Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Drittes Kapitel. §. 125. übergehen den schwachen Jünger bedeutend angesehen 7).Allein von einem solchen Abführen weiss Lukas nichts; auch lautet sein srapheis o Kurios eneblepse to Petro nicht sowohl, wie wenn Jesus im Gehen, als wie wenn er, abgewendet stehend, sich nach Petrus umgesehen hätte; endlich aber ist durch jene Voraussetzung noch nicht er- klärt, wie Jesus zur Kenntniss von den Verleugnungen des Jüngers gekommen war, da er bei dem Getümmel die- ses Abends doch nicht wohl, wie Paulus meint, im Zim- mer den auf dem Hof lautredenden Petrus hören konnte. Freilich findet sich jene ausdrückliche Unterscheidung des Ortes, wo Jesus, von dem wo Petrus war, bei Lukas nicht, sondern nach ihm könnte auch Jesus einige Zeit im Hof sich haben aufhalten müssen: allein theils ist hier die Darstellung der andern an sich wahrscheinlicher, theils macht auch die eigene Erzählung des Lukas von den Ver- leugnungen von vorne herein nicht den Eindruck, als ob Jesus in unmittelbarer Nähe gewesen wäre. Man hätte sich übrigens die Hypothesen zur Erklärung jenes Blicks ersparen können, wenn man auf den Ursprung dieses Zugs einen kritischen Blick gerichtet hätte. Schon die Unklar- heit, mit welcher der in der ganzen früheren Verhandlung hinter die Scene gerückte Jesus hier auf einmal einen Blick in dieselbe wirft, hätte, zusammengenommen mit dem Still- schweigen der übrigen Evangelisten, ein Fingerzeig sein sollen, wie es mit dieser Notiz steht. Dann, wenn hinzu- gesezt wird, als Jesus den Petrus anblickte, habe sich die- ser des Worts erinnert, welches Jesus früher über seine bevorstehende Verleugnung zu ihm gesprochen hatte: so hätte man bemerken können, wie der Blick Jesu nichts Andres ist, als die zur äussern Anschauung gemachte Er- innerung des Petrus an die Worte seines Meisters. Zeigt die hierin einfachste johanneische Erzählung nur objektiv 7) Paulus und Olshausen z. d. St. Schleiermacher, a. a. O. S. 289. Das Leben Jesu II. Band. 32
Drittes Kapitel. §. 125. übergehen den schwachen Jünger bedeutend angesehen 7).Allein von einem solchen Abführen weiſs Lukas nichts; auch lautet sein ςραφεὶς ὁ Κύριος ἐνέβλεψε τῷ Πέτρῳ nicht sowohl, wie wenn Jesus im Gehen, als wie wenn er, abgewendet stehend, sich nach Petrus umgesehen hätte; endlich aber ist durch jene Voraussetzung noch nicht er- klärt, wie Jesus zur Kenntniſs von den Verleugnungen des Jüngers gekommen war, da er bei dem Getümmel die- ses Abends doch nicht wohl, wie Paulus meint, im Zim- mer den auf dem Hof lautredenden Petrus hören konnte. Freilich findet sich jene ausdrückliche Unterscheidung des Ortes, wo Jesus, von dem wo Petrus war, bei Lukas nicht, sondern nach ihm könnte auch Jesus einige Zeit im Hof sich haben aufhalten müssen: allein theils ist hier die Darstellung der andern an sich wahrscheinlicher, theils macht auch die eigene Erzählung des Lukas von den Ver- leugnungen von vorne herein nicht den Eindruck, als ob Jesus in unmittelbarer Nähe gewesen wäre. Man hätte sich übrigens die Hypothesen zur Erklärung jenes Blicks ersparen können, wenn man auf den Ursprung dieses Zugs einen kritischen Blick gerichtet hätte. Schon die Unklar- heit, mit welcher der in der ganzen früheren Verhandlung hinter die Scene gerückte Jesus hier auf einmal einen Blick in dieselbe wirft, hätte, zusammengenommen mit dem Still- schweigen der übrigen Evangelisten, ein Fingerzeig sein sollen, wie es mit dieser Notiz steht. Dann, wenn hinzu- gesezt wird, als Jesus den Petrus anblickte, habe sich die- ser des Worts erinnert, welches Jesus früher über seine bevorstehende Verleugnung zu ihm gesprochen hatte: so hätte man bemerken können, wie der Blick Jesu nichts Andres ist, als die zur äussern Anschauung gemachte Er- innerung des Petrus an die Worte seines Meisters. Zeigt die hierin einfachste johanneische Erzählung nur objektiv 7) Paulus und Olshausen z. d. St. Schleiermacher, a. a. O. S. 289. Das Leben Jesu II. Band. 32
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Drittes Kapitel. §. 125.
übergehen den schwachen Jünger bedeutend angesehen 7).
Allein von einem solchen Abführen weiſs Lukas nichts;
auch lautet sein ςραφεὶς ὁ Κύριος ἐνέβλεψε τῷ Πέτρῳ nicht
sowohl, wie wenn Jesus im Gehen, als wie wenn er,
abgewendet stehend, sich nach Petrus umgesehen hätte;
endlich aber ist durch jene Voraussetzung noch nicht er-
klärt, wie Jesus zur Kenntniſs von den Verleugnungen
des Jüngers gekommen war, da er bei dem Getümmel die-
ses Abends doch nicht wohl, wie Paulus meint, im Zim-
mer den auf dem Hof lautredenden Petrus hören konnte.
Freilich findet sich jene ausdrückliche Unterscheidung des
Ortes, wo Jesus, von dem wo Petrus war, bei Lukas
nicht, sondern nach ihm könnte auch Jesus einige Zeit im
Hof sich haben aufhalten müssen: allein theils ist hier die
Darstellung der andern an sich wahrscheinlicher, theils
macht auch die eigene Erzählung des Lukas von den Ver-
leugnungen von vorne herein nicht den Eindruck, als ob
Jesus in unmittelbarer Nähe gewesen wäre. Man hätte
sich übrigens die Hypothesen zur Erklärung jenes Blicks
ersparen können, wenn man auf den Ursprung dieses Zugs
einen kritischen Blick gerichtet hätte. Schon die Unklar-
heit, mit welcher der in der ganzen früheren Verhandlung
hinter die Scene gerückte Jesus hier auf einmal einen Blick
in dieselbe wirft, hätte, zusammengenommen mit dem Still-
schweigen der übrigen Evangelisten, ein Fingerzeig sein
sollen, wie es mit dieser Notiz steht. Dann, wenn hinzu-
gesezt wird, als Jesus den Petrus anblickte, habe sich die-
ser des Worts erinnert, welches Jesus früher über seine
bevorstehende Verleugnung zu ihm gesprochen hatte: so
hätte man bemerken können, wie der Blick Jesu nichts
Andres ist, als die zur äussern Anschauung gemachte Er-
innerung des Petrus an die Worte seines Meisters. Zeigt
die hierin einfachste johanneische Erzählung nur objektiv
7) Paulus und Olshausen z. d. St. Schleiermacher, a. a. O. S. 289.
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