Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 133. oder an ein Erdbeben, welches, begleitet von aus der Erdeschlagenden Flammen dieselben Wirkungen hervorgebracht habe, wobei denn das Feurige und Übermächtige der Er- scheinung von den wachhabenden Soldaten für einen En- gel gehalten worden sei 20). Allein theils der Umstand, dass der Engel sich auf den abgewälzten Stein gesezt, theils und noch mehr die Notiz, dass er mit den Wei- bern geredet haben soll, macht diese Hypothese unzu- reichend. Man hat sie desswegen durch die Annahme zu ergänzen gesucht, der hohe Gedanke, Jesus sei auferstan- den, welcher aus Veranlassung des leergefundeneu Grabs in den Frauen entstand, und allmählig der anfänglichen Zweifel Meister wurde, sei von den Frauen nach orienta- lischer Denk- und Redeweise einem Engel zugeschrieben worden 21). Wie aber, dass in sämmtlichen Evangelien die Engel als gekleidet in weisse, strahlende Gewänder dargestellt werden? soll auch das orientalische Bilderrede sein? Der Orientale kann wohl etwa einen guten Gedan- ken, der ihm kommt, als einen bezeichnen, den ihm ein Engel zugeflüstert habe: aber nun noch die Kleidung und das Aussehen dieses Engels zu beschreiben, das geht über das Maass des blossen Bildes auch im Orient hinaus. Bei der Beschreibung im ersten Evangelium könnte man etwa den angeblichen Bliz zu Hülfe nehmen und vermuthen, was den Frauen bei'm Anblick desselben durch den Sinn fuhr, das haben sie einem Engel zugeschrieben, welchen sie mit Rücksicht auf jenen Bliz als einen glänzend gekleideten schilderten. Allein nach den übrigen Evangelisten sa- hen die Weiber die Abwälzung des Steins ex hypothesi durch den Bliz nicht mehr mit an, sondern, wie sie in das Grab giengen oder schauten, erschienen ihnen ganz 20) Schuster, in Eichhorn's allg. Biblioth. 9, S. 1034 ff. Kuinöl, in Matth. p. 799. 21) Friedrich, über die Engel in der Auferstehungsgeschichte.
In Eichhorn's a. Bibl. 6, S. 700 ff. Kuinöl, a. a. O. Viertes Kapitel. §. 133. oder an ein Erdbeben, welches, begleitet von aus der Erdeschlagenden Flammen dieselben Wirkungen hervorgebracht habe, wobei denn das Feurige und Übermächtige der Er- scheinung von den wachhabenden Soldaten für einen En- gel gehalten worden sei 20). Allein theils der Umstand, daſs der Engel sich auf den abgewälzten Stein gesezt, theils und noch mehr die Notiz, daſs er mit den Wei- bern geredet haben soll, macht diese Hypothese unzu- reichend. Man hat sie deſswegen durch die Annahme zu ergänzen gesucht, der hohe Gedanke, Jesus sei auferstan- den, welcher aus Veranlassung des leergefundeneu Grabs in den Frauen entstand, und allmählig der anfänglichen Zweifel Meister wurde, sei von den Frauen nach orienta- lischer Denk- und Redeweise einem Engel zugeschrieben worden 21). Wie aber, daſs in sämmtlichen Evangelien die Engel als gekleidet in weisse, strahlende Gewänder dargestellt werden? soll auch das orientalische Bilderrede sein? Der Orientale kann wohl etwa einen guten Gedan- ken, der ihm kommt, als einen bezeichnen, den ihm ein Engel zugeflüstert habe: aber nun noch die Kleidung und das Aussehen dieses Engels zu beschreiben, das geht über das Maaſs des bloſsen Bildes auch im Orient hinaus. Bei der Beschreibung im ersten Evangelium könnte man etwa den angeblichen Bliz zu Hülfe nehmen und vermuthen, was den Frauen bei'm Anblick desselben durch den Sinn fuhr, das haben sie einem Engel zugeschrieben, welchen sie mit Rücksicht auf jenen Bliz als einen glänzend gekleideten schilderten. Allein nach den übrigen Evangelisten sa- hen die Weiber die Abwälzung des Steins ex hypothesi durch den Bliz nicht mehr mit an, sondern, wie sie in das Grab giengen oder schauten, erschienen ihnen ganz 20) Schuster, in Eichhorn's allg. Biblioth. 9, S. 1034 ff. Kuinöl, in Matth. p. 799. 21) Friedrich, über die Engel in der Auferstehungsgeschichte.
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Viertes Kapitel. §. 133.
oder an ein Erdbeben, welches, begleitet von aus der Erde
schlagenden Flammen dieselben Wirkungen hervorgebracht
habe, wobei denn das Feurige und Übermächtige der Er-
scheinung von den wachhabenden Soldaten für einen En-
gel gehalten worden sei 20). Allein theils der Umstand,
daſs der Engel sich auf den abgewälzten Stein gesezt,
theils und noch mehr die Notiz, daſs er mit den Wei-
bern geredet haben soll, macht diese Hypothese unzu-
reichend. Man hat sie deſswegen durch die Annahme zu
ergänzen gesucht, der hohe Gedanke, Jesus sei auferstan-
den, welcher aus Veranlassung des leergefundeneu Grabs
in den Frauen entstand, und allmählig der anfänglichen
Zweifel Meister wurde, sei von den Frauen nach orienta-
lischer Denk- und Redeweise einem Engel zugeschrieben
worden 21). Wie aber, daſs in sämmtlichen Evangelien
die Engel als gekleidet in weisse, strahlende Gewänder
dargestellt werden? soll auch das orientalische Bilderrede
sein? Der Orientale kann wohl etwa einen guten Gedan-
ken, der ihm kommt, als einen bezeichnen, den ihm ein
Engel zugeflüstert habe: aber nun noch die Kleidung und
das Aussehen dieses Engels zu beschreiben, das geht über
das Maaſs des bloſsen Bildes auch im Orient hinaus. Bei
der Beschreibung im ersten Evangelium könnte man etwa
den angeblichen Bliz zu Hülfe nehmen und vermuthen, was
den Frauen bei'm Anblick desselben durch den Sinn fuhr,
das haben sie einem Engel zugeschrieben, welchen sie mit
Rücksicht auf jenen Bliz als einen glänzend gekleideten
schilderten. Allein nach den übrigen Evangelisten sa-
hen die Weiber die Abwälzung des Steins ex hypothesi
durch den Bliz nicht mehr mit an, sondern, wie sie in
das Grab giengen oder schauten, erschienen ihnen ganz
20) Schuster, in Eichhorn's allg. Biblioth. 9, S. 1034 ff. Kuinöl,
in Matth. p. 799.
21) Friedrich, über die Engel in der Auferstehungsgeschichte.
In Eichhorn's a. Bibl. 6, S. 700 ff. Kuinöl, a. a. O.
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