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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 136.
habe, so müssen sie wohl eben während dieser Expedition
gekreuzigt worden sein, und da diese, vermöge der gerin-
gen Entfernung des genannten Orts von Jerusalem, mög-
licherweise in Einem Tage beendigt sein konnte, so hat-
ten sie wohl nicht über Einen Tag, vielleicht noch kürzer,
am Kreuz gehangen. Wenn nun von drei Gekreuzigten,
welche schwerlich viel länger gehangen hatten, als Jesus,
der nach Markus von Morgens 9 Uhr bis Abends gegen 6 Uhr
am Kreuze sich befand, und welche, wie es scheint, noch
mit den Zeichen des Lebens herabgenommen wurden, bei
der sorgfältigsten ärztlichen Pflege nur Einer davon kam:
wie unwahrscheinlich muss es werden, dass Jesus, welcher
bereits mit allen Zeichen des Todes vom Kreuze genom-
men worden war, ohne Anwendung ärztlicher Mittel ganz
von selbst wieder zum Leben gekommen sei? 2)

Diese beiden Momente: ein Rest des bewussten Le-
bens, und sorgfältige ärztliche Behandlung, haben indess
nach einer gewissen Ansicht auch bei Jesus nicht gefehlt,
wenn sie gleich von den Evangelisten verschwiegen wer-
den. Hienach hat Jesus, weil er keinen andern Weg sah,
die herrschende Messiasidee von ihren sinnlich-politischen
Beimischungen zu reinigen, sich der Kreuzigung ausge-
sezt, dabei aber sich darauf verlassen, durch ein frühzei-
tiges Neigen des Hauptes seine baldige Abnahme vom
Kreuz zu bewirken, und hernach von heilkundigen Män-
nern unter seinen geheimen Verbündeten wiederhergestellt
zu werden, um zugleich durch den Schein einer Wieder-
belebung das Volk zu begeistern 3). Von dieser Absicht-
lichkeit haben Andere wenigstens Jesum freigesprochen,

2) Bretschneider, über den angeblichen Scheintod Jesu am Kreu-
ze, in Ullmann's und Umbrett's Studien, 1832, 3, S. 625 ff.
Hug, Beiträge zur Geschichte des Verfahrens bei der Todes-
strafe der Kreuzigung, Freiburger Zeitschr. 7, S. 144 ff.
3) Baurdt, Ausführung des Plans und Zwecks Jesu. Vgl. dage-
gen Paulus, ex. Handb. 3, b, 793 f.
Bogen 41. ist S. 649 u. 650 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

Viertes Kapitel. §. 136.
habe, so müssen sie wohl eben während dieser Expedition
gekreuzigt worden sein, und da diese, vermöge der gerin-
gen Entfernung des genannten Orts von Jerusalem, mög-
licherweise in Einem Tage beendigt sein konnte, so hat-
ten sie wohl nicht über Einen Tag, vielleicht noch kürzer,
am Kreuz gehangen. Wenn nun von drei Gekreuzigten,
welche schwerlich viel länger gehangen hatten, als Jesus,
der nach Markus von Morgens 9 Uhr bis Abends gegen 6 Uhr
am Kreuze sich befand, und welche, wie es scheint, noch
mit den Zeichen des Lebens herabgenommen wurden, bei
der sorgfältigsten ärztlichen Pflege nur Einer davon kam:
wie unwahrscheinlich muſs es werden, daſs Jesus, welcher
bereits mit allen Zeichen des Todes vom Kreuze genom-
men worden war, ohne Anwendung ärztlicher Mittel ganz
von selbst wieder zum Leben gekommen sei? 2)

Diese beiden Momente: ein Rest des bewuſsten Le-
bens, und sorgfältige ärztliche Behandlung, haben indeſs
nach einer gewissen Ansicht auch bei Jesus nicht gefehlt,
wenn sie gleich von den Evangelisten verschwiegen wer-
den. Hienach hat Jesus, weil er keinen andern Weg sah,
die herrschende Messiasidee von ihren sinnlich-politischen
Beimischungen zu reinigen, sich der Kreuzigung ausge-
sezt, dabei aber sich darauf verlassen, durch ein frühzei-
tiges Neigen des Hauptes seine baldige Abnahme vom
Kreuz zu bewirken, und hernach von heilkundigen Män-
nern unter seinen geheimen Verbündeten wiederhergestellt
zu werden, um zugleich durch den Schein einer Wieder-
belebung das Volk zu begeistern 3). Von dieser Absicht-
lichkeit haben Andere wenigstens Jesum freigesprochen,

2) Bretschneider, über den angeblichen Scheintod Jesu am Kreu-
ze, in Ullmann's und Umbrett's Studien, 1832, 3, S. 625 ff.
Hug, Beiträge zur Geschichte des Verfahrens bei der Todes-
strafe der Kreuzigung, Freiburger Zeitschr. 7, S. 144 ff.
3) Baurdt, Ausführung des Plans und Zwecks Jesu. Vgl. dage-
gen Paulus, ex. Handb. 3, b, 793 f.
Bogen 41. ist S. 649 u. 650 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
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[649/0668] Viertes Kapitel. §. 136. habe, so müssen sie wohl eben während dieser Expedition gekreuzigt worden sein, und da diese, vermöge der gerin- gen Entfernung des genannten Orts von Jerusalem, mög- licherweise in Einem Tage beendigt sein konnte, so hat- ten sie wohl nicht über Einen Tag, vielleicht noch kürzer, am Kreuz gehangen. Wenn nun von drei Gekreuzigten, welche schwerlich viel länger gehangen hatten, als Jesus, der nach Markus von Morgens 9 Uhr bis Abends gegen 6 Uhr am Kreuze sich befand, und welche, wie es scheint, noch mit den Zeichen des Lebens herabgenommen wurden, bei der sorgfältigsten ärztlichen Pflege nur Einer davon kam: wie unwahrscheinlich muſs es werden, daſs Jesus, welcher bereits mit allen Zeichen des Todes vom Kreuze genom- men worden war, ohne Anwendung ärztlicher Mittel ganz von selbst wieder zum Leben gekommen sei? 2) Diese beiden Momente: ein Rest des bewuſsten Le- bens, und sorgfältige ärztliche Behandlung, haben indeſs nach einer gewissen Ansicht auch bei Jesus nicht gefehlt, wenn sie gleich von den Evangelisten verschwiegen wer- den. Hienach hat Jesus, weil er keinen andern Weg sah, die herrschende Messiasidee von ihren sinnlich-politischen Beimischungen zu reinigen, sich der Kreuzigung ausge- sezt, dabei aber sich darauf verlassen, durch ein frühzei- tiges Neigen des Hauptes seine baldige Abnahme vom Kreuz zu bewirken, und hernach von heilkundigen Män- nern unter seinen geheimen Verbündeten wiederhergestellt zu werden, um zugleich durch den Schein einer Wieder- belebung das Volk zu begeistern 3). Von dieser Absicht- lichkeit haben Andere wenigstens Jesum freigesprochen, 2) Bretschneider, über den angeblichen Scheintod Jesu am Kreu- ze, in Ullmann's und Umbrett's Studien, 1832, 3, S. 625 ff. Hug, Beiträge zur Geschichte des Verfahrens bei der Todes- strafe der Kreuzigung, Freiburger Zeitschr. 7, S. 144 ff. 3) Baurdt, Ausführung des Plans und Zwecks Jesu. Vgl. dage- gen Paulus, ex. Handb. 3, b, 793 f. Bogen 41. ist S. 649 u. 650 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/668>, abgerufen am 22.11.2024.