mischt haben möge, und Schleiermacher findet als das Wahrscheinlichste, dass man diese, von Jesu selbst als schwer bezeichneten Augenblicke zeitig durch Engelerschei- nungen hymnisch verherrlicht, und der Referent im drit- ten Evangelium dieses ursprünglich bloss poetisch Gemeinte geschichtlich genommen habe 24). Ob diese Auffassung ge- nügt, ob sie nicht etwas als geschichtlich zum Grunde legt, was selbst noch zum Mythischen gerechnet werden muss, kann sich erst weiter unter zeigen.
Nicht minder anstössig als die Stärkung durch den Engel ist schon frühzeitig der andere dem Lukas eigen- thümliche Zug, der blutige Schweiss, gefunden worden. Wenigstens scheint es dieser vor Allem gewesen zu sein, welcher die Weglassung der ganzen Einschaltung bei Lu- kas V. 43. und 44. aus mehreren alten Evangelienexempla- ren veranlasst hat. Denn wie die Orthodoxen, welche nach Epiphanius 25) die Stelle ausmerzten, hauptsächlich den tiefsten Grad der Bangigkeit, der sich in dem Blutschweiss ausdrückt, gescheut zu haben scheinen: so können beson- ders die doketisch Gesinnten unter denen, welche die Stel- le nicht lasen 26), nur jenen Schweiss perhorrescirt haben. Erhob man auf diese Weise früher aus dogmatischen Rück- sichten gegen die Schicklichkeit des Blutschweisses Jesu Zweifel: so hat man diess in neuerer Zeit aus physiologi- schen Gründen gegen die Möglichkeit desselben gethan. Zwar werden für das Vorkommen von blutigem Schweiss von Aristoteles 27) bis auf die neueren Naturforscher herun- ter 28) Auctoritäten aufgeführt: aber man findet eine sol- che Erscheinung immer nur als höchste Seltenheit und als
24) Über den Lukas, S. 288.
25) Ancoratus, 31.
26) s. bei Wetstein, S. 807.
27) De part. animal. 3, 15.
28) s. bei Michaelis, Anm. z. d. St. und Kuinöl, in Luc. p. 691 f.
29 *
Drittes Kapitel. §. 121.
mischt haben möge, und Schleiermacher findet als das Wahrscheinlichste, daſs man diese, von Jesu selbst als schwer bezeichneten Augenblicke zeitig durch Engelerschei- nungen hymnisch verherrlicht, und der Referent im drit- ten Evangelium dieses ursprünglich bloſs poëtisch Gemeinte geschichtlich genommen habe 24). Ob diese Auffassung ge- nügt, ob sie nicht etwas als geschichtlich zum Grunde legt, was selbst noch zum Mythischen gerechnet werden muſs, kann sich erst weiter unter zeigen.
Nicht minder anstöſsig als die Stärkung durch den Engel ist schon frühzeitig der andere dem Lukas eigen- thümliche Zug, der blutige Schweiſs, gefunden worden. Wenigstens scheint es dieser vor Allem gewesen zu sein, welcher die Weglassung der ganzen Einschaltung bei Lu- kas V. 43. und 44. aus mehreren alten Evangelienexempla- ren veranlaſst hat. Denn wie die Orthodoxen, welche nach Epiphanius 25) die Stelle ausmerzten, hauptsächlich den tiefsten Grad der Bangigkeit, der sich in dem Blutschweiſs ausdrückt, gescheut zu haben scheinen: so können beson- ders die doketisch Gesinnten unter denen, welche die Stel- le nicht lasen 26), nur jenen Schweiſs perhorrescirt haben. Erhob man auf diese Weise früher aus dogmatischen Rück- sichten gegen die Schicklichkeit des Blutschweiſses Jesu Zweifel: so hat man dieſs in neuerer Zeit aus physiologi- schen Gründen gegen die Möglichkeit desselben gethan. Zwar werden für das Vorkommen von blutigem Schweiſs von Aristoteles 27) bis auf die neueren Naturforscher herun- ter 28) Auctoritäten aufgeführt: aber man findet eine sol- che Erscheinung immer nur als höchste Seltenheit und als
24) Über den Lukas, S. 288.
25) Ancoratus, 31.
26) s. bei Wetstein, S. 807.
27) De part. animal. 3, 15.
28) s. bei Michaelis, Anm. z. d. St. und Kuinöl, in Luc. p. 691 f.
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Drittes Kapitel. §. 121.
mischt haben möge, und Schleiermacher findet als das
Wahrscheinlichste, daſs man diese, von Jesu selbst als
schwer bezeichneten Augenblicke zeitig durch Engelerschei-
nungen hymnisch verherrlicht, und der Referent im drit-
ten Evangelium dieses ursprünglich bloſs poëtisch Gemeinte
geschichtlich genommen habe 24). Ob diese Auffassung ge-
nügt, ob sie nicht etwas als geschichtlich zum Grunde legt,
was selbst noch zum Mythischen gerechnet werden muſs,
kann sich erst weiter unter zeigen.
Nicht minder anstöſsig als die Stärkung durch den
Engel ist schon frühzeitig der andere dem Lukas eigen-
thümliche Zug, der blutige Schweiſs, gefunden worden.
Wenigstens scheint es dieser vor Allem gewesen zu sein,
welcher die Weglassung der ganzen Einschaltung bei Lu-
kas V. 43. und 44. aus mehreren alten Evangelienexempla-
ren veranlaſst hat. Denn wie die Orthodoxen, welche nach
Epiphanius 25) die Stelle ausmerzten, hauptsächlich den
tiefsten Grad der Bangigkeit, der sich in dem Blutschweiſs
ausdrückt, gescheut zu haben scheinen: so können beson-
ders die doketisch Gesinnten unter denen, welche die Stel-
le nicht lasen 26), nur jenen Schweiſs perhorrescirt haben.
Erhob man auf diese Weise früher aus dogmatischen Rück-
sichten gegen die Schicklichkeit des Blutschweiſses Jesu
Zweifel: so hat man dieſs in neuerer Zeit aus physiologi-
schen Gründen gegen die Möglichkeit desselben gethan.
Zwar werden für das Vorkommen von blutigem Schweiſs
von Aristoteles 27) bis auf die neueren Naturforscher herun-
ter 28) Auctoritäten aufgeführt: aber man findet eine sol-
che Erscheinung immer nur als höchste Seltenheit und als
24) Über den Lukas, S. 288.
25) Ancoratus, 31.
26) s. bei Wetstein, S. 807.
27) De part. animal. 3, 15.
28) s. bei Michaelis, Anm. z. d. St. und Kuinöl, in Luc. p. 691 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/470>, abgerufen am 22.11.2024.
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