Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. lange sich hier die Harmonistik mit elenden Ausflüchten,wie, dass Markus und Lukas nur Einen nennen, weil die- ser durch Wildheit sich besonders ausgezeichnet, oder Matthäus zwei, weil er den dem Wahnsinnigen zur Auf- sicht beigegebenen Begleiter mitgezählt habe, und dergl. 8) beholfen hat, bis man eine wirkliche Differenz zwischen beiden Relationen zugeben mochte. Hiebei hat man, in Erwägung dessen, dass dergleichen Rasende ungesellig zu sein pflegen, der Angabe der beiden mittlern Evangelisten den Vorzug gegeben, und die Verdoppelung des Einen Dä- monischen bei dem ersten daraus erklärt, dass die Mehr- heit der daimones, von welchen in der Erzählung die Rede war, dem Referenten zu einer Mehrheit von daimonizomenoi geworden sei 9). Allein so entschieden ist die Unmöglich- keit, dass zwei Rasende in der Wirklichkeit sich zusam- mengesellen, oder vielleicht auch nur in der ursprünglichen Sage zusammengestellt wurden, denn doch nicht, dass hierauf allein schon ein Vorzug des Berichts bei Markus und Lukas vor dem bei Matthäus sich begründen liesse. Wenigstens wenn man fragt, welche der beiden Darstel- lungen der Sache leichter aus der andern, als der ursprüng- lichen, in der Überlieferung sich habe bilden können? so wird man die Möglichkeit auf beiden Seiten gleich gross finden. Denn wenn auf die oben angezeigte Weise die mehreren Dämonen zu der Vorstellung auch von mehreren Dämonischen Anlass geben konnten, so lässt sich ebenso umgekehrt sagen: in der dem Faktum näheren Darstellung des Matthäus, wo von Besessenen sowohl als von Dämo- nen in der Mehrzahl die Rede war, trat das specifisch Ausserordentliche dieses Falls nicht genug hervor, dass auf 8) s. die Sammlung von dergleichen Erklärungen bei Fritzsche, in Matth. p. 327. 9) so Schulz, über das Abendmahl, S. 309; Paulus z. d. St.;
Hase, L. J. §. 75. Zweiter Abschnitt. lange sich hier die Harmonistik mit elenden Ausflüchten,wie, daſs Markus und Lukas nur Einen nennen, weil die- ser durch Wildheit sich besonders ausgezeichnet, oder Matthäus zwei, weil er den dem Wahnsinnigen zur Auf- sicht beigegebenen Begleiter mitgezählt habe, und dergl. 8) beholfen hat, bis man eine wirkliche Differenz zwischen beiden Relationen zugeben mochte. Hiebei hat man, in Erwägung dessen, daſs dergleichen Rasende ungesellig zu sein pflegen, der Angabe der beiden mittlern Evangelisten den Vorzug gegeben, und die Verdoppelung des Einen Dä- monischen bei dem ersten daraus erklärt, daſs die Mehr- heit der δαίμονες, von welchen in der Erzählung die Rede war, dem Referenten zu einer Mehrheit von δαιμονιζόμενοι geworden sei 9). Allein so entschieden ist die Unmöglich- keit, daſs zwei Rasende in der Wirklichkeit sich zusam- mengesellen, oder vielleicht auch nur in der ursprünglichen Sage zusammengestellt wurden, denn doch nicht, daſs hierauf allein schon ein Vorzug des Berichts bei Markus und Lukas vor dem bei Matthäus sich begründen lieſse. Wenigstens wenn man fragt, welche der beiden Darstel- lungen der Sache leichter aus der andern, als der ursprüng- lichen, in der Überlieferung sich habe bilden können? so wird man die Möglichkeit auf beiden Seiten gleich groſs finden. Denn wenn auf die oben angezeigte Weise die mehreren Dämonen zu der Vorstellung auch von mehreren Dämonischen Anlaſs geben konnten, so läſst sich ebenso umgekehrt sagen: in der dem Faktum näheren Darstellung des Matthäus, wo von Besessenen sowohl als von Dämo- nen in der Mehrzahl die Rede war, trat das specifisch Ausserordentliche dieses Falls nicht genug hervor, daſs auf 8) s. die Sammlung von dergleichen Erklärungen bei Fritzsche, in Matth. p. 327. 9) so Schulz, über das Abendmahl, S. 309; Paulus z. d. St.;
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Zweiter Abschnitt.
lange sich hier die Harmonistik mit elenden Ausflüchten,
wie, daſs Markus und Lukas nur Einen nennen, weil die-
ser durch Wildheit sich besonders ausgezeichnet, oder
Matthäus zwei, weil er den dem Wahnsinnigen zur Auf-
sicht beigegebenen Begleiter mitgezählt habe, und dergl. 8)
beholfen hat, bis man eine wirkliche Differenz zwischen
beiden Relationen zugeben mochte. Hiebei hat man, in
Erwägung dessen, daſs dergleichen Rasende ungesellig zu
sein pflegen, der Angabe der beiden mittlern Evangelisten
den Vorzug gegeben, und die Verdoppelung des Einen Dä-
monischen bei dem ersten daraus erklärt, daſs die Mehr-
heit der δαίμονες, von welchen in der Erzählung die Rede
war, dem Referenten zu einer Mehrheit von δαιμονιζόμενοι
geworden sei 9). Allein so entschieden ist die Unmöglich-
keit, daſs zwei Rasende in der Wirklichkeit sich zusam-
mengesellen, oder vielleicht auch nur in der ursprünglichen
Sage zusammengestellt wurden, denn doch nicht, daſs
hierauf allein schon ein Vorzug des Berichts bei Markus
und Lukas vor dem bei Matthäus sich begründen lieſse.
Wenigstens wenn man fragt, welche der beiden Darstel-
lungen der Sache leichter aus der andern, als der ursprüng-
lichen, in der Überlieferung sich habe bilden können? so
wird man die Möglichkeit auf beiden Seiten gleich groſs
finden. Denn wenn auf die oben angezeigte Weise die
mehreren Dämonen zu der Vorstellung auch von mehreren
Dämonischen Anlaſs geben konnten, so läſst sich ebenso
umgekehrt sagen: in der dem Faktum näheren Darstellung
des Matthäus, wo von Besessenen sowohl als von Dämo-
nen in der Mehrzahl die Rede war, trat das specifisch
Ausserordentliche dieses Falls nicht genug hervor, daſs auf
8) s. die Sammlung von dergleichen Erklärungen bei Fritzsche,
in Matth. p. 327.
9) so Schulz, über das Abendmahl, S. 309; Paulus z. d. St.;
Hase, L. J. §. 75.
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