nation 9), bald die Anhängerschaft Jesu 10) bedeuten, und von der einen oder andern sollte Jesus sa- gen, sie werde, unbestimmt in der wievielten Generation, bei'm Eintritt jener Katastrophe noch vorhanden sein. So den gedachten Vers zu erklären, daſs er eine Zeitbestim- mung gar nicht enthalte, soll selbst nothwendig sein in Rücksicht auf den gleichfolgenden 35ten: da nämlich in diesem Jesus den Zeitpunkt jener Katastrophe zu bestim- 8) a. a. O. S. 188. 9) Storr, a. a. O. S. 39. 116 ff. 10) Paulus, z. d. St.
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Dritter Abschnitt.
Zeit (εὐϑέως) verbindet. Man hat diesem Übelstand durch
die Behauptung auszuweichen versucht, daſs εὐϑέως hier
nicht die schnelle Folge der einen Begebenheit auf die an-
dere, sondern nur das unerwartete Eintreten eines Ereig-
nisses bezeichne, und also hier nur so viel gesagt werde:
plözlich einmal (unbestimmt, wie lange) nach jenen Be-
drängnissen bei der Zerstörung Jerusalems werde der Mes-
sias sichtbar erscheinen. Abgesehen davon jedoch, daſs
eine solche Deutung von εὐϑέως, wie Olshausen richtig
sieht, ein bloſser Nothbehelf ist, so ist durch dieselbe nicht
einmal wirklich geholfen, indem nicht allein der parallele
Markus V. 24. durch sein ἐν ἐκείναις ταῖς ἡμέραις μετὰ
τὴν ϑλίψιν ἐκείνην die von hier an gemeldeten Erfolge in
dieselbe Zeitreihe mit den zuvor erzählten verlegt, sondern
auch kurz hernach übereinstimmend in allen Relationen
(Matth. V. 34. parall.) die Versicherung sich findet, daſs
alles dieſs noch von der gegenwärtigen Generation erlebt
werden würde. Da auf diese Weise der Annahme, daſs
von V. 29. an Alles auf die Wiederkunft Christi zum
Weltgericht gehe, durch den 34ten Vers Vernichtung
drohte: so wurde nunmehr, wie schon der Wolfenbüttler
klagt 8), das Wort γενεὰ gefoltert, daſs es der Voraus-
setzung nicht mehr entgegen sein sollte. Bald muſste es
die jüdische Nation 9), bald die Anhängerschaft Jesu 10)
bedeuten, und von der einen oder andern sollte Jesus sa-
gen, sie werde, unbestimmt in der wievielten Generation,
bei'm Eintritt jener Katastrophe noch vorhanden sein. So
den gedachten Vers zu erklären, daſs er eine Zeitbestim-
mung gar nicht enthalte, soll selbst nothwendig sein in
Rücksicht auf den gleichfolgenden 35ten: da nämlich in
diesem Jesus den Zeitpunkt jener Katastrophe zu bestim-
8) a. a. O. S. 188.
9) Storr, a. a. O. S. 39. 116 ff.
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