Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Kugel und Rund-Säule.

NB. NB.

1. Daß GC zweymal so groß sey/ als BC, ist offenbar. Dann/ aus dem 4ten des VI.
wie LC ist gegen GC, also DB gegen BG, und wechselweiß/ wie LC gegen DB, also GC
gegen BG. Nun ist aber LC zweymal so groß als DB, Krafft obiger Auflösung/ dero-
wegen ist auch GC zweymal so groß als GB, und folgends auch als der andere Teihl BC.

2. Dieser Schluß gründet sich auf nachfolgenden Lehrsatz:

Wann vier gleichverhaltende Dinge sind/ so verhält sich das erste ge-
gen der Helfte des andern/ wie das dritte gedoppelt gegen dem vierdten.

Das ist: Wann sich verhält wie a gegen ea, also b gegen eb, so verhält sich auch a ge-
gen 1/2 ea, wie 2b gegen eb.

Der Beweiß dessen ist abermal augenscheinlich. Dann das jenige/ was da kommt aus a
in eb, nehmlich aeb, ist gleich dem gemachten aus beyden mittlern/ nehmlich zweymal 1/2 aeb.

Anhang von dem Unterscheid derer Mechanischen und
Geometrischen Lineen.

Wir haben also bißher gelernet/ wie vermittelst der Nicomedischen Muschel-Lini zwey
mittlere gleichverhaltende kunstrichtig und Geometrischer Weise mögen gefunden werden. Da-
mit aber von dem Recht und Sitz dieser Muschel-Lini/ den sie in der Meßkunst billich hat und
behält/ der geringste Zweiffel nicht übrig sey/ wollen wir von dem Unterscheid derer Mechani-
schen und Geometrischen Lineen bey dieser Gelegenheit noch etwas mit anhängen.

So pflegen wir nun ins gemein Geometrisch oder kunstrichtig zu nennen alles das jenige/
was vollkommen/ ganz genau und ohne Fehler ist/ und im Gegenteihl Mechanisch/ was solche
Genauheit und Vollkommenheit nicht belanget/ ob es gleich manchmal/ dem äusserlichen Sinn
und Augenschein nach ziemlich nah hinan reichet. Zum Exempel/ wann ich auch mit der aller-
spitzigsten Nadel ein Düpfelein steche so klein/ daß es kaum gesehen werden kan/ wird solches
doch für keinen Geometrischen Punct gehalten; dieweil nicht allein das Nachsinnen des Ver-
standes/ sondern auch das Aug (wann die Sehe-Kräffte/ vermittelst derer Vergrösserungs-
Gläser/ verstärket werden) endlich befindet/ daß ein solches/ dem blossen Ansehen nach unteihl-
bares/ Düpfelein dannoch viel 100 und 1000 Teihle in sich begreiffe; da hingegen zu einem Geo-
metrischen Punct erfordert wird/ daß in demselben einige Teihle oder Teihlung gar nicht statt
finde: also daß ein solcher Geometrischer Punct mit keinem/ auch dem allersubtilesten/ Werk-
zeug kan gemachet/ sondern allein von dem Verstand verzeichnet/ oder vielmehr/ daß hier und
dort allbereit würklich ein solcher Punct sey/ gedacht und eingebildet werden. Woraus dann
zugleich erhellet/ weil eine Geometrische Lini ganz keine Breite haben solle/ daß aus gleichem
Grund weder gerade noch krumme Lineen mit einigem Werkzeug/ er sey so subtil als er immer
wolle/ könne gezogen werden/ sondern gleichfalls der Verstand hier würken/ das ist/ die/ all-
bereit würklich in der Natur stehende und befindliche/ Lineen betrachten und anschauen müsse:
also daß in diesem Stükk/ wann diese oder jene Würkung erfordert/ zum Exempel/ von einem
gegebenen Punct zu einem andern eine gerade Lini zu ziehen; umb einen gegebenen Punct/ in
gegebener Weite/ eine Kreiß-Lini zu führen/ etc. es die Meinung nicht hat (wie zwar die Wort
mit sich bringen) daß solches würkllich/ vermittelst eines Lineals oder Cirkels/ geschehen solle;
sondern/ der Verstand durch solche Forderung nur aufgewekket und erinnert wird der Mög-
lichkeit dieses oder jenes Begehrens; daß nehmlich möglich sey/ daß von einem gegebenen Punct
zu einem andern eine gerade Lini sich erstrekke; daß umb einen gegebenen Punct in gegebener
Weite eine Kreiß-Lini (das ist/ eine solche/ welche nach allen ihren Puncten von dem gegebenen
umb und umb gleich weit abstehe) sich schliesse/ etc. Daß aber nachmals dergleichen Lineen mit
einem Lineal oder Cirkel/ auf Papier oder sonsten gezogen werden/ geschihet nicht das Begehr-
te zu vollbringen/ sondern dem Verstand nur ein gewisses Zeichen und Sinnbild fürzulegen/
damit er in seinen Gedanken und Betrachtungen desto leichter fortkommen möge.

Daß
P ij
Von der Kugel und Rund-Saͤule.

NB. NB.

1. Daß GC zweymal ſo groß ſey/ als BC, iſt offenbar. Dann/ aus dem 4ten des VI.
wie LC iſt gegen GC, alſo DB gegen BG, und wechſelweiß/ wie LC gegen DB, alſo GC
gegen BG. Nun iſt aber LC zweymal ſo groß als DB, Krafft obiger Aufloͤſung/ dero-
wegen iſt auch GC zweymal ſo groß als GB, und folgends auch als der andere Teihl BC.

2. Dieſer Schluß gruͤndet ſich auf nachfolgenden Lehrſatz:

Wann vier gleichverhaltende Dinge ſind/ ſo verhaͤlt ſich das erſte ge-
gen der Helfte des andern/ wie das dritte gedoppelt gegen dem vierdten.

Das iſt: Wann ſich verhaͤlt wie a gegen ea, alſo b gegen eb, ſo verhaͤlt ſich auch a ge-
gen ½ ea, wie 2b gegen eb.

Der Beweiß deſſen iſt abermal augenſcheinlich. Dann das jenige/ was da kommt aus a
in eb, nehmlich aeb, iſt gleich dem gemachten aus beyden mittlern/ nehmlich zweymal ½ aeb.

Anhang von dem Unterſcheid derer Mechaniſchen und
Geometriſchen Lineen.

Wir haben alſo bißher gelernet/ wie vermittelſt der Nicomediſchen Muſchel-Lini zwey
mittlere gleichverhaltende kunſtrichtig und Geometriſcher Weiſe moͤgen gefunden werden. Da-
mit aber von dem Recht und Sitz dieſer Muſchel-Lini/ den ſie in der Meßkunſt billich hat und
behaͤlt/ der geringſte Zweiffel nicht uͤbrig ſey/ wollen wir von dem Unterſcheid derer Mechani-
ſchen und Geometriſchen Lineen bey dieſer Gelegenheit noch etwas mit anhaͤngen.

So pflegen wir nun ins gemein Geometriſch oder kunſtrichtig zu nennen alles das jenige/
was vollkommen/ ganz genau und ohne Fehler iſt/ und im Gegenteihl Mechaniſch/ was ſolche
Genauheit und Vollkommenheit nicht belanget/ ob es gleich manchmal/ dem aͤuſſerlichen Sinn
und Augenſchein nach ziemlich nah hinan reichet. Zum Exempel/ wann ich auch mit der aller-
ſpitzigſten Nadel ein Duͤpfelein ſteche ſo klein/ daß es kaum geſehen werden kan/ wird ſolches
doch fuͤr keinen Geometriſchen Punct gehalten; dieweil nicht allein das Nachſinnen des Ver-
ſtandes/ ſondern auch das Aug (wann die Sehe-Kraͤffte/ vermittelſt derer Vergroͤſſerungs-
Glaͤſer/ verſtaͤrket werden) endlich befindet/ daß ein ſolches/ dem bloſſen Anſehen nach unteihl-
bares/ Duͤpfelein dannoch viel 100 und 1000 Teihle in ſich begreiffe; da hingegen zu einem Geo-
metriſchen Punct erfordert wird/ daß in demſelben einige Teihle oder Teihlung gar nicht ſtatt
finde: alſo daß ein ſolcher Geometriſcher Punct mit keinem/ auch dem allerſubtileſten/ Werk-
zeug kan gemachet/ ſondern allein von dem Verſtand verzeichnet/ oder vielmehr/ daß hier und
dort allbereit wuͤrklich ein ſolcher Punct ſey/ gedacht und eingebildet werden. Woraus dann
zugleich erhellet/ weil eine Geometriſche Lini ganz keine Breite haben ſolle/ daß aus gleichem
Grund weder gerade noch krumme Lineen mit einigem Werkzeug/ er ſey ſo ſubtil als er immer
wolle/ koͤnne gezogen werden/ ſondern gleichfalls der Verſtand hier wuͤrken/ das iſt/ die/ all-
bereit wuͤrklich in der Natur ſtehende und befindliche/ Lineen betrachten und anſchauen muͤſſe:
alſo daß in dieſem Stuͤkk/ wann dieſe oder jene Wuͤrkung erfordert/ zum Exempel/ von einem
gegebenen Punct zu einem andern eine gerade Lini zu ziehen; umb einen gegebenen Punct/ in
gegebener Weite/ eine Kreiß-Lini zu fuͤhren/ ꝛc. es die Meinung nicht hat (wie zwar die Wort
mit ſich bringen) daß ſolches wuͤrkllich/ vermittelſt eines Lineals oder Cirkels/ geſchehen ſolle;
ſondern/ der Verſtand durch ſolche Forderung nur aufgewekket und erinnert wird der Moͤg-
lichkeit dieſes oder jenes Begehrens; daß nehmlich moͤglich ſey/ daß von einem gegebenen Punct
zu einem andern eine gerade Lini ſich erſtrekke; daß umb einen gegebenen Punct in gegebener
Weite eine Kreiß-Lini (das iſt/ eine ſolche/ welche nach allen ihren Puncten von dem gegebenen
umb und umb gleich weit abſtehe) ſich ſchlieſſe/ ꝛc. Daß aber nachmals dergleichen Lineen mit
einem Lineal oder Cirkel/ auf Papier oder ſonſten gezogen werden/ geſchihet nicht das Begehr-
te zu vollbringen/ ſondern dem Verſtand nur ein gewiſſes Zeichen und Sinnbild fuͤrzulegen/
damit er in ſeinen Gedanken und Betrachtungen deſto leichter fortkommen moͤge.

Daß
P ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <pb facs="#f0143" n="115"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Kugel und Rund-Sa&#x0364;ule.</hi> </fw><lb/>
                <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">NB. NB.</hi> </hi> </hi> </p><lb/>
                <p>1. Daß <hi rendition="#aq">GC</hi> zweymal &#x017F;o groß &#x017F;ey/ als <hi rendition="#aq">BC,</hi> i&#x017F;t offenbar. Dann/ <hi rendition="#fr">aus dem 4ten des</hi> <hi rendition="#aq">VI.</hi><lb/>
wie <hi rendition="#aq">LC</hi> i&#x017F;t gegen <hi rendition="#aq">GC,</hi> al&#x017F;o <hi rendition="#aq">DB</hi> gegen <hi rendition="#aq">BG,</hi> und wech&#x017F;elweiß/ wie <hi rendition="#aq">LC</hi> gegen <hi rendition="#aq">DB,</hi> al&#x017F;o <hi rendition="#aq">GC</hi><lb/>
gegen <hi rendition="#aq">BG.</hi> Nun i&#x017F;t aber <hi rendition="#aq">LC</hi> zweymal &#x017F;o groß als <hi rendition="#aq">DB,</hi> <hi rendition="#fr">Krafft obiger Auflo&#x0364;&#x017F;ung/</hi> dero-<lb/>
wegen i&#x017F;t auch <hi rendition="#aq">GC</hi> zweymal &#x017F;o groß als <hi rendition="#aq">GB,</hi> und folgends auch als der andere Teihl <hi rendition="#aq">BC.</hi></p><lb/>
                <p>2. Die&#x017F;er Schluß gru&#x0364;ndet &#x017F;ich auf nachfolgenden Lehr&#x017F;atz:</p><lb/>
                <p> <hi rendition="#fr">Wann vier gleichverhaltende Dinge &#x017F;ind/ &#x017F;o verha&#x0364;lt &#x017F;ich das er&#x017F;te ge-<lb/>
gen der Helfte des andern/ wie das dritte gedoppelt gegen dem vierdten.</hi> </p><lb/>
                <p>Das i&#x017F;t: Wann &#x017F;ich verha&#x0364;lt wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">a</hi></hi> gegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ea,</hi></hi> al&#x017F;o <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">b</hi></hi> gegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">eb,</hi></hi> &#x017F;o verha&#x0364;lt &#x017F;ich auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">a</hi></hi> ge-<lb/>
gen ½ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ea</hi></hi>, wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">2b</hi></hi> gegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">eb.</hi></hi></p><lb/>
                <p>Der Beweiß de&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t abermal augen&#x017F;cheinlich. Dann das jenige/ was da kommt aus <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">a</hi></hi><lb/>
in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">eb,</hi></hi> nehmlich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">aeb,</hi></hi> i&#x017F;t gleich dem gemachten aus beyden mittlern/ nehmlich zweymal ½ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">aeb.</hi></hi></p>
              </div><lb/>
              <div n="4">
                <head> <hi rendition="#b">Anhang von dem Unter&#x017F;cheid derer Mechani&#x017F;chen und<lb/>
Geometri&#x017F;chen Lineen.</hi> </head><lb/>
                <p>Wir haben al&#x017F;o bißher gelernet/ wie vermittel&#x017F;t der Nicomedi&#x017F;chen Mu&#x017F;chel-Lini zwey<lb/>
mittlere gleichverhaltende kun&#x017F;trichtig und Geometri&#x017F;cher Wei&#x017F;e mo&#x0364;gen gefunden werden. Da-<lb/>
mit aber von dem Recht und Sitz die&#x017F;er Mu&#x017F;chel-Lini/ den &#x017F;ie in der Meßkun&#x017F;t billich hat und<lb/>
beha&#x0364;lt/ der gering&#x017F;te Zweiffel nicht u&#x0364;brig &#x017F;ey/ wollen wir von dem Unter&#x017F;cheid derer Mechani-<lb/>
&#x017F;chen und Geometri&#x017F;chen Lineen bey die&#x017F;er Gelegenheit noch etwas mit anha&#x0364;ngen.</p><lb/>
                <p>So pflegen wir nun ins gemein Geometri&#x017F;ch oder kun&#x017F;trichtig zu nennen alles das jenige/<lb/>
was vollkommen/ ganz genau und ohne Fehler i&#x017F;t/ und im Gegenteihl Mechani&#x017F;ch/ was &#x017F;olche<lb/>
Genauheit und Vollkommenheit nicht belanget/ ob es gleich manchmal/ dem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Sinn<lb/>
und Augen&#x017F;chein nach ziemlich nah hinan reichet. Zum Exempel/ wann ich auch mit der aller-<lb/>
&#x017F;pitzig&#x017F;ten Nadel ein Du&#x0364;pfelein &#x017F;teche &#x017F;o klein/ daß es kaum ge&#x017F;ehen werden kan/ wird &#x017F;olches<lb/>
doch fu&#x0364;r keinen Geometri&#x017F;chen Punct gehalten; dieweil nicht allein das Nach&#x017F;innen des Ver-<lb/>
&#x017F;tandes/ &#x017F;ondern auch das Aug (wann die Sehe-Kra&#x0364;ffte/ vermittel&#x017F;t derer Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungs-<lb/>
Gla&#x0364;&#x017F;er/ ver&#x017F;ta&#x0364;rket werden) endlich befindet/ daß ein &#x017F;olches/ dem blo&#x017F;&#x017F;en An&#x017F;ehen nach unteihl-<lb/>
bares/ Du&#x0364;pfelein dannoch viel 100 und 1000 Teihle in &#x017F;ich begreiffe; da hingegen zu einem Geo-<lb/>
metri&#x017F;chen Punct erfordert wird/ daß in dem&#x017F;elben einige Teihle oder Teihlung gar nicht &#x017F;tatt<lb/>
finde: al&#x017F;o daß ein &#x017F;olcher Geometri&#x017F;cher Punct mit keinem/ auch dem aller&#x017F;ubtile&#x017F;ten/ Werk-<lb/>
zeug kan gemachet/ &#x017F;ondern allein von dem Ver&#x017F;tand verzeichnet/ oder vielmehr/ daß hier und<lb/>
dort allbereit wu&#x0364;rklich ein &#x017F;olcher Punct &#x017F;ey/ gedacht und eingebildet werden. Woraus dann<lb/>
zugleich erhellet/ weil eine Geometri&#x017F;che Lini ganz keine Breite haben &#x017F;olle/ daß aus gleichem<lb/>
Grund weder gerade noch krumme Lineen mit einigem Werkzeug/ er &#x017F;ey &#x017F;o &#x017F;ubtil als er immer<lb/>
wolle/ ko&#x0364;nne gezogen werden/ &#x017F;ondern gleichfalls der Ver&#x017F;tand hier wu&#x0364;rken/ das i&#x017F;t/ die/ all-<lb/>
bereit wu&#x0364;rklich in der Natur &#x017F;tehende und befindliche/ Lineen betrachten und an&#x017F;chauen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e:<lb/>
al&#x017F;o daß in die&#x017F;em Stu&#x0364;kk/ wann die&#x017F;e oder jene Wu&#x0364;rkung erfordert/ zum Exempel/ von einem<lb/>
gegebenen Punct zu einem andern eine gerade Lini zu ziehen; umb einen gegebenen Punct/ in<lb/>
gegebener Weite/ eine Kreiß-Lini zu fu&#x0364;hren/ &#xA75B;c. es die Meinung nicht hat (wie zwar die Wort<lb/>
mit &#x017F;ich bringen) daß &#x017F;olches wu&#x0364;rkllich/ vermittel&#x017F;t eines Lineals oder Cirkels/ ge&#x017F;chehen &#x017F;olle;<lb/>
&#x017F;ondern/ der Ver&#x017F;tand durch &#x017F;olche Forderung nur aufgewekket und erinnert wird der Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit die&#x017F;es oder jenes Begehrens; daß nehmlich mo&#x0364;glich &#x017F;ey/ daß von einem gegebenen Punct<lb/>
zu einem andern eine gerade Lini &#x017F;ich er&#x017F;trekke; daß umb einen gegebenen Punct in gegebener<lb/>
Weite eine Kreiß-Lini (das i&#x017F;t/ eine &#x017F;olche/ welche nach allen ihren Puncten von dem gegebenen<lb/>
umb und umb gleich weit ab&#x017F;tehe) &#x017F;ich &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e/ &#xA75B;c. Daß aber nachmals dergleichen Lineen mit<lb/>
einem Lineal oder Cirkel/ auf Papier oder &#x017F;on&#x017F;ten gezogen werden/ ge&#x017F;chihet nicht das Begehr-<lb/>
te zu vollbringen/ &#x017F;ondern dem Ver&#x017F;tand nur ein gewi&#x017F;&#x017F;es Zeichen und Sinnbild fu&#x0364;rzulegen/<lb/>
damit er in &#x017F;einen Gedanken und Betrachtungen de&#x017F;to leichter fortkommen mo&#x0364;ge.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">P ij</fw>
                <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0143] Von der Kugel und Rund-Saͤule. NB. NB. 1. Daß GC zweymal ſo groß ſey/ als BC, iſt offenbar. Dann/ aus dem 4ten des VI. wie LC iſt gegen GC, alſo DB gegen BG, und wechſelweiß/ wie LC gegen DB, alſo GC gegen BG. Nun iſt aber LC zweymal ſo groß als DB, Krafft obiger Aufloͤſung/ dero- wegen iſt auch GC zweymal ſo groß als GB, und folgends auch als der andere Teihl BC. 2. Dieſer Schluß gruͤndet ſich auf nachfolgenden Lehrſatz: Wann vier gleichverhaltende Dinge ſind/ ſo verhaͤlt ſich das erſte ge- gen der Helfte des andern/ wie das dritte gedoppelt gegen dem vierdten. Das iſt: Wann ſich verhaͤlt wie a gegen ea, alſo b gegen eb, ſo verhaͤlt ſich auch a ge- gen ½ ea, wie 2b gegen eb. Der Beweiß deſſen iſt abermal augenſcheinlich. Dann das jenige/ was da kommt aus a in eb, nehmlich aeb, iſt gleich dem gemachten aus beyden mittlern/ nehmlich zweymal ½ aeb. Anhang von dem Unterſcheid derer Mechaniſchen und Geometriſchen Lineen. Wir haben alſo bißher gelernet/ wie vermittelſt der Nicomediſchen Muſchel-Lini zwey mittlere gleichverhaltende kunſtrichtig und Geometriſcher Weiſe moͤgen gefunden werden. Da- mit aber von dem Recht und Sitz dieſer Muſchel-Lini/ den ſie in der Meßkunſt billich hat und behaͤlt/ der geringſte Zweiffel nicht uͤbrig ſey/ wollen wir von dem Unterſcheid derer Mechani- ſchen und Geometriſchen Lineen bey dieſer Gelegenheit noch etwas mit anhaͤngen. So pflegen wir nun ins gemein Geometriſch oder kunſtrichtig zu nennen alles das jenige/ was vollkommen/ ganz genau und ohne Fehler iſt/ und im Gegenteihl Mechaniſch/ was ſolche Genauheit und Vollkommenheit nicht belanget/ ob es gleich manchmal/ dem aͤuſſerlichen Sinn und Augenſchein nach ziemlich nah hinan reichet. Zum Exempel/ wann ich auch mit der aller- ſpitzigſten Nadel ein Duͤpfelein ſteche ſo klein/ daß es kaum geſehen werden kan/ wird ſolches doch fuͤr keinen Geometriſchen Punct gehalten; dieweil nicht allein das Nachſinnen des Ver- ſtandes/ ſondern auch das Aug (wann die Sehe-Kraͤffte/ vermittelſt derer Vergroͤſſerungs- Glaͤſer/ verſtaͤrket werden) endlich befindet/ daß ein ſolches/ dem bloſſen Anſehen nach unteihl- bares/ Duͤpfelein dannoch viel 100 und 1000 Teihle in ſich begreiffe; da hingegen zu einem Geo- metriſchen Punct erfordert wird/ daß in demſelben einige Teihle oder Teihlung gar nicht ſtatt finde: alſo daß ein ſolcher Geometriſcher Punct mit keinem/ auch dem allerſubtileſten/ Werk- zeug kan gemachet/ ſondern allein von dem Verſtand verzeichnet/ oder vielmehr/ daß hier und dort allbereit wuͤrklich ein ſolcher Punct ſey/ gedacht und eingebildet werden. Woraus dann zugleich erhellet/ weil eine Geometriſche Lini ganz keine Breite haben ſolle/ daß aus gleichem Grund weder gerade noch krumme Lineen mit einigem Werkzeug/ er ſey ſo ſubtil als er immer wolle/ koͤnne gezogen werden/ ſondern gleichfalls der Verſtand hier wuͤrken/ das iſt/ die/ all- bereit wuͤrklich in der Natur ſtehende und befindliche/ Lineen betrachten und anſchauen muͤſſe: alſo daß in dieſem Stuͤkk/ wann dieſe oder jene Wuͤrkung erfordert/ zum Exempel/ von einem gegebenen Punct zu einem andern eine gerade Lini zu ziehen; umb einen gegebenen Punct/ in gegebener Weite/ eine Kreiß-Lini zu fuͤhren/ ꝛc. es die Meinung nicht hat (wie zwar die Wort mit ſich bringen) daß ſolches wuͤrkllich/ vermittelſt eines Lineals oder Cirkels/ geſchehen ſolle; ſondern/ der Verſtand durch ſolche Forderung nur aufgewekket und erinnert wird der Moͤg- lichkeit dieſes oder jenes Begehrens; daß nehmlich moͤglich ſey/ daß von einem gegebenen Punct zu einem andern eine gerade Lini ſich erſtrekke; daß umb einen gegebenen Punct in gegebener Weite eine Kreiß-Lini (das iſt/ eine ſolche/ welche nach allen ihren Puncten von dem gegebenen umb und umb gleich weit abſtehe) ſich ſchlieſſe/ ꝛc. Daß aber nachmals dergleichen Lineen mit einem Lineal oder Cirkel/ auf Papier oder ſonſten gezogen werden/ geſchihet nicht das Begehr- te zu vollbringen/ ſondern dem Verſtand nur ein gewiſſes Zeichen und Sinnbild fuͤrzulegen/ damit er in ſeinen Gedanken und Betrachtungen deſto leichter fortkommen moͤge. Daß P ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/143
Zitationshilfe: Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/143>, abgerufen am 23.11.2024.