es als Zeichen oder als Leiter der heilenden Kraft Jesu, er- scheint; von weiteren Vorschriften zur völligen Herstel- lung ist ohnehin nichts zu bemerken. Nicht anders verhält es sich mit der Heilung der Blinden bei Jericho, wo über- diess die zwei mittleren Evangelisten nicht einmal einer Berührung gedenken.
Sollen aber auf diese Weise nach dem Sinne der Re- ferenten auf das blosse Wort oder die Berührung Jesu hin Blinde augenblicklich sehend geworden sein: so werden wohl ähnliche Bedenklichkeiten hier eintreten, wie in dem vorigen Fall mit den Aussätzigen. Denn ein Augenübel, es mag noch so leicht sein, wie es nicht ohne manchfache Vermittlung entstanden ist, so wird es noch weniger un- mittelbar auf ein Wort oder eine Berührung hin weichen wollen, sondern es erfordert sehr complicirte theils chirur- gische theils medicinische Behandlung, und so vornehmlich die Blindheit, wenn sie überhaupt heilbarer Art ist. Wie sollten wir uns auch die plötzliche heilende Einwirkung ei- nes Wortes und einer Hand auf ein erblindetes Auge vor- stellen? rein wunderbar und magisch? das hiesse das Den- ken über die Sache aufgeben; oder magnetisch? allein es ist ohne Beispiel, dass auf dergleichen Übel der Magnetis- mus von Einfluss gewesen; oder endlich psychisch? aber die Blindheit ist etwas vom Seelenleben so Unabhängiges, selbstständig Körperliches, dass an eine, namentlich plöz- liche, Hebung derselben von geistiger Seite her nicht zu denken ist. Wir müssen folglich bekennen, dass eine ge- schichtliche Auffassung dieser Erzählungen uns mehr als nur schwer fällt, und es kommt nun darauf an, ob wir die Entstehung unhistorischer Sagen dieser Art wahrschein- lich machen können.
Die Stelle ist bereits angeführt, wo nach dem ersten und dritten Evangelium Jesus den Gesandten des Täufers gegenüber, welche ihn zu fragen hatten, ob er der erkho- menos sei, sich auf seine Thaten beruft, und vor allem An-
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Neuntes Kapitel. §. 91.
es als Zeichen oder als Leiter der heilenden Kraft Jesu, er- scheint; von weiteren Vorschriften zur völligen Herstel- lung ist ohnehin nichts zu bemerken. Nicht anders verhält es sich mit der Heilung der Blinden bei Jericho, wo über- dieſs die zwei mittleren Evangelisten nicht einmal einer Berührung gedenken.
Sollen aber auf diese Weise nach dem Sinne der Re- ferenten auf das bloſse Wort oder die Berührung Jesu hin Blinde augenblicklich sehend geworden sein: so werden wohl ähnliche Bedenklichkeiten hier eintreten, wie in dem vorigen Fall mit den Aussätzigen. Denn ein Augenübel, es mag noch so leicht sein, wie es nicht ohne manchfache Vermittlung entstanden ist, so wird es noch weniger un- mittelbar auf ein Wort oder eine Berührung hin weichen wollen, sondern es erfordert sehr complicirte theils chirur- gische theils medicinische Behandlung, und so vornehmlich die Blindheit, wenn sie überhaupt heilbarer Art ist. Wie sollten wir uns auch die plötzliche heilende Einwirkung ei- nes Wortes und einer Hand auf ein erblindetes Auge vor- stellen? rein wunderbar und magisch? das hieſse das Den- ken über die Sache aufgeben; oder magnetisch? allein es ist ohne Beispiel, daſs auf dergleichen Übel der Magnetis- mus von Einfluſs gewesen; oder endlich psychisch? aber die Blindheit ist etwas vom Seelenleben so Unabhängiges, selbstständig Körperliches, daſs an eine, namentlich plöz- liche, Hebung derselben von geistiger Seite her nicht zu denken ist. Wir müssen folglich bekennen, daſs eine ge- schichtliche Auffassung dieser Erzählungen uns mehr als nur schwer fällt, und es kommt nun darauf an, ob wir die Entstehung unhistorischer Sagen dieser Art wahrschein- lich machen können.
Die Stelle ist bereits angeführt, wo nach dem ersten und dritten Evangelium Jesus den Gesandten des Täufers gegenüber, welche ihn zu fragen hatten, ob er der ἐρχό- μενος sei, sich auf seine Thaten beruft, und vor allem An-
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Neuntes Kapitel. §. 91.
es als Zeichen oder als Leiter der heilenden Kraft Jesu, er-
scheint; von weiteren Vorschriften zur völligen Herstel-
lung ist ohnehin nichts zu bemerken. Nicht anders verhält
es sich mit der Heilung der Blinden bei Jericho, wo über-
dieſs die zwei mittleren Evangelisten nicht einmal einer
Berührung gedenken.
Sollen aber auf diese Weise nach dem Sinne der Re-
ferenten auf das bloſse Wort oder die Berührung Jesu hin
Blinde augenblicklich sehend geworden sein: so werden
wohl ähnliche Bedenklichkeiten hier eintreten, wie in dem
vorigen Fall mit den Aussätzigen. Denn ein Augenübel,
es mag noch so leicht sein, wie es nicht ohne manchfache
Vermittlung entstanden ist, so wird es noch weniger un-
mittelbar auf ein Wort oder eine Berührung hin weichen
wollen, sondern es erfordert sehr complicirte theils chirur-
gische theils medicinische Behandlung, und so vornehmlich
die Blindheit, wenn sie überhaupt heilbarer Art ist. Wie
sollten wir uns auch die plötzliche heilende Einwirkung ei-
nes Wortes und einer Hand auf ein erblindetes Auge vor-
stellen? rein wunderbar und magisch? das hieſse das Den-
ken über die Sache aufgeben; oder magnetisch? allein es
ist ohne Beispiel, daſs auf dergleichen Übel der Magnetis-
mus von Einfluſs gewesen; oder endlich psychisch? aber
die Blindheit ist etwas vom Seelenleben so Unabhängiges,
selbstständig Körperliches, daſs an eine, namentlich plöz-
liche, Hebung derselben von geistiger Seite her nicht zu
denken ist. Wir müssen folglich bekennen, daſs eine ge-
schichtliche Auffassung dieser Erzählungen uns mehr als
nur schwer fällt, und es kommt nun darauf an, ob wir
die Entstehung unhistorischer Sagen dieser Art wahrschein-
lich machen können.
Die Stelle ist bereits angeführt, wo nach dem ersten
und dritten Evangelium Jesus den Gesandten des Täufers
gegenüber, welche ihn zu fragen hatten, ob er der ἐρχό-
μενος sei, sich auf seine Thaten beruft, und vor allem An-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/86>, abgerufen am 21.11.2024.
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