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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zweyter Abschnitt.

5. Wie gelassen kann ich im Tode seyn, wenn ich dem Ver-
lust meiner Güter und der Theilung meines Vermögens entgegen
sehe, wenn ich weiß, daß mein besseres Theil im Himmel ist!

43. Verspottung Jesu am Kreuze.

Die grosse Menge des Volks, die mit Jesu aus der
Stadt gegangen war, blieb auf dem Gerichtsplatze stehen
und sahe zu, wie er gekreuzigt wurde. Einige thaten es
aus Neugier, andre aus Empfindung des Mitleidens,
viele aber auch aus Grausamkeit. Denn einige von de-
nen, welche ganz nahe vor dem Kreuze vorbey giengen, lä-
sterten und verlachten ihn bald durch Kopfschütteln, bald
durch andre hönische Geberden. Dabey sagten sie: Der
du es dich vermessen hast, den Tempel niederzu-
reissen und ihn in dreyen Tagen wieder zu bauen, hilf
dir jetzt selbst. Wenn du wirklich Gottes Sohn
bist, für welchen du dich ausgiebst, so beweise es
dadurch, daß du vom Kreuze herabsteigest.
Es war
nicht zu verwundern, daß der Pöbel auf diese Art gegen
Jesum handelte, da sie durch so unrichtige Meinungen
und falsche Vorurtheile gegen Jesum eingenommen wa-
ren. Aber es war erstaunenswürdig, daß Leute von
Stande und bessrer Einsicht sich in dieser Niederträchtig-
keit mit dem grossen Haufen vereinigten. Denn äuch die
Hohenpriester samt den Schriftgelehrten, Pharisäern und
Aeltesten des Volks setzten die Spottreden des Pöbels fort,
und sagten mit hönischer Miene: Andern hat er ge-
holfen: und sich selbst kann er jetzt nicht helfen.
Ist er wirklich der Meßias, der König Israels,
so steige er jetzt vom Kreuze herab. Wenn wir
diß sehen, so wollen wir seinen Worten glauben.
Er hat sich auf den Beystand Gottes verlassen:
dieser errette ihn nun, wenn er Wohlgefallen an

ihm
Zweyter Abſchnitt.

5. Wie gelaſſen kann ich im Tode ſeyn, wenn ich dem Ver-
luſt meiner Güter und der Theilung meines Vermögens entgegen
ſehe, wenn ich weiß, daß mein beſſeres Theil im Himmel iſt!

43. Verſpottung Jeſu am Kreuze.

Die groſſe Menge des Volks, die mit Jeſu aus der
Stadt gegangen war, blieb auf dem Gerichtsplatze ſtehen
und ſahe zu, wie er gekreuzigt wurde. Einige thaten es
aus Neugier, andre aus Empfindung des Mitleidens,
viele aber auch aus Grauſamkeit. Denn einige von de-
nen, welche ganz nahe vor dem Kreuze vorbey giengen, lä-
ſterten und verlachten ihn bald durch Kopfſchütteln, bald
durch andre höniſche Geberden. Dabey ſagten ſie: Der
du es dich vermeſſen haſt, den Tempel niederzu-
reiſſen und ihn in dreyen Tagen wieder zu bauen, hilf
dir jetzt ſelbſt. Wenn du wirklich Gottes Sohn
biſt, für welchen du dich ausgiebſt, ſo beweiſe es
dadurch, daß du vom Kreuze herabſteigeſt.
Es war
nicht zu verwundern, daß der Pöbel auf dieſe Art gegen
Jeſum handelte, da ſie durch ſo unrichtige Meinungen
und falſche Vorurtheile gegen Jeſum eingenommen wa-
ren. Aber es war erſtaunenswürdig, daß Leute von
Stande und beſſrer Einſicht ſich in dieſer Niederträchtig-
keit mit dem groſſen Haufen vereinigten. Denn äuch die
Hohenprieſter ſamt den Schriftgelehrten, Phariſäern und
Aelteſten des Volks ſetzten die Spottreden des Pöbels fort,
und ſagten mit höniſcher Miene: Andern hat er ge-
holfen: und ſich ſelbſt kann er jetzt nicht helfen.
Iſt er wirklich der Meßias, der König Iſraels,
ſo ſteige er jetzt vom Kreuze herab. Wenn wir
diß ſehen, ſo wollen wir ſeinen Worten glauben.
Er hat ſich auf den Beyſtand Gottes verlaſſen:
dieſer errette ihn nun, wenn er Wohlgefallen an

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[276/0298] Zweyter Abſchnitt. 5. Wie gelaſſen kann ich im Tode ſeyn, wenn ich dem Ver- luſt meiner Güter und der Theilung meines Vermögens entgegen ſehe, wenn ich weiß, daß mein beſſeres Theil im Himmel iſt! 43. Verſpottung Jeſu am Kreuze. Die groſſe Menge des Volks, die mit Jeſu aus der Stadt gegangen war, blieb auf dem Gerichtsplatze ſtehen und ſahe zu, wie er gekreuzigt wurde. Einige thaten es aus Neugier, andre aus Empfindung des Mitleidens, viele aber auch aus Grauſamkeit. Denn einige von de- nen, welche ganz nahe vor dem Kreuze vorbey giengen, lä- ſterten und verlachten ihn bald durch Kopfſchütteln, bald durch andre höniſche Geberden. Dabey ſagten ſie: Der du es dich vermeſſen haſt, den Tempel niederzu- reiſſen und ihn in dreyen Tagen wieder zu bauen, hilf dir jetzt ſelbſt. Wenn du wirklich Gottes Sohn biſt, für welchen du dich ausgiebſt, ſo beweiſe es dadurch, daß du vom Kreuze herabſteigeſt. Es war nicht zu verwundern, daß der Pöbel auf dieſe Art gegen Jeſum handelte, da ſie durch ſo unrichtige Meinungen und falſche Vorurtheile gegen Jeſum eingenommen wa- ren. Aber es war erſtaunenswürdig, daß Leute von Stande und beſſrer Einſicht ſich in dieſer Niederträchtig- keit mit dem groſſen Haufen vereinigten. Denn äuch die Hohenprieſter ſamt den Schriftgelehrten, Phariſäern und Aelteſten des Volks ſetzten die Spottreden des Pöbels fort, und ſagten mit höniſcher Miene: Andern hat er ge- holfen: und ſich ſelbſt kann er jetzt nicht helfen. Iſt er wirklich der Meßias, der König Iſraels, ſo ſteige er jetzt vom Kreuze herab. Wenn wir diß ſehen, ſo wollen wir ſeinen Worten glauben. Er hat ſich auf den Beyſtand Gottes verlaſſen: dieſer errette ihn nun, wenn er Wohlgefallen an ihm

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/298>, abgerufen am 21.11.2024.