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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweites Kapitel. §. 119.
kel Vorhergesagte, indem er es vermeiden will, dennoch
hineingeräth. Freilich, wenn dann Paulus weder das ou
phonesei semeron alektor, noch das aparneisthai, noch das
tris in der genauen, wörtlichen Bedeutung gesprochen wis-
sen will, sondern der ganzen Rede nur den ungefähren
und problematischen Sinn giebt: so leicht zu erschüttern
sei die vermeinte Festigkeit des Jüngers, dass zwischen
jezt und dem nächsten Morgen schon Ereignisse eintreten
können, die ihn veranlassen würden, mehr als Einmal an
ihm irre und ihm untreu zu werden: so ist diess nicht
die rechte Art, die Schwierigkeit des evangelischen Be-
richts aus dem Wege zu räumen; die Jesu in den Mund
gelegten Worte stimmen mit dem nachherigen Erfolg so
genau überein, dass hier an ein bloss zufälliges Zusammen-
treffen nicht gedacht werden kann. Sondern in diesem
Zusammenhang von lauter vaticiniis post eventum werden
wir auch hier annehmen müssen, dass, nachdem wirklich
Petrus in jener Nacht Jesum mehrmals verleugnet hatte,
die Vorherverkündigung davon Jesu in den Mund gelegt
wurde, mit der üblichen Zeitbestimmung vom Hahnen-
schrei 11), und mit der Reduktion auf die runde Zahl von
drei Verleugnungsfällen. Dass diese Zeit- und Zahlbe-
stimmung in der evangelischen Überlieferung stehend blieb
(ausser dass Markus, ohne Zweifel durch eine willkührli-
che Künstelei, um dem tris der Verleugnung gegenüber
auch den Hahnenschrei durch eine Zahl zu bestimmen, von
einem zweimaligen Rufen des Hahns spricht), diess scheint
sich aus der Anschaulichkeit und Behaltbarkeit jener früh-
zeitig gewählten Ausdrücke, die sich ganz zu einer ste-
henden Bestimmung eigneten, ohne allzu grosse Schwierig-
keit zu erklären.

Dass endlich Jesus auch den übrigen Jüngern vor-
aussagt, sie werden in der bevorstehenden Nacht alle an

11) vgl. Lightfoot und Paulus, z. d. St.
28 *

Zweites Kapitel. §. 119.
kel Vorhergesagte, indem er es vermeiden will, dennoch
hineingeräth. Freilich, wenn dann Paulus weder das ου
φωνήσει σήμερον ἀλέκτωρ, noch das ἀπαρνεῖσϑαι, noch das
τρὶς in der genauen, wörtlichen Bedeutung gesprochen wis-
sen will, sondern der ganzen Rede nur den ungefähren
und problematischen Sinn giebt: so leicht zu erschüttern
sei die vermeinte Festigkeit des Jüngers, daſs zwischen
jezt und dem nächsten Morgen schon Ereignisse eintreten
können, die ihn veranlassen würden, mehr als Einmal an
ihm irre und ihm untreu zu werden: so ist dieſs nicht
die rechte Art, die Schwierigkeit des evangelischen Be-
richts aus dem Wege zu räumen; die Jesu in den Mund
gelegten Worte stimmen mit dem nachherigen Erfolg so
genau überein, daſs hier an ein bloſs zufälliges Zusammen-
treffen nicht gedacht werden kann. Sondern in diesem
Zusammenhang von lauter vaticiniis post eventum werden
wir auch hier annehmen müssen, daſs, nachdem wirklich
Petrus in jener Nacht Jesum mehrmals verleugnet hatte,
die Vorherverkündigung davon Jesu in den Mund gelegt
wurde, mit der üblichen Zeitbestimmung vom Hahnen-
schrei 11), und mit der Reduktion auf die runde Zahl von
drei Verleugnungsfällen. Daſs diese Zeit- und Zahlbe-
stimmung in der evangelischen Überlieferung stehend blieb
(ausser daſs Markus, ohne Zweifel durch eine willkührli-
che Künstelei, um dem τρὶς der Verleugnung gegenüber
auch den Hahnenschrei durch eine Zahl zu bestimmen, von
einem zweimaligen Rufen des Hahns spricht), dieſs scheint
sich aus der Anschaulichkeit und Behaltbarkeit jener früh-
zeitig gewählten Ausdrücke, die sich ganz zu einer ste-
henden Bestimmung eigneten, ohne allzu groſse Schwierig-
keit zu erklären.

Daſs endlich Jesus auch den übrigen Jüngern vor-
aussagt, sie werden in der bevorstehenden Nacht alle an

11) vgl. Lightfoot und Paulus, z. d. St.
28 *
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[435/0454] Zweites Kapitel. §. 119. kel Vorhergesagte, indem er es vermeiden will, dennoch hineingeräth. Freilich, wenn dann Paulus weder das ου φωνήσει σήμερον ἀλέκτωρ, noch das ἀπαρνεῖσϑαι, noch das τρὶς in der genauen, wörtlichen Bedeutung gesprochen wis- sen will, sondern der ganzen Rede nur den ungefähren und problematischen Sinn giebt: so leicht zu erschüttern sei die vermeinte Festigkeit des Jüngers, daſs zwischen jezt und dem nächsten Morgen schon Ereignisse eintreten können, die ihn veranlassen würden, mehr als Einmal an ihm irre und ihm untreu zu werden: so ist dieſs nicht die rechte Art, die Schwierigkeit des evangelischen Be- richts aus dem Wege zu räumen; die Jesu in den Mund gelegten Worte stimmen mit dem nachherigen Erfolg so genau überein, daſs hier an ein bloſs zufälliges Zusammen- treffen nicht gedacht werden kann. Sondern in diesem Zusammenhang von lauter vaticiniis post eventum werden wir auch hier annehmen müssen, daſs, nachdem wirklich Petrus in jener Nacht Jesum mehrmals verleugnet hatte, die Vorherverkündigung davon Jesu in den Mund gelegt wurde, mit der üblichen Zeitbestimmung vom Hahnen- schrei 11), und mit der Reduktion auf die runde Zahl von drei Verleugnungsfällen. Daſs diese Zeit- und Zahlbe- stimmung in der evangelischen Überlieferung stehend blieb (ausser daſs Markus, ohne Zweifel durch eine willkührli- che Künstelei, um dem τρὶς der Verleugnung gegenüber auch den Hahnenschrei durch eine Zahl zu bestimmen, von einem zweimaligen Rufen des Hahns spricht), dieſs scheint sich aus der Anschaulichkeit und Behaltbarkeit jener früh- zeitig gewählten Ausdrücke, die sich ganz zu einer ste- henden Bestimmung eigneten, ohne allzu groſse Schwierig- keit zu erklären. Daſs endlich Jesus auch den übrigen Jüngern vor- aussagt, sie werden in der bevorstehenden Nacht alle an 11) vgl. Lightfoot und Paulus, z. d. St. 28 *

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/454>, abgerufen am 22.11.2024.