dern ebenso ein Sein; als Vernunftidee nachgewiesen al- so muss die Idee der Einheit der göttlichen und menschli- chen Natur auch ein geschichtliches Dasein haben. Die Einheit Gottes mit dem Menschen, sagt daher Marheine- ke1), ist in der Person Jesu Christi offenbar und wirk- lich als ein Geschehensein; in ihm war, nach Rosenkranz2), die göttliche Macht über die Natur concentrirt, er konnte nicht anders wirken, als wunderbar, und das Wunderthun, was uns befremdet, war ihm natürlich; seine Auferstehung, sagt Conradi3), ist die nothwendige Folge der Vollendung seiner Persönlichkeit, und darf so wenig befremden, dass es vielmehr befremden müsste, wenn sie nicht erfolgt wäre.
Allein sind denn durch diese Deduktion die Wider- sprüche gelöst, welche an der kirchlichen Lehre von der Person und Wirksamkeit Christi sich herausgestellt ha- ben? Man darf nur mit dem Tadel, welchen gegen die Schleiermacher'sche Kritik der kirchlichen Christologie Rosenkranz in seiner Recension ausgespröchen hat, dasje- nige vergleichen, was der leztere in seiner Encyklopädie an die Stelle sezt: so wird man finden, dass durch die allge- meinen Sätze von Einheit der göttlichen und menschlichen Natur die Erscheinung einer Person, in welcher diese Einheit auf ausschliessende Weise individuell vorhanden gewesen wäre, nicht im Mindesten denkbarer wird. Wenn ich mir denken kann, dass der göttliche Geist in seiner Entäusserung und Erniedrigung der menschliche, und der menschliche in seiner Einkehr in sich und Erhebung über sich der göttliche ist: so kann ich mir desswegen noch nicht vorstellen, wie göttliche und menschliche Natur die verschie- denen und doch verbundenen Bestandtheile einer geschicht- lichen Person ausgemacht haben können; wenn ich den
1) Dogmatik, §. 326.
2) Encyklopädie, S. 160.
3) Selbstbewusstsein und Offenbarung, S. 295 f.
Schluſsabhandlung. §. 147.
dern ebenso ein Sein; als Vernunftidee nachgewiesen al- so muſs die Idee der Einheit der göttlichen und menschli- chen Natur auch ein geschichtliches Dasein haben. Die Einheit Gottes mit dem Menschen, sagt daher Marheine- ke1), ist in der Person Jesu Christi offenbar und wirk- lich als ein Geschehensein; in ihm war, nach Rosenkranz2), die göttliche Macht über die Natur concentrirt, er konnte nicht anders wirken, als wunderbar, und das Wunderthun, was uns befremdet, war ihm natürlich; seine Auferstehung, sagt Conradi3), ist die nothwendige Folge der Vollendung seiner Persönlichkeit, und darf so wenig befremden, daſs es vielmehr befremden müſste, wenn sie nicht erfolgt wäre.
Allein sind denn durch diese Deduktion die Wider- sprüche gelöst, welche an der kirchlichen Lehre von der Person und Wirksamkeit Christi sich herausgestellt ha- ben? Man darf nur mit dem Tadel, welchen gegen die Schleiermacher'sche Kritik der kirchlichen Christologie Rosenkranz in seiner Recension ausgespröchen hat, dasje- nige vergleichen, was der leztere in seiner Encyklopädie an die Stelle sezt: so wird man finden, daſs durch die allge- meinen Sätze von Einheit der göttlichen und menschlichen Natur die Erscheinung einer Person, in welcher diese Einheit auf ausschlieſsende Weise individuell vorhanden gewesen wäre, nicht im Mindesten denkbarer wird. Wenn ich mir denken kann, daſs der göttliche Geist in seiner Entäusserung und Erniedrigung der menschliche, und der menschliche in seiner Einkehr in sich und Erhebung über sich der göttliche ist: so kann ich mir deſswegen noch nicht vorstellen, wie göttliche und menschliche Natur die verschie- denen und doch verbundenen Bestandtheile einer geschicht- lichen Person ausgemacht haben können; wenn ich den
1) Dogmatik, §. 326.
2) Encyklopädie, S. 160.
3) Selbstbewusstsein und Offenbarung, S. 295 f.
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Schluſsabhandlung. §. 147.
dern ebenso ein Sein; als Vernunftidee nachgewiesen al-
so muſs die Idee der Einheit der göttlichen und menschli-
chen Natur auch ein geschichtliches Dasein haben. Die
Einheit Gottes mit dem Menschen, sagt daher Marheine-
ke 1), ist in der Person Jesu Christi offenbar und wirk-
lich als ein Geschehensein; in ihm war, nach Rosenkranz 2),
die göttliche Macht über die Natur concentrirt, er konnte
nicht anders wirken, als wunderbar, und das Wunderthun,
was uns befremdet, war ihm natürlich; seine Auferstehung,
sagt Conradi 3), ist die nothwendige Folge der Vollendung
seiner Persönlichkeit, und darf so wenig befremden, daſs
es vielmehr befremden müſste, wenn sie nicht erfolgt wäre.
Allein sind denn durch diese Deduktion die Wider-
sprüche gelöst, welche an der kirchlichen Lehre von der
Person und Wirksamkeit Christi sich herausgestellt ha-
ben? Man darf nur mit dem Tadel, welchen gegen die
Schleiermacher'sche Kritik der kirchlichen Christologie
Rosenkranz in seiner Recension ausgespröchen hat, dasje-
nige vergleichen, was der leztere in seiner Encyklopädie an
die Stelle sezt: so wird man finden, daſs durch die allge-
meinen Sätze von Einheit der göttlichen und menschlichen
Natur die Erscheinung einer Person, in welcher diese
Einheit auf ausschlieſsende Weise individuell vorhanden
gewesen wäre, nicht im Mindesten denkbarer wird. Wenn
ich mir denken kann, daſs der göttliche Geist in seiner
Entäusserung und Erniedrigung der menschliche, und der
menschliche in seiner Einkehr in sich und Erhebung über
sich der göttliche ist: so kann ich mir deſswegen noch nicht
vorstellen, wie göttliche und menschliche Natur die verschie-
denen und doch verbundenen Bestandtheile einer geschicht-
lichen Person ausgemacht haben können; wenn ich den
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/752>, abgerufen am 22.11.2024.
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