Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Drittes Kapitel. §. 126. ein von solchen, die falsch und giftig wider ihn reden,und ihm für seine Liebe Hass zurückgeben, sondern von V. 6. an, wo die Verwünschungen angehen, wendet er sich gegen eine einzelne Person, so dass die jüdischen Aus- leger an Doeg, Davids Verleumder bei Saul, dachten, und ebenso natürlich die Christen an den Judas. Aus diesem Psalm ist hier derjenige Vers herausgelesen, welcher, von der Übertragung des Amts an einen andern handelnd, ganz auf den Fall des Judas zu passen schien. Der andre Psalm redet zwar unbestimmter von solchen, die den Verfasser ohne Ursache hassen und verfolgen: doch ist er, ebenfalls angeblich Davidisch, dem andern an Inhalt und Manier so ähnlich, dass er als Parallele zu jenem gelten, und wenn aus jenem, dann auch aus diesem Verwünschungen auf den Verräther angewendet werden konnten 14). Hatte nun Judas wirklich um seinen Verräthersold ein Gut gekauft, welches hernach wegen seines auf demselben erfolgten grässlichen Endes öde liegen blieb: so ergab es sich von selbst, aus diesem Psalm gerade diejenige Stelle, welche den Feinden Verödung ihrer epaulis anwünscht, auf ihn zu beziehen. Wie es jedoch bei der Abweichung des Mat- thäus zweifelhaft ist, ob Judas selbst sich jenes Grundstück erkauft habe und auf demselben verunglückt sei: so war auch schwerlich den Juden das Stück Land, auf welchem der Verräther Jesu geendet hatte, so abscheulich, um es als Blutland öde liegen zu lassen, sondern diese Benen- nung hatte wohl einen andern, nicht mehr zu ermittelnden, Ursprung gehabt, und die Christen haben sie in ihrem Sin- ne umgedeutet, so dass wir nicht aus einem wirklichen Besizthum des Judas die Anwendung der Psalmstelle und die Benennung jenes öden Platzes, sondern aus diesen bei- 14) Auch sonst im N. T. sind Stellen dieses Psalms messianisch
angewendet, wie V. 5. Joh. 15, 25; V. 10. Joh. 2, 17, und Joh 19, 28 f., wahrscheinlich V. 22. Drittes Kapitel. §. 126. ein von solchen, die falsch und giftig wider ihn reden,und ihm für seine Liebe Haſs zurückgeben, sondern von V. 6. an, wo die Verwünschungen angehen, wendet er sich gegen eine einzelne Person, so daſs die jüdischen Aus- leger an Doëg, Davids Verleumder bei Saul, dachten, und ebenso natürlich die Christen an den Judas. Aus diesem Psalm ist hier derjenige Vers herausgelesen, welcher, von der Übertragung des Amts an einen andern handelnd, ganz auf den Fall des Judas zu passen schien. Der andre Psalm redet zwar unbestimmter von solchen, die den Verfasser ohne Ursache hassen und verfolgen: doch ist er, ebenfalls angeblich Davidisch, dem andern an Inhalt und Manier so ähnlich, daſs er als Parallele zu jenem gelten, und wenn aus jenem, dann auch aus diesem Verwünschungen auf den Verräther angewendet werden konnten 14). Hatte nun Judas wirklich um seinen Verräthersold ein Gut gekauft, welches hernach wegen seines auf demselben erfolgten gräſslichen Endes öde liegen blieb: so ergab es sich von selbst, aus diesem Psalm gerade diejenige Stelle, welche den Feinden Verödung ihrer ἔπαυλις anwünscht, auf ihn zu beziehen. Wie es jedoch bei der Abweichung des Mat- thäus zweifelhaft ist, ob Judas selbst sich jenes Grundstück erkauft habe und auf demselben verunglückt sei: so war auch schwerlich den Juden das Stück Land, auf welchem der Verräther Jesu geendet hatte, so abscheulich, um es als Blutland öde liegen zu lassen, sondern diese Benen- nung hatte wohl einen andern, nicht mehr zu ermittelnden, Ursprung gehabt, und die Christen haben sie in ihrem Sin- ne umgedeutet, so daſs wir nicht aus einem wirklichen Besizthum des Judas die Anwendung der Psalmstelle und die Benennung jenes öden Platzes, sondern aus diesen bei- 14) Auch sonst im N. T. sind Stellen dieses Psalms messianisch
angewendet, wie V. 5. Joh. 15, 25; V. 10. Joh. 2, 17, und Joh 19, 28 f., wahrscheinlich V. 22. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0524" n="505"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Kapitel</hi>. §. 126.</fw><lb/> ein von solchen, die falsch und giftig wider ihn reden,<lb/> und ihm für seine Liebe Haſs zurückgeben, sondern von<lb/> V. 6. an, wo die Verwünschungen angehen, wendet er<lb/> sich gegen eine einzelne Person, so daſs die jüdischen Aus-<lb/> leger an Doëg, Davids Verleumder bei Saul, dachten, und<lb/> ebenso natürlich die Christen an den Judas. Aus diesem<lb/> Psalm ist hier derjenige Vers herausgelesen, welcher, von<lb/> der Übertragung des Amts an einen andern handelnd, ganz<lb/> auf den Fall des Judas zu passen schien. Der andre Psalm<lb/> redet zwar unbestimmter von solchen, die den Verfasser<lb/> ohne Ursache hassen und verfolgen: doch ist er, ebenfalls<lb/> angeblich Davidisch, dem andern an Inhalt und Manier so<lb/> ähnlich, daſs er als Parallele zu jenem gelten, und wenn<lb/> aus jenem, dann auch aus diesem Verwünschungen auf den<lb/> Verräther angewendet werden konnten <note place="foot" n="14)">Auch sonst im N. T. sind Stellen dieses Psalms messianisch<lb/> angewendet, wie V. 5. Joh. 15, 25; V. 10. Joh. 2, 17, und<lb/> Joh 19, 28 f., wahrscheinlich V. 22.</note>. Hatte nun<lb/> Judas wirklich um seinen Verräthersold ein Gut gekauft,<lb/> welches hernach wegen seines auf demselben erfolgten<lb/> gräſslichen Endes öde liegen blieb: so ergab es sich von<lb/> selbst, aus diesem Psalm gerade diejenige Stelle, welche<lb/> den Feinden Verödung ihrer ἔπαυλις anwünscht, auf ihn<lb/> zu beziehen. Wie es jedoch bei der Abweichung des Mat-<lb/> thäus zweifelhaft ist, ob Judas selbst sich jenes Grundstück<lb/> erkauft habe und auf demselben verunglückt sei: so war<lb/> auch schwerlich den Juden das Stück Land, auf welchem<lb/> der Verräther Jesu geendet hatte, so abscheulich, um es<lb/> als Blutland öde liegen zu lassen, sondern diese Benen-<lb/> nung hatte wohl einen andern, nicht mehr zu ermittelnden,<lb/> Ursprung gehabt, und die Christen haben sie in ihrem Sin-<lb/> ne umgedeutet, so daſs wir nicht aus einem wirklichen<lb/> Besizthum des Judas die Anwendung der Psalmstelle und<lb/> die Benennung jenes öden Platzes, sondern aus diesen bei-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [505/0524]
Drittes Kapitel. §. 126.
ein von solchen, die falsch und giftig wider ihn reden,
und ihm für seine Liebe Haſs zurückgeben, sondern von
V. 6. an, wo die Verwünschungen angehen, wendet er
sich gegen eine einzelne Person, so daſs die jüdischen Aus-
leger an Doëg, Davids Verleumder bei Saul, dachten, und
ebenso natürlich die Christen an den Judas. Aus diesem
Psalm ist hier derjenige Vers herausgelesen, welcher, von
der Übertragung des Amts an einen andern handelnd, ganz
auf den Fall des Judas zu passen schien. Der andre Psalm
redet zwar unbestimmter von solchen, die den Verfasser
ohne Ursache hassen und verfolgen: doch ist er, ebenfalls
angeblich Davidisch, dem andern an Inhalt und Manier so
ähnlich, daſs er als Parallele zu jenem gelten, und wenn
aus jenem, dann auch aus diesem Verwünschungen auf den
Verräther angewendet werden konnten 14). Hatte nun
Judas wirklich um seinen Verräthersold ein Gut gekauft,
welches hernach wegen seines auf demselben erfolgten
gräſslichen Endes öde liegen blieb: so ergab es sich von
selbst, aus diesem Psalm gerade diejenige Stelle, welche
den Feinden Verödung ihrer ἔπαυλις anwünscht, auf ihn
zu beziehen. Wie es jedoch bei der Abweichung des Mat-
thäus zweifelhaft ist, ob Judas selbst sich jenes Grundstück
erkauft habe und auf demselben verunglückt sei: so war
auch schwerlich den Juden das Stück Land, auf welchem
der Verräther Jesu geendet hatte, so abscheulich, um es
als Blutland öde liegen zu lassen, sondern diese Benen-
nung hatte wohl einen andern, nicht mehr zu ermittelnden,
Ursprung gehabt, und die Christen haben sie in ihrem Sin-
ne umgedeutet, so daſs wir nicht aus einem wirklichen
Besizthum des Judas die Anwendung der Psalmstelle und
die Benennung jenes öden Platzes, sondern aus diesen bei-
14) Auch sonst im N. T. sind Stellen dieses Psalms messianisch
angewendet, wie V. 5. Joh. 15, 25; V. 10. Joh. 2, 17, und
Joh 19, 28 f., wahrscheinlich V. 22.
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