Jüngern zusammen gewesen war, geschehen sein, so dass die zwei hinzutretenden Männer Zeugen seines Verschei- dens gewesen wären, welche übrigens auch in diesem Fall gar nicht der Wahrheit gemäss gesprochen hätten; lebte er aber noch längere Zeit, so müsste er die Absicht gehabt haben, von jenem Zeitpunkt an bis zu seinem Ende in der Verborgenheit einer geheimen Gesellschaft zu leben, der dann wohl auch die zwei Weissgekleideten angehör- ten, welche den Jüngern, ohne Zweifel mit seinem Vor- wissen, seine Erhebung zum Himmel einredeten, -- eine Vorstellung, von welcher sich auch hier, wie immer, der gesunde Sinn mit Widerwillen abwendet.
§. 139. Das Ungenügende der Nachrichten über Jesu Himmelfahrt. Deren mythische Auffassung.
Am wenigsten unter allen N. T. lichen Wunderge- schichten war bei der Himmelfahrt ein solcher Aufwand un- natürlichen Scharfsinns nöthig, da die historische Geltung dieser Erzählung so besonders schwach verbürgt ist. Mat- thäus und Johannes, der gewöhnlichen Vorstellung nach die beiden Augenzeugen unter den Evangelisten, erwähnen ihrer nicht; nur Markus und Lukas berichten dieselbe; während auch in den übrigen N. T. lichen Schriften be- stimmte Hinweisungen auf sie fehlen. Doch eben dieses Fehlen der Himmelfahrt im übrigen N. T. leugnen die or- thodoxen Ausleger. Wenn Jesus Lei Matthäus (26, 64.) vor Gericht versichere, von jezt an werde man des Men- schen Sohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen sehen: so sei hiebei doch wohl auch eine Erhebung dahin, mithin eine Himmelfahrt, vorausgesezt; wenn er bei Johannes (3, 13.) sage, keiner sei in den Himmel gestiegen, ausser dem vom Himmel gekommenen Menschensohn, und ein ander- mal (6, 62.) die Jünger darauf verweise, dass sie ihn einst dahin würden aufsteigen sehen, wo er vorher gewesen sei;
Fünftes Kapitel. §. 139.
Jüngern zusammen gewesen war, geschehen sein, so daſs die zwei hinzutretenden Männer Zeugen seines Verschei- dens gewesen wären, welche übrigens auch in diesem Fall gar nicht der Wahrheit gemäſs gesprochen hätten; lebte er aber noch längere Zeit, so müſste er die Absicht gehabt haben, von jenem Zeitpunkt an bis zu seinem Ende in der Verborgenheit einer geheimen Gesellschaft zu leben, der dann wohl auch die zwei Weiſsgekleideten angehör- ten, welche den Jüngern, ohne Zweifel mit seinem Vor- wissen, seine Erhebung zum Himmel einredeten, — eine Vorstellung, von welcher sich auch hier, wie immer, der gesunde Sinn mit Widerwillen abwendet.
§. 139. Das Ungenügende der Nachrichten über Jesu Himmelfahrt. Deren mythische Auffassung.
Am wenigsten unter allen N. T. lichen Wunderge- schichten war bei der Himmelfahrt ein solcher Aufwand un- natürlichen Scharfsinns nöthig, da die historische Geltung dieser Erzählung so besonders schwach verbürgt ist. Mat- thäus und Johannes, der gewöhnlichen Vorstellung nach die beiden Augenzeugen unter den Evangelisten, erwähnen ihrer nicht; nur Markus und Lukas berichten dieselbe; während auch in den übrigen N. T. lichen Schriften be- stimmte Hinweisungen auf sie fehlen. Doch eben dieses Fehlen der Himmelfahrt im übrigen N. T. leugnen die or- thodoxen Ausleger. Wenn Jesus Lei Matthäus (26, 64.) vor Gericht versichere, von jezt an werde man des Men- schen Sohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen sehen: so sei hiebei doch wohl auch eine Erhebung dahin, mithin eine Himmelfahrt, vorausgesezt; wenn er bei Johannes (3, 13.) sage, keiner sei in den Himmel gestiegen, ausser dem vom Himmel gekommenen Menschensohn, und ein ander- mal (6, 62.) die Jünger darauf verweise, daſs sie ihn einst dahin würden aufsteigen sehen, wo er vorher gewesen sei;
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Fünftes Kapitel. §. 139.
Jüngern zusammen gewesen war, geschehen sein, so daſs
die zwei hinzutretenden Männer Zeugen seines Verschei-
dens gewesen wären, welche übrigens auch in diesem Fall
gar nicht der Wahrheit gemäſs gesprochen hätten; lebte
er aber noch längere Zeit, so müſste er die Absicht gehabt
haben, von jenem Zeitpunkt an bis zu seinem Ende in
der Verborgenheit einer geheimen Gesellschaft zu leben,
der dann wohl auch die zwei Weiſsgekleideten angehör-
ten, welche den Jüngern, ohne Zweifel mit seinem Vor-
wissen, seine Erhebung zum Himmel einredeten, — eine
Vorstellung, von welcher sich auch hier, wie immer, der
gesunde Sinn mit Widerwillen abwendet.
§. 139.
Das Ungenügende der Nachrichten über Jesu Himmelfahrt.
Deren mythische Auffassung.
Am wenigsten unter allen N. T. lichen Wunderge-
schichten war bei der Himmelfahrt ein solcher Aufwand un-
natürlichen Scharfsinns nöthig, da die historische Geltung
dieser Erzählung so besonders schwach verbürgt ist. Mat-
thäus und Johannes, der gewöhnlichen Vorstellung nach die
beiden Augenzeugen unter den Evangelisten, erwähnen
ihrer nicht; nur Markus und Lukas berichten dieselbe;
während auch in den übrigen N. T. lichen Schriften be-
stimmte Hinweisungen auf sie fehlen. Doch eben dieses
Fehlen der Himmelfahrt im übrigen N. T. leugnen die or-
thodoxen Ausleger. Wenn Jesus Lei Matthäus (26, 64.)
vor Gericht versichere, von jezt an werde man des Men-
schen Sohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen sehen: so
sei hiebei doch wohl auch eine Erhebung dahin, mithin
eine Himmelfahrt, vorausgesezt; wenn er bei Johannes (3,
13.) sage, keiner sei in den Himmel gestiegen, ausser dem
vom Himmel gekommenen Menschensohn, und ein ander-
mal (6, 62.) die Jünger darauf verweise, daſs sie ihn einst
dahin würden aufsteigen sehen, wo er vorher gewesen sei;
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 677. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/696>, abgerufen am 22.11.2024.
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