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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweites Kapitel. §. 113.
sich, wer Lust hat, entschliessen; eniautou unbestimmt für
khronou zu nehmen 7), ist wegen der doppelten Wiederho-
lung desselben Ausdrucks V. 51. und 18, 13. unzulässig;
dass in jener Zeit das Hohepriesterthum so häufig wech-
selte, und einige Hohepriester nicht länger als ein Jahr in
ihrer Stelle belassen wurden 8), berechtigte unsern Schrift-
steller nicht, den Kaiphas als Hohenpriester eines Jahrs zu be-
zeichnen, welcher gerade vielmehr eine Reihe von Jahren,
namentlich während der ganzen Dauer von Jesu öffentli-
cher Wirksamkeit, jene Stelle bekleidete; dass aber endlich
Johannes soll sagen wollen, im Todesjahr Jesu sei Kaiphas
Hoherpriester gewesen, ohne dadurch frühere und spätere
Jahre auszuschliessen, in welchen er dieses Amt gleich-
falls bekleidet habe 9) geht ebensowenig. Denn wenn
die Zeit, in welche eine Begebenheit fällt, als ein gewisses
Jahr bezeichnet wird, so muss diess darin seinen Grund
haben, dass entweder die Begebenheit, deren Zeit bestimmt
werden soll, oder das Datum, nach welchem man dieselbe
bestimmen will, mit dem Jahreswechsel zusammenhängt.
Entweder muss also der Erzähler im vierten Evangelium
der Meinung gewesen sein, von Jesu Tod, zu welchem
sie damals den Anschlag machten, sei auf jenes ganze Jahr,
aber weiter nicht, eine Fülle von Geistesgaben, unter wel-
chen auch die prophetische Gabe des damaligen Hohenprie-
sters, ausgeflossen 10): oder, wenn diess eine gesuchte Er-
klärung ist, so muss er den Kaiphas als Hohenpriester eben
nur jenes Jahrgangs sich vorgestellt haben. Wenn also
Lücke schliesst, da nach Josephus der damalige Hoheprie-
ster dieses Amt zehn Jahre hintereinander verwaltet habe,
so könne Johannes mit dem arkhiereus tou eniautou ekeinou

7) Kuinöl, z. d. St.
8) Paulus, Comm. 4, S. 579 f.
9) Lücke, z. d. St.
10) Lightfoot, z. d. St.

Zweites Kapitel. §. 113.
sich, wer Lust hat, entschlieſsen; ἐνιαυτοῦ unbestimmt für
χρόνου zu nehmen 7), ist wegen der doppelten Wiederho-
lung desselben Ausdrucks V. 51. und 18, 13. unzulässig;
daſs in jener Zeit das Hohepriesterthum so häufig wech-
selte, und einige Hohepriester nicht länger als ein Jahr in
ihrer Stelle belassen wurden 8), berechtigte unsern Schrift-
steller nicht, den Kaiphas als Hohenpriester eines Jahrs zu be-
zeichnen, welcher gerade vielmehr eine Reihe von Jahren,
namentlich während der ganzen Dauer von Jesu öffentli-
cher Wirksamkeit, jene Stelle bekleidete; daſs aber endlich
Johannes soll sagen wollen, im Todesjahr Jesu sei Kaiphas
Hoherpriester gewesen, ohne dadurch frühere und spätere
Jahre auszuschlieſsen, in welchen er dieses Amt gleich-
falls bekleidet habe 9) geht ebensowenig. Denn wenn
die Zeit, in welche eine Begebenheit fällt, als ein gewisses
Jahr bezeichnet wird, so muſs dieſs darin seinen Grund
haben, daſs entweder die Begebenheit, deren Zeit bestimmt
werden soll, oder das Datum, nach welchem man dieselbe
bestimmen will, mit dem Jahreswechsel zusammenhängt.
Entweder muſs also der Erzähler im vierten Evangelium
der Meinung gewesen sein, von Jesu Tod, zu welchem
sie damals den Anschlag machten, sei auf jenes ganze Jahr,
aber weiter nicht, eine Fülle von Geistesgaben, unter wel-
chen auch die prophetische Gabe des damaligen Hohenprie-
sters, ausgeflossen 10): oder, wenn dieſs eine gesuchte Er-
klärung ist, so muſs er den Kaiphas als Hohenpriester eben
nur jenes Jahrgangs sich vorgestellt haben. Wenn also
Lücke schlieſst, da nach Josephus der damalige Hoheprie-
ster dieses Amt zehn Jahre hintereinander verwaltet habe,
so könne Johannes mit dem ἀρχιερεὺς τοῦ ἐνιαυτοῦ ἐκείνου

7) Kuinöl, z. d. St.
8) Paulus, Comm. 4, S. 579 f.
9) Lücke, z. d. St.
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[379/0398] Zweites Kapitel. §. 113. sich, wer Lust hat, entschlieſsen; ἐνιαυτοῦ unbestimmt für χρόνου zu nehmen 7), ist wegen der doppelten Wiederho- lung desselben Ausdrucks V. 51. und 18, 13. unzulässig; daſs in jener Zeit das Hohepriesterthum so häufig wech- selte, und einige Hohepriester nicht länger als ein Jahr in ihrer Stelle belassen wurden 8), berechtigte unsern Schrift- steller nicht, den Kaiphas als Hohenpriester eines Jahrs zu be- zeichnen, welcher gerade vielmehr eine Reihe von Jahren, namentlich während der ganzen Dauer von Jesu öffentli- cher Wirksamkeit, jene Stelle bekleidete; daſs aber endlich Johannes soll sagen wollen, im Todesjahr Jesu sei Kaiphas Hoherpriester gewesen, ohne dadurch frühere und spätere Jahre auszuschlieſsen, in welchen er dieses Amt gleich- falls bekleidet habe 9) geht ebensowenig. Denn wenn die Zeit, in welche eine Begebenheit fällt, als ein gewisses Jahr bezeichnet wird, so muſs dieſs darin seinen Grund haben, daſs entweder die Begebenheit, deren Zeit bestimmt werden soll, oder das Datum, nach welchem man dieselbe bestimmen will, mit dem Jahreswechsel zusammenhängt. Entweder muſs also der Erzähler im vierten Evangelium der Meinung gewesen sein, von Jesu Tod, zu welchem sie damals den Anschlag machten, sei auf jenes ganze Jahr, aber weiter nicht, eine Fülle von Geistesgaben, unter wel- chen auch die prophetische Gabe des damaligen Hohenprie- sters, ausgeflossen 10): oder, wenn dieſs eine gesuchte Er- klärung ist, so muſs er den Kaiphas als Hohenpriester eben nur jenes Jahrgangs sich vorgestellt haben. Wenn also Lücke schlieſst, da nach Josephus der damalige Hoheprie- ster dieses Amt zehn Jahre hintereinander verwaltet habe, so könne Johannes mit dem ἀρχιερεὺς τοῦ ἐνιαυτοῦ ἐκείνου 7) Kuinöl, z. d. St. 8) Paulus, Comm. 4, S. 579 f. 9) Lücke, z. d. St. 10) Lightfoot, z. d. St.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/398>, abgerufen am 22.11.2024.