Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 129. monds, war. Indem nun aber auch die Evangelien nichtbestimmt von einer ekleipsis toueliou sprechen, sondern die beiden ersten nur überhaupt von skotos, wozu das dritte etwas genauer: kai eskotisthe o elios sezt, was aber gleich- falls von jeder Art der Verdunkelung des Sonnenlichts ge- sagt werden kann: so lag es nahe, statt einer astronomi- schen an eine atmosphärische Ursache dieser Finsterniss zu denken, und sie von verdunkelnden Dämpfen in der Luft, wie sie zumal vor Erdbeben herzugehen pflegen, abzuleiten 2). Dass solche Verdunkelungen der Luft über ganze Länder sich ausbreiten können, ist richtig; aber wenn auch die ole oder pasa e ge, über welche sich diese Finster- niss erstreckt haben soll, nicht mit Fritzsche als der ganze Erdkreis genommen wird, so zeigt doch der Zusammen- hang, in welche sie die Evangelisten stellen, deutlich genug, dass sie sich etwas Wunderbares dachten; wobei dann aber das Suchen nach einem denkbaren Grund und Zweck des Wunders in die Frage nach seiner historischen Realität sich verwandeln muss. Für diese beriefen sich die Kirchenvä- ter auf Zeugnisse heidnischer Schriftsteller, von welchen namentlich Phlegon in seinen khronikois jene Finsterniss angemerkt haben sollte 3): allein wenn man die bei Euse- bius wahrscheinlich aufbewahrte Stelle des Phlegon ver- gleicht, so ist in dieser nur die Olympiade, schwerlich das Jahr, in keinem Fall die Jahrszeit und der Tag dieser Finsterniss bestimmt 4). Neuere berufen sich auf ähnliche Fälle aus der alten Geschichte, von welchen namentlich Wetstein eine reiche Sammlung angelegt hat. Er bringt aus griechischen und römischen Schriftstellern die Notizen von den Sonnenfinsternissen bei, welche bei der Wegnah- 2) So Paulus und Kuinöl, z. d. St.; Hase, L. J. §. 143. 3) Tertull. Apologet. c. 21. Orig. c. Cels. 2, 33. 59. 4) Euseb. can. chron. ad Ol. 202. ann. 4. Vgl. Paulus, S. 765 ff.
Viertes Kapitel. §. 129. monds, war. Indem nun aber auch die Evangelien nichtbestimmt von einer ἔκλειψις τοῦἡλίου sprechen, sondern die beiden ersten nur überhaupt von σκότος, wozu das dritte etwas genauer: καὶ ἐσκοτίσϑη ὁ ἥλιος sezt, was aber gleich- falls von jeder Art der Verdunkelung des Sonnenlichts ge- sagt werden kann: so lag es nahe, statt einer astronomi- schen an eine atmosphärische Ursache dieser Finsterniſs zu denken, und sie von verdunkelnden Dämpfen in der Luft, wie sie zumal vor Erdbeben herzugehen pflegen, abzuleiten 2). Daſs solche Verdunkelungen der Luft über ganze Länder sich ausbreiten können, ist richtig; aber wenn auch die ὅλη oder πᾶσα ἡ γῆ, über welche sich diese Finster- niſs erstreckt haben soll, nicht mit Fritzsche als der ganze Erdkreis genommen wird, so zeigt doch der Zusammen- hang, in welche sie die Evangelisten stellen, deutlich genug, daſs sie sich etwas Wunderbares dachten; wobei dann aber das Suchen nach einem denkbaren Grund und Zweck des Wunders in die Frage nach seiner historischen Realität sich verwandeln muſs. Für diese beriefen sich die Kirchenvä- ter auf Zeugnisse heidnischer Schriftsteller, von welchen namentlich Phlegon in seinen χρονικοῖς jene Finsterniſs angemerkt haben sollte 3): allein wenn man die bei Euse- bius wahrscheinlich aufbewahrte Stelle des Phlegon ver- gleicht, so ist in dieser nur die Olympiade, schwerlich das Jahr, in keinem Fall die Jahrszeit und der Tag dieser Finsterniſs bestimmt 4). Neuere berufen sich auf ähnliche Fälle aus der alten Geschichte, von welchen namentlich Wetstein eine reiche Sammlung angelegt hat. Er bringt aus griechischen und römischen Schriftstellern die Notizen von den Sonnenfinsternissen bei, welche bei der Wegnah- 2) So Paulus und Kuinöl, z. d. St.; Hase, L. J. §. 143. 3) Tertull. Apologet. c. 21. Orig. c. Cels. 2, 33. 59. 4) Euseb. can. chron. ad Ol. 202. ann. 4. Vgl. Paulus, S. 765 ff.
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Viertes Kapitel. §. 129.
monds, war. Indem nun aber auch die Evangelien nicht
bestimmt von einer ἔκλειψις τοῦἡλίου sprechen, sondern die
beiden ersten nur überhaupt von σκότος, wozu das dritte
etwas genauer: καὶ ἐσκοτίσϑη ὁ ἥλιος sezt, was aber gleich-
falls von jeder Art der Verdunkelung des Sonnenlichts ge-
sagt werden kann: so lag es nahe, statt einer astronomi-
schen an eine atmosphärische Ursache dieser Finsterniſs
zu denken, und sie von verdunkelnden Dämpfen in der
Luft, wie sie zumal vor Erdbeben herzugehen pflegen,
abzuleiten 2). Daſs solche Verdunkelungen der Luft über
ganze Länder sich ausbreiten können, ist richtig; aber wenn
auch die ὅλη oder πᾶσα ἡ γῆ, über welche sich diese Finster-
niſs erstreckt haben soll, nicht mit Fritzsche als der ganze
Erdkreis genommen wird, so zeigt doch der Zusammen-
hang, in welche sie die Evangelisten stellen, deutlich genug,
daſs sie sich etwas Wunderbares dachten; wobei dann aber
das Suchen nach einem denkbaren Grund und Zweck des
Wunders in die Frage nach seiner historischen Realität sich
verwandeln muſs. Für diese beriefen sich die Kirchenvä-
ter auf Zeugnisse heidnischer Schriftsteller, von welchen
namentlich Phlegon in seinen χρονικοῖς jene Finsterniſs
angemerkt haben sollte 3): allein wenn man die bei Euse-
bius wahrscheinlich aufbewahrte Stelle des Phlegon ver-
gleicht, so ist in dieser nur die Olympiade, schwerlich das
Jahr, in keinem Fall die Jahrszeit und der Tag dieser
Finsterniſs bestimmt 4). Neuere berufen sich auf ähnliche
Fälle aus der alten Geschichte, von welchen namentlich
Wetstein eine reiche Sammlung angelegt hat. Er bringt
aus griechischen und römischen Schriftstellern die Notizen
von den Sonnenfinsternissen bei, welche bei der Wegnah-
2) So Paulus und Kuinöl, z. d. St.; Hase, L. J. §. 143.
3) Tertull. Apologet. c. 21. Orig. c. Cels. 2, 33. 59.
4) Euseb. can. chron. ad Ol. 202. ann. 4. Vgl. Paulus, S. 765 ff.
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