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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Drittes Kapitel. §. 127.
immer im N. T., namentlich im Matthäusevangelium, Träu-
me als höhere Schickung betrachtet werden: so ist auch
dieser gewiss in der Ansicht des Referenten non sine nu-
mine
gewesen, und es muss sich daher ein Grund seiner
Zuschickung denken lassen. Sollte der Traum wirklich
den Tod Jesu hintertreiben, so müsste man vom orthodoxen
Standpunkt aus, auf welchem dieser Tod zur Seligkeit der
Menschen nothwendig war, auf die Vermuthung einiger
Alten kommen, der Teufel möge es gewesen sein, welcher
der Frau des Procurators jenen Traum eingab, um den
Versöhnungstod zu verhindern 14); sollte der Tod Jesu
nicht verhindert werden, so könnte der Zweck des Trau-
mes nur auf Pilatus oder seine Gattin gehen. Allein dem
Pilatus konnte eine so spät kommende Warnung wohl nur
die Schuld vermehren, ohne ihn von dem bereits halb ge-
thanen Schritt zurückbringen zu können; dass aber seine
Gattin durch den Traum bekehrt worden sei, wie Manche
angenommen haben 15), ist theils nirgendsher bekannt,
theils spricht sich in der Erzählung nicht dieser Zweck
aus. Sondern, wie schon die Figur des Pilatus in der
evangelischen Erzählung so gehalten ist, dass dem blinden
Hasse der Volksgenossen Jesu das unparteiische Urtheil
eines Heiden gegenüberstehen soll: so wird nun auch sei-
ner Gattin ein Zeugniss für Jesum abgewonnen, um, wie
nach Matth. 21, 16. aus dem Munde der nepion kai the-
lazonton, so nunmehr aus dem Munde eines schwachen
Weibes, ihm ein Lob zu bereiten, welches, zur Mehrung
seines Gewichts, aus einem bedeutungsvollen Traume ab-

14) Ignat. ad Philippens. 4: phobei de (der Teufel) to gunaion,
en oneirois auto katataratton kai pauein peiratai ta kata ton
sauron. Vgl. Thilo, p. 523. Die Juden im Evang. Nicod.,
c. 2. p. 524, erklären den Traum für ein Zauberstück von
Jesu: goes esi -- idou oneiropempto epempse pros ten gunaika sou.
15) z. B. Theophylakt, s. Thilo p. 523.

Drittes Kapitel. §. 127.
immer im N. T., namentlich im Matthäusevangelium, Träu-
me als höhere Schickung betrachtet werden: so ist auch
dieser gewiſs in der Ansicht des Referenten non sine nu-
mine
gewesen, und es muſs sich daher ein Grund seiner
Zuschickung denken lassen. Sollte der Traum wirklich
den Tod Jesu hintertreiben, so müſste man vom orthodoxen
Standpunkt aus, auf welchem dieser Tod zur Seligkeit der
Menschen nothwendig war, auf die Vermuthung einiger
Alten kommen, der Teufel möge es gewesen sein, welcher
der Frau des Procurators jenen Traum eingab, um den
Versöhnungstod zu verhindern 14); sollte der Tod Jesu
nicht verhindert werden, so könnte der Zweck des Trau-
mes nur auf Pilatus oder seine Gattin gehen. Allein dem
Pilatus konnte eine so spät kommende Warnung wohl nur
die Schuld vermehren, ohne ihn von dem bereits halb ge-
thanen Schritt zurückbringen zu können; daſs aber seine
Gattin durch den Traum bekehrt worden sei, wie Manche
angenommen haben 15), ist theils nirgendsher bekannt,
theils spricht sich in der Erzählung nicht dieser Zweck
aus. Sondern, wie schon die Figur des Pilatus in der
evangelischen Erzählung so gehalten ist, daſs dem blinden
Hasse der Volksgenossen Jesu das unparteiische Urtheil
eines Heiden gegenüberstehen soll: so wird nun auch sei-
ner Gattin ein Zeugniſs für Jesum abgewonnen, um, wie
nach Matth. 21, 16. aus dem Munde der νηπίων καὶ ϑη-
λαζόντων, so nunmehr aus dem Munde eines schwachen
Weibes, ihm ein Lob zu bereiten, welches, zur Mehrung
seines Gewichts, aus einem bedeutungsvollen Traume ab-

14) Ignat. ad Philippens. 4: φοβεῖ δὲ (der Teufel) τὸ γὐναιον,
ἐν ὀνείροις αὐτὀ καταταράττων καὶ παύειν πειρᾶται τὰ κατὰ τὸν
ςαυρόν. Vgl. Thilo, p. 523. Die Juden im Evang. Nicod.,
c. 2. p. 524, erklären den Traum für ein Zauberstück von
Jesu: γόης ἐςὶ — ἰδοὺ ὀνειρόπεμπτω ἔπεμψε πρὸς τὴν γυναῖκά σου.
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[521/0540] Drittes Kapitel. §. 127. immer im N. T., namentlich im Matthäusevangelium, Träu- me als höhere Schickung betrachtet werden: so ist auch dieser gewiſs in der Ansicht des Referenten non sine nu- mine gewesen, und es muſs sich daher ein Grund seiner Zuschickung denken lassen. Sollte der Traum wirklich den Tod Jesu hintertreiben, so müſste man vom orthodoxen Standpunkt aus, auf welchem dieser Tod zur Seligkeit der Menschen nothwendig war, auf die Vermuthung einiger Alten kommen, der Teufel möge es gewesen sein, welcher der Frau des Procurators jenen Traum eingab, um den Versöhnungstod zu verhindern 14); sollte der Tod Jesu nicht verhindert werden, so könnte der Zweck des Trau- mes nur auf Pilatus oder seine Gattin gehen. Allein dem Pilatus konnte eine so spät kommende Warnung wohl nur die Schuld vermehren, ohne ihn von dem bereits halb ge- thanen Schritt zurückbringen zu können; daſs aber seine Gattin durch den Traum bekehrt worden sei, wie Manche angenommen haben 15), ist theils nirgendsher bekannt, theils spricht sich in der Erzählung nicht dieser Zweck aus. Sondern, wie schon die Figur des Pilatus in der evangelischen Erzählung so gehalten ist, daſs dem blinden Hasse der Volksgenossen Jesu das unparteiische Urtheil eines Heiden gegenüberstehen soll: so wird nun auch sei- ner Gattin ein Zeugniſs für Jesum abgewonnen, um, wie nach Matth. 21, 16. aus dem Munde der νηπίων καὶ ϑη- λαζόντων, so nunmehr aus dem Munde eines schwachen Weibes, ihm ein Lob zu bereiten, welches, zur Mehrung seines Gewichts, aus einem bedeutungsvollen Traume ab- 14) Ignat. ad Philippens. 4: φοβεῖ δὲ (der Teufel) τὸ γὐναιον, ἐν ὀνείροις αὐτὀ καταταράττων καὶ παύειν πειρᾶται τὰ κατὰ τὸν ςαυρόν. Vgl. Thilo, p. 523. Die Juden im Evang. Nicod., c. 2. p. 524, erklären den Traum für ein Zauberstück von Jesu: γόης ἐςὶ — ἰδοὺ ὀνειρόπεμπτω ἔπεμψε πρὸς τὴν γυναῖκά σου. 15) z. B. Theophylakt, s. Thilo p. 523.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/540>, abgerufen am 22.11.2024.