Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. des Aussatzes bezeichnet. Dass das katharizein nach he-bräischem und hellenistischem Sprachgebrauch auch bloss reinerklären bedeuten könne, ist zwar nicht in Abrede zu stellen, nur müsste es diese Bedeutung in dem ganzen Ab- schnitt beibehalten. Dass nun aber, nachdem von Jesu erzählt war, er habe das katharistheti gesprochen, Mat- thäus noch ein kai eutheos ekatharisthe k. t. l. in dem Sin- ne, dass also der Kranke wirklich von Jesu reinerklärt worden sei, hinzugefügt haben sollte, ist der albernen Tau- tologie wegen so undenkbar, dass hier, aber dann auch im ganzen Abschnitt, das katharizesthai von wirklichem Gereinigtwerden zu nehmen ist. An das leproi katharizon-(Matth. 11, 5.) und leprous katharizete(Matth. 10, 8.), wo doch das leztere Wort weder blosse Reinerklärung, noch auch etwas Anderes als in der vorliegenden Erzäh- lung bezeichnen kann, genügt es zu erinnern. Woran aber die natürliche Deutung der Anekdote am entschiedensten scheitert, das ist die Zerreissung des thelo, katharistheti. Wer wird sich überreden können, dass diese in allen drei Berichten unmittelbar verbundenen Worte durch eine ziem- liche Pause getrennt gewesen, dass das thelo bei oder ei- gentlich vor dem Befühlen, das katharistheti aber nach demselben gesprochen worden sei, da doch sämmtliche Evangelisten beide Worte ohne Unterschied während der Berührung gesprochen sein lassen? Gewiss würde, wenn der angegebene Sinn der ursprüngliche wäre, wenigstens Einer der Evangelisten, statt des epsato autou o Iesous le- gon; thelo, katharistheti, sagen: o I. apekrinato; thelo, kai apsamenos autou eipe; katharistheti. Ist aber das kathari- stheti in Einem Zuge mit thelo gesprochen, so dass Jesus lediglich in Folge seines Willens, ohne dazwischeneinge- tretene Untersuchung, das katharizesthai eintreten liess: so kann diess unmöglich eine Reinerklärung, wozu es einer vorgängigen Untersuchung bedurfte, sondern muss ein wirk- liches Reinmachen gewesen sein. In diesem Zusammenhang Zweiter Abschnitt. des Aussatzes bezeichnet. Daſs das καϑαρίζειν nach he-bräischem und hellenistischem Sprachgebrauch auch bloſs reinerklären bedeuten könne, ist zwar nicht in Abrede zu stellen, nur müſste es diese Bedeutung in dem ganzen Ab- schnitt beibehalten. Daſs nun aber, nachdem von Jesu erzählt war, er habe das καϑαρίσϑητι gesprochen, Mat- thäus noch ein καὶ εὐϑέως ἐκαϑαρίσϑη κ. τ. λ. in dem Sin- ne, daſs also der Kranke wirklich von Jesu reinerklärt worden sei, hinzugefügt haben sollte, ist der albernen Tau- tologie wegen so undenkbar, daſs hier, aber dann auch im ganzen Abschnitt, das καϑαρίζεσϑαι von wirklichem Gereinigtwerden zu nehmen ist. An das λεπροὶ καϑαρίζον-(Matth. 11, 5.) und λεπροὺς καϑαρίζετε(Matth. 10, 8.), wo doch das leztere Wort weder bloſse Reinerklärung, noch auch etwas Anderes als in der vorliegenden Erzäh- lung bezeichnen kann, genügt es zu erinnern. Woran aber die natürliche Deutung der Anekdote am entschiedensten scheitert, das ist die Zerreissung des ϑέλω, καϑαρίσϑητι. Wer wird sich überreden können, daſs diese in allen drei Berichten unmittelbar verbundenen Worte durch eine ziem- liche Pause getrennt gewesen, daſs das ϑέλω bei oder ei- gentlich vor dem Befühlen, das καϑαρίσϑητι aber nach demselben gesprochen worden sei, da doch sämmtliche Evangelisten beide Worte ohne Unterschied während der Berührung gesprochen sein lassen? Gewiſs würde, wenn der angegebene Sinn der ursprüngliche wäre, wenigstens Einer der Evangelisten, statt des ἥψατο αὐτοῦ ὁ Ἰησοῦς λέ- γων· ϑέλω, καϑαρίσϑητι, sagen: ὁ Ἰ. ἀπεκρίνατο· ϑέλω, καὶ ἁψάμενος αὐτοῦ εἶπε· καϑαρίσϑητι. Ist aber das καϑαρί- σϑητι in Einem Zuge mit ϑέλω gesprochen, so daſs Jesus lediglich in Folge seines Willens, ohne dazwischeneinge- tretene Untersuchung, das καϑαρίζεσϑαι eintreten lieſs: so kann dieſs unmöglich eine Reinerklärung, wozu es einer vorgängigen Untersuchung bedurfte, sondern muſs ein wirk- liches Reinmachen gewesen sein. 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Zweiter Abschnitt.
des Aussatzes bezeichnet. Daſs das καϑαρίζειν nach he-
bräischem und hellenistischem Sprachgebrauch auch bloſs
reinerklären bedeuten könne, ist zwar nicht in Abrede zu
stellen, nur müſste es diese Bedeutung in dem ganzen Ab-
schnitt beibehalten. Daſs nun aber, nachdem von Jesu
erzählt war, er habe das καϑαρίσϑητι gesprochen, Mat-
thäus noch ein καὶ εὐϑέως ἐκαϑαρίσϑη κ. τ. λ. in dem Sin-
ne, daſs also der Kranke wirklich von Jesu reinerklärt
worden sei, hinzugefügt haben sollte, ist der albernen Tau-
tologie wegen so undenkbar, daſs hier, aber dann auch
im ganzen Abschnitt, das καϑαρίζεσϑαι von wirklichem
Gereinigtwerden zu nehmen ist. An das λεπροὶ καϑαρίζον-
ται (Matth. 11, 5.) und λεπροὺς καϑαρίζετε (Matth. 10, 8.),
wo doch das leztere Wort weder bloſse Reinerklärung,
noch auch etwas Anderes als in der vorliegenden Erzäh-
lung bezeichnen kann, genügt es zu erinnern. Woran aber
die natürliche Deutung der Anekdote am entschiedensten
scheitert, das ist die Zerreissung des ϑέλω, καϑαρίσϑητι.
Wer wird sich überreden können, daſs diese in allen drei
Berichten unmittelbar verbundenen Worte durch eine ziem-
liche Pause getrennt gewesen, daſs das ϑέλω bei oder ei-
gentlich vor dem Befühlen, das καϑαρίσϑητι aber nach
demselben gesprochen worden sei, da doch sämmtliche
Evangelisten beide Worte ohne Unterschied während der
Berührung gesprochen sein lassen? Gewiſs würde, wenn
der angegebene Sinn der ursprüngliche wäre, wenigstens
Einer der Evangelisten, statt des ἥψατο αὐτοῦ ὁ Ἰησοῦς λέ-
γων· ϑέλω, καϑαρίσϑητι, sagen: ὁ Ἰ. ἀπεκρίνατο· ϑέλω, καὶ
ἁψάμενος αὐτοῦ εἶπε· καϑαρίσϑητι. Ist aber das καϑαρί-
σϑητι in Einem Zuge mit ϑέλω gesprochen, so daſs Jesus
lediglich in Folge seines Willens, ohne dazwischeneinge-
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