einer bei'm Tode Jesu geschehenen Auferstehung der Hei- ligen hervorgehen, wesswegen Hase mit Recht die Voraus- setzung von Träumen fallen lässt, und allein mit den leer- gefundenen Gräbern auf der einen und jener jüdischen Erwartung auf der andern Seite auszureichen sucht 18). Näher angesehen indess, wenn einmal diese Vorstellung vorhanden war, so bedurfte es keiner wirklichen Eröff- nung der Gräber, um einem solchen Mythus Entstehung zu geben, und so hat Schneckenburger die leergefundenen Gräber aus seiner Rechnung weggelassen 19). Wenn nun aber er statt dessen von visionären Erscheinungen spricht, welche, durch Jesu Auferstehung angeregt, seine Anhänger in Jerusalem gehabt haben: so ist diess ebenso einseitig, wie wenn Hase, die Träume weglassend, an der Graböffnung festhält; da, wenn einmal das eine, dann auch das andere dieser engverbundenen Momente als historisch aufgegeben werden muss.
Freilich ist hiegegen nicht ohne Schein bemerkt wor- den, dass zur Erklärung des Entstehens eines solchen My- thus die angeführte jüdische Erwartung nicht ausreiche 20). Die Erwartung war näher diese. Vom Apostel Paulus (1 Thess. 4, 16. vrgl. 1 Kor. 15, 22. f.) und bestimmter aus der Apokalypse (20, 4. f.) wissen wir, dass die ersten Christen bei der Wiederkunft Christi eine Auferstehung der From- men erwarteten, welche mit Christo 1000 Jahre regieren sollten; erst nach dieser Zeit sollten dann auch die übri- gen auferstehen, und von dieser zweiten Auferstehung wurde jene als e anasasis e prote, oder ton dikaion (Luc. 14, 14.) wofür Justin e agia anasasis hat 21) unterschie- den. Doch diess ist schon die christianisirte Form der
18) L. J. §. 148.
19) Über den Ursprung, S. 67.
20)Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 798.
21) Dial. c. Tryph. 113.
Dritter Abchnitt.
einer bei'm Tode Jesu geschehenen Auferstehung der Hei- ligen hervorgehen, weſswegen Hase mit Recht die Voraus- setzung von Träumen fallen läſst, und allein mit den leer- gefundenen Gräbern auf der einen und jener jüdischen Erwartung auf der andern Seite auszureichen sucht 18). Näher angesehen indeſs, wenn einmal diese Vorstellung vorhanden war, so bedurfte es keiner wirklichen Eröff- nung der Gräber, um einem solchen Mythus Entstehung zu geben, und so hat Schneckenburger die leergefundenen Gräber aus seiner Rechnung weggelassen 19). Wenn nun aber er statt dessen von visionären Erscheinungen spricht, welche, durch Jesu Auferstehung angeregt, seine Anhänger in Jerusalem gehabt haben: so ist dieſs ebenso einseitig, wie wenn Hase, die Träume weglassend, an der Graböffnung festhält; da, wenn einmal das eine, dann auch das andere dieser engverbundenen Momente als historisch aufgegeben werden muſs.
Freilich ist hiegegen nicht ohne Schein bemerkt wor- den, daſs zur Erklärung des Entstehens eines solchen My- thus die angeführte jüdische Erwartung nicht ausreiche 20). Die Erwartung war näher diese. Vom Apostel Paulus (1 Thess. 4, 16. vrgl. 1 Kor. 15, 22. f.) und bestimmter aus der Apokalypse (20, 4. f.) wissen wir, daſs die ersten Christen bei der Wiederkunft Christi eine Auferstehung der From- men erwarteten, welche mit Christo 1000 Jahre regieren sollten; erst nach dieser Zeit sollten dann auch die übri- gen auferstehen, und von dieser zweiten Auferstehung wurde jene als ἡ ἀνάςασις ἡ πρώτη, oder τῶν δικαίων (Luc. 14, 14.) wofür Justin ἡ ἁγία ἀνάςασις hat 21) unterschie- den. Doch dieſs ist schon die christianisirte Form der
18) L. J. §. 148.
19) Über den Ursprung, S. 67.
20)Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 798.
21) Dial. c. Tryph. 113.
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Dritter Abchnitt.
einer bei'm Tode Jesu geschehenen Auferstehung der Hei-
ligen hervorgehen, weſswegen Hase mit Recht die Voraus-
setzung von Träumen fallen läſst, und allein mit den leer-
gefundenen Gräbern auf der einen und jener jüdischen
Erwartung auf der andern Seite auszureichen sucht 18).
Näher angesehen indeſs, wenn einmal diese Vorstellung
vorhanden war, so bedurfte es keiner wirklichen Eröff-
nung der Gräber, um einem solchen Mythus Entstehung
zu geben, und so hat Schneckenburger die leergefundenen
Gräber aus seiner Rechnung weggelassen 19). Wenn nun
aber er statt dessen von visionären Erscheinungen spricht,
welche, durch Jesu Auferstehung angeregt, seine Anhänger
in Jerusalem gehabt haben: so ist dieſs ebenso einseitig, wie
wenn Hase, die Träume weglassend, an der Graböffnung
festhält; da, wenn einmal das eine, dann auch das andere
dieser engverbundenen Momente als historisch aufgegeben
werden muſs.
Freilich ist hiegegen nicht ohne Schein bemerkt wor-
den, daſs zur Erklärung des Entstehens eines solchen My-
thus die angeführte jüdische Erwartung nicht ausreiche 20).
Die Erwartung war näher diese. Vom Apostel Paulus
(1 Thess. 4, 16. vrgl. 1 Kor. 15, 22. f.) und bestimmter aus der
Apokalypse (20, 4. f.) wissen wir, daſs die ersten Christen
bei der Wiederkunft Christi eine Auferstehung der From-
men erwarteten, welche mit Christo 1000 Jahre regieren
sollten; erst nach dieser Zeit sollten dann auch die übri-
gen auferstehen, und von dieser zweiten Auferstehung
wurde jene als ἡ ἀνάςασις ἡ πρώτη, oder τῶν δικαίων (Luc.
14, 14.) wofür Justin ἡ ἁγία ἀνάςασις hat 21) unterschie-
den. Doch dieſs ist schon die christianisirte Form der
18) L. J. §. 148.
19) Über den Ursprung, S. 67.
20) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 798.
21) Dial. c. Tryph. 113.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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