den, am Nachmittag des 14ten Nisan, Jesus am Kreuze gelitten und den Geist aufgegeben habe 23), also die am Abend vorher gefeierte Mahlzeit noch nicht das Pascha- mahl gewesen sei 24).
Ist auf diese Weise eine mögliche Veranlassung zum Irrthum auf beiden Seiten vorhanden, und findet die inne- re Schwierigkeit der synoptischen Zeitbestimmung, die vielfache Verletzung des ersten Paschatags, theils in den angeführten Bemerkungen einigermassen ihre Erledigung, theils in der Zusammenstimmung dreier Evangelisten ein Gegengewicht: so ist vor der Hand nur der unauflösliche Widerstreit der beiderseitigen Darstellungen anzuerkennen, eine Entscheidung aber, welche die richtige sei, noch nicht zu wagen.
§. 118. Differenzen in Betreff der Vorgänge beim lezten Mahle Jesu.
Doch nicht allein in Bezug auf die Zeit des lezten Mahles Jesu, sondern auch auf dasjenige, was bei demsel- ben vorgegangen sein soll, gehen die Evangelisten von einander ab. Die Hauptdifferenz findet zwischen den syn- optischen und dem vierten Evangelium statt; näher aber- verhält es sich so, dass nur Matthäus und Markus genau zusammenstimmen, Lukas schon ziemlich abweicht, doch im Ganzen mit seinen beiden Vorgängern immer noch ein- stimmiger ist, als mit seinem Nachfolger.
Gemeinsam ist sämmtlichen Evangelisten, ausser dem Mahle selbst, dass über demselben von dem bevorstehenden Verrath des Judas gesprochen wird, und dass während oder nach demselben Jesus dem Petrus seine Verleugnung vorherverkündigt. Aber abgesehen davon, dass bei Johan-
23) vgl. Suicer, thesaur. 2, S. 613.
24) Eine andere Ansicht über die Veranlassung des Irrthums in 4ten Evangelium geben die Probabilien, S. 100 ff.
Zweites Kapitel. §. 118.
den, am Nachmittag des 14ten Nisan, Jesus am Kreuze gelitten und den Geist aufgegeben habe 23), also die am Abend vorher gefeierte Mahlzeit noch nicht das Pascha- mahl gewesen sei 24).
Ist auf diese Weise eine mögliche Veranlassung zum Irrthum auf beiden Seiten vorhanden, und findet die inne- re Schwierigkeit der synoptischen Zeitbestimmung, die vielfache Verletzung des ersten Paschatags, theils in den angeführten Bemerkungen einigermaſsen ihre Erledigung, theils in der Zusammenstimmung dreier Evangelisten ein Gegengewicht: so ist vor der Hand nur der unauflösliche Widerstreit der beiderseitigen Darstellungen anzuerkennen, eine Entscheidung aber, welche die richtige sei, noch nicht zu wagen.
§. 118. Differenzen in Betreff der Vorgänge beim lezten Mahle Jesu.
Doch nicht allein in Bezug auf die Zeit des lezten Mahles Jesu, sondern auch auf dasjenige, was bei demsel- ben vorgegangen sein soll, gehen die Evangelisten von einander ab. Die Hauptdifferenz findet zwischen den syn- optischen und dem vierten Evangelium statt; näher aber- verhält es sich so, daſs nur Matthäus und Markus genau zusammenstimmen, Lukas schon ziemlich abweicht, doch im Ganzen mit seinen beiden Vorgängern immer noch ein- stimmiger ist, als mit seinem Nachfolger.
Gemeinsam ist sämmtlichen Evangelisten, ausser dem Mahle selbst, daſs über demselben von dem bevorstehenden Verrath des Judas gesprochen wird, und daſs während oder nach demselben Jesus dem Petrus seine Verleugnung vorherverkündigt. Aber abgesehen davon, daſs bei Johan-
23) vgl. Suicer, thesaur. 2, S. 613.
24) Eine andere Ansicht über die Veranlassung des Irrthums in 4ten Evangelium geben die Probabilien, S. 100 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0434"n="415"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweites Kapitel</hi>. §. 118.</fw><lb/>
den, am Nachmittag des 14ten Nisan, Jesus am Kreuze<lb/>
gelitten und den Geist aufgegeben habe <noteplace="foot"n="23)">vgl. <hirendition="#k">Suicer</hi>, thesaur. 2, S. 613.</note>, also die am<lb/>
Abend vorher gefeierte Mahlzeit noch nicht das Pascha-<lb/>
mahl gewesen sei <noteplace="foot"n="24)">Eine andere Ansicht über die Veranlassung des Irrthums in<lb/>
4ten Evangelium geben die Probabilien, S. 100 ff.</note>.</p><lb/><p>Ist auf diese Weise eine mögliche Veranlassung zum<lb/>
Irrthum auf beiden Seiten vorhanden, und findet die inne-<lb/>
re Schwierigkeit der synoptischen Zeitbestimmung, die<lb/>
vielfache Verletzung des ersten Paschatags, theils in den<lb/>
angeführten Bemerkungen einigermaſsen ihre Erledigung,<lb/>
theils in der Zusammenstimmung dreier Evangelisten ein<lb/>
Gegengewicht: so ist vor der Hand nur der unauflösliche<lb/>
Widerstreit der beiderseitigen Darstellungen anzuerkennen,<lb/>
eine Entscheidung aber, welche die richtige sei, noch nicht<lb/>
zu wagen.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 118.<lb/>
Differenzen in Betreff der Vorgänge beim lezten Mahle Jesu.</head><lb/><p>Doch nicht allein in Bezug auf die Zeit des lezten<lb/>
Mahles Jesu, sondern auch auf dasjenige, was bei demsel-<lb/>
ben vorgegangen sein soll, gehen die Evangelisten von<lb/>
einander ab. Die Hauptdifferenz findet zwischen den syn-<lb/>
optischen und dem vierten Evangelium statt; näher aber-<lb/>
verhält es sich so, daſs nur Matthäus und Markus genau<lb/>
zusammenstimmen, Lukas schon ziemlich abweicht, doch<lb/>
im Ganzen mit seinen beiden Vorgängern immer noch ein-<lb/>
stimmiger ist, als mit seinem Nachfolger.</p><lb/><p>Gemeinsam ist sämmtlichen Evangelisten, ausser dem<lb/>
Mahle selbst, daſs über demselben von dem bevorstehenden<lb/>
Verrath des Judas gesprochen wird, und daſs während<lb/>
oder nach demselben Jesus dem Petrus seine Verleugnung<lb/>
vorherverkündigt. Aber abgesehen davon, daſs bei Johan-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[415/0434]
Zweites Kapitel. §. 118.
den, am Nachmittag des 14ten Nisan, Jesus am Kreuze
gelitten und den Geist aufgegeben habe 23), also die am
Abend vorher gefeierte Mahlzeit noch nicht das Pascha-
mahl gewesen sei 24).
Ist auf diese Weise eine mögliche Veranlassung zum
Irrthum auf beiden Seiten vorhanden, und findet die inne-
re Schwierigkeit der synoptischen Zeitbestimmung, die
vielfache Verletzung des ersten Paschatags, theils in den
angeführten Bemerkungen einigermaſsen ihre Erledigung,
theils in der Zusammenstimmung dreier Evangelisten ein
Gegengewicht: so ist vor der Hand nur der unauflösliche
Widerstreit der beiderseitigen Darstellungen anzuerkennen,
eine Entscheidung aber, welche die richtige sei, noch nicht
zu wagen.
§. 118.
Differenzen in Betreff der Vorgänge beim lezten Mahle Jesu.
Doch nicht allein in Bezug auf die Zeit des lezten
Mahles Jesu, sondern auch auf dasjenige, was bei demsel-
ben vorgegangen sein soll, gehen die Evangelisten von
einander ab. Die Hauptdifferenz findet zwischen den syn-
optischen und dem vierten Evangelium statt; näher aber-
verhält es sich so, daſs nur Matthäus und Markus genau
zusammenstimmen, Lukas schon ziemlich abweicht, doch
im Ganzen mit seinen beiden Vorgängern immer noch ein-
stimmiger ist, als mit seinem Nachfolger.
Gemeinsam ist sämmtlichen Evangelisten, ausser dem
Mahle selbst, daſs über demselben von dem bevorstehenden
Verrath des Judas gesprochen wird, und daſs während
oder nach demselben Jesus dem Petrus seine Verleugnung
vorherverkündigt. Aber abgesehen davon, daſs bei Johan-
23) vgl. Suicer, thesaur. 2, S. 613.
24) Eine andere Ansicht über die Veranlassung des Irrthums in
4ten Evangelium geben die Probabilien, S. 100 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/434>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.