Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Schlussabhandlung. §. 141. 1 ff.). Vom Fluch des Gesetzes sind die Gläubigen dadurchlosgekauft, dass Christus sich für sie demselben hingab, indem er eine Todesart erduldete, auf welche das Gesez den Fluch gelegt hat (Gal. 3, 13.). Nun haben wir nicht mehr das Unmögliche zu leisten, dass wir alle Forderun- gen des Gesetzes erfüllen müssten (Gal. 3, 10 f.) -- eine Aufgabe, welche der Erfahrung zufolge kein Mensch löst (Röm. 1, 18--3, 20.), seiner sündigen Natur nach keiner lösen kann (Röm. 5, 12 ff.), und welche den, der sie zu lösen strebt, nur immer tiefer in den unseligsten Kampf mit sich selbst verwickelt (Röm. 7, 7 ff.): sondern wer an Christum glaubt, der versöhnenden Kraft seines Todes ver- traut, der ist von Gott begnadigt; nicht durch Werke und eigene Leistungen, sondern umsonst durch die freie Gna- de Gottes wird der Mensch, der sich ihr hingiebt, vor Gott gerecht, wodurch zugleich alle Selbsterhebung ausgeschlos- sen ist (Röm. 3, 31 ff.). Indem das mosaische Gesez, dem er mit Christo gestorben ist, den Gläubigen nicht mehr verbinden kann (Röm. 7, 1 ff.), indem namentlich durch das ewige und vollgültige Opfer Christi der jüdische Opfer- und Priesterdienst aufgehoben ist (Hebr.), ist die Schei dewand gefallen, welche Juden und Heiden trennte: diese, sonst fern und fremd der Theokratie, gottverlassen und hoffnungslos in der Welt, sind zur Theilnahme an dem neuen Gottesbunde herbeigerufen, und ihnen freier Zutritt zum väterlichen Gott verschafft worden; so dass nunmehr die beiden, sonst feindlich getrennten Theile der Menschheit in Frieden miteinander Glieder am Leibe Christi, am gei- stigen Bau seiner Gemeinde sind (Eph. 2, 11 ff.). Jener rechtfertigende Glaube an den Tod Christi aber ist we- sentlich zugleich ein geistiges mit ihm Sterben, nämlich ein Absterben der Sünde, und wie Christus aus dem Tode zu neuem unsterblichem Leben auferstanden ist: so soll auch der an ihn Gläubige aus dem Tod der Sünde zu ei- nem neuen Leben der Gerechtigkeit und Heiligkeit aufer- 44 *
Schluſsabhandlung. §. 141. 1 ff.). Vom Fluch des Gesetzes sind die Gläubigen dadurchlosgekauft, daſs Christus sich für sie demselben hingab, indem er eine Todesart erduldete, auf welche das Gesez den Fluch gelegt hat (Gal. 3, 13.). Nun haben wir nicht mehr das Unmögliche zu leisten, daſs wir alle Forderun- gen des Gesetzes erfüllen müſsten (Gal. 3, 10 f.) — eine Aufgabe, welche der Erfahrung zufolge kein Mensch löst (Röm. 1, 18—3, 20.), seiner sündigen Natur nach keiner lösen kann (Röm. 5, 12 ff.), und welche den, der sie zu lösen strebt, nur immer tiefer in den unseligsten Kampf mit sich selbst verwickelt (Röm. 7, 7 ff.): sondern wer an Christum glaubt, der versöhnenden Kraft seines Todes ver- traut, der ist von Gott begnadigt; nicht durch Werke und eigene Leistungen, sondern umsonst durch die freie Gna- de Gottes wird der Mensch, der sich ihr hingiebt, vor Gott gerecht, wodurch zugleich alle Selbsterhebung ausgeschlos- sen ist (Röm. 3, 31 ff.). Indem das mosaische Gesez, dem er mit Christo gestorben ist, den Gläubigen nicht mehr verbinden kann (Röm. 7, 1 ff.), indem namentlich durch das ewige und vollgültige Opfer Christi der jüdische Opfer- und Priesterdienst aufgehoben ist (Hebr.), ist die Schei dewand gefallen, welche Juden und Heiden trennte: diese, sonst fern und fremd der Theokratie, gottverlassen und hoffnungslos in der Welt, sind zur Theilnahme an dem neuen Gottesbunde herbeigerufen, und ihnen freier Zutritt zum väterlichen Gott verschafft worden; so daſs nunmehr die beiden, sonst feindlich getrennten Theile der Menschheit in Frieden miteinander Glieder am Leibe Christi, am gei- stigen Bau seiner Gemeinde sind (Eph. 2, 11 ff.). Jener rechtfertigende Glaube an den Tod Christi aber ist we- sentlich zugleich ein geistiges mit ihm Sterben, nämlich ein Absterben der Sünde, und wie Christus aus dem Tode zu neuem unsterblichem Leben auferstanden ist: so soll auch der an ihn Gläubige aus dem Tod der Sünde zu ei- nem neuen Leben der Gerechtigkeit und Heiligkeit aufer- 44 *
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Schluſsabhandlung. §. 141.
1 ff.). Vom Fluch des Gesetzes sind die Gläubigen dadurch
losgekauft, daſs Christus sich für sie demselben hingab,
indem er eine Todesart erduldete, auf welche das Gesez
den Fluch gelegt hat (Gal. 3, 13.). Nun haben wir nicht
mehr das Unmögliche zu leisten, daſs wir alle Forderun-
gen des Gesetzes erfüllen müſsten (Gal. 3, 10 f.) — eine
Aufgabe, welche der Erfahrung zufolge kein Mensch löst
(Röm. 1, 18—3, 20.), seiner sündigen Natur nach keiner
lösen kann (Röm. 5, 12 ff.), und welche den, der sie zu
lösen strebt, nur immer tiefer in den unseligsten Kampf
mit sich selbst verwickelt (Röm. 7, 7 ff.): sondern wer an
Christum glaubt, der versöhnenden Kraft seines Todes ver-
traut, der ist von Gott begnadigt; nicht durch Werke und
eigene Leistungen, sondern umsonst durch die freie Gna-
de Gottes wird der Mensch, der sich ihr hingiebt, vor Gott
gerecht, wodurch zugleich alle Selbsterhebung ausgeschlos-
sen ist (Röm. 3, 31 ff.). Indem das mosaische Gesez, dem
er mit Christo gestorben ist, den Gläubigen nicht mehr
verbinden kann (Röm. 7, 1 ff.), indem namentlich durch
das ewige und vollgültige Opfer Christi der jüdische Opfer-
und Priesterdienst aufgehoben ist (Hebr.), ist die Schei
dewand gefallen, welche Juden und Heiden trennte: diese,
sonst fern und fremd der Theokratie, gottverlassen und
hoffnungslos in der Welt, sind zur Theilnahme an dem neuen
Gottesbunde herbeigerufen, und ihnen freier Zutritt zum
väterlichen Gott verschafft worden; so daſs nunmehr die
beiden, sonst feindlich getrennten Theile der Menschheit
in Frieden miteinander Glieder am Leibe Christi, am gei-
stigen Bau seiner Gemeinde sind (Eph. 2, 11 ff.). Jener
rechtfertigende Glaube an den Tod Christi aber ist we-
sentlich zugleich ein geistiges mit ihm Sterben, nämlich
ein Absterben der Sünde, und wie Christus aus dem Tode
zu neuem unsterblichem Leben auferstanden ist: so soll
auch der an ihn Gläubige aus dem Tod der Sünde zu ei-
nem neuen Leben der Gerechtigkeit und Heiligkeit aufer-
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