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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Von dem Leiden Jesu selbst.
gab den Juden zur Spötterey Gelegenheit. Denn einige
sagten zu dem Soldaten, der ihm zu trinken gab: Halt
doch ein! laß ihn immerhin dursten. Vielleicht
kommt Elias und befreyet ihn vom Kreuz.

Praktische Anmerkungen.

1. Möchte ich doch, wie Jesus that, die Erfüllung des Wil-
lens Gottes mein Augenmerk im Leben und im Tode seyn lassen!

2. Ehe ich sterben werde, werde ich auch vielleicht einen heis-
sen Durst empfinden. Und da soll mir das Andenken an diesen
Durst Jesu erquickend seyn.

3. Wie weit glücklicher, als Jesus, werde ich unter diesen
Umständen seyn! Mir wird eine beßre Erquickung gereicht wer-
den: zum wenigsten wird auch selbst mein ärgster Feind nicht
meines Jammers spotten.

49. Tod Jesu.

Sobald Jesus diesen Weineßig genommen hatte,
sprach er: Es ist vollendet. Unmittelbar darauf rief er
mit vernehmlicher Stimme: Vater, ich übergebe meine
Seele deiner Aufsicht.
Kaum hatte er diese Worte
ausgesprochen, so sank sein Haupt näher auf die Brust,
und er gab seinen Geist von sich.

Praktische Anmerkungen.

1. Ich wünsche mir nicht eher zu sterben, als bis ich sagen
kann: ich habe alles vollendet, was ich als Mensch und Christ
thun sollte.

2. Aber wie viel Unvollendetes werde ich einst bey meinem
Tode antreffen, wenn ich ins Leben zurücksehe! Alsdann komme
mir die Vollendung Jesu zu statten.

3. Jesus blieb seinem Vater bis in den Tod getreu: auch
mich soll der Tod nicht von ihm scheiden.

4. In der Todesstunde muß meine Hauptsorge auf die Seele,
und deren Schicksal in der Ewigkeit, gerichtet seyn.

5. Ein wahrhaftig heiliger und seliger Tod ist die Folge ei-
nes heiligen Lebens.

6. Der Tod Jesu ist das Siegel seiner Lehre, und die Ver-
sicherung meiner völligen Aussöhnung mit Gott.

7. In

Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
gab den Juden zur Spötterey Gelegenheit. Denn einige
ſagten zu dem Soldaten, der ihm zu trinken gab: Halt
doch ein! laß ihn immerhin durſten. Vielleicht
kommt Elias und befreyet ihn vom Kreuz.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Möchte ich doch, wie Jeſus that, die Erfüllung des Wil-
lens Gottes mein Augenmerk im Leben und im Tode ſeyn laſſen!

2. Ehe ich ſterben werde, werde ich auch vielleicht einen heiſ-
ſen Durſt empfinden. Und da ſoll mir das Andenken an dieſen
Durſt Jeſu erquickend ſeyn.

3. Wie weit glücklicher, als Jeſus, werde ich unter dieſen
Umſtänden ſeyn! Mir wird eine beßre Erquickung gereicht wer-
den: zum wenigſten wird auch ſelbſt mein ärgſter Feind nicht
meines Jammers ſpotten.

49. Tod Jeſu.

Sobald Jeſus dieſen Weineßig genommen hatte,
ſprach er: Es iſt vollendet. Unmittelbar darauf rief er
mit vernehmlicher Stimme: Vater, ich übergebe meine
Seele deiner Aufſicht.
Kaum hatte er dieſe Worte
ausgeſprochen, ſo ſank ſein Haupt näher auf die Bruſt,
und er gab ſeinen Geiſt von ſich.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Ich wünſche mir nicht eher zu ſterben, als bis ich ſagen
kann: ich habe alles vollendet, was ich als Menſch und Chriſt
thun ſollte.

2. Aber wie viel Unvollendetes werde ich einſt bey meinem
Tode antreffen, wenn ich ins Leben zurückſehe! Alsdann komme
mir die Vollendung Jeſu zu ſtatten.

3. Jeſus blieb ſeinem Vater bis in den Tod getreu: auch
mich ſoll der Tod nicht von ihm ſcheiden.

4. In der Todesſtunde muß meine Hauptſorge auf die Seele,
und deren Schickſal in der Ewigkeit, gerichtet ſeyn.

5. Ein wahrhaftig heiliger und ſeliger Tod iſt die Folge ei-
nes heiligen Lebens.

6. Der Tod Jeſu iſt das Siegel ſeiner Lehre, und die Ver-
ſicherung meiner völligen Ausſöhnung mit Gott.

7. In
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[283/0305] Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. gab den Juden zur Spötterey Gelegenheit. Denn einige ſagten zu dem Soldaten, der ihm zu trinken gab: Halt doch ein! laß ihn immerhin durſten. Vielleicht kommt Elias und befreyet ihn vom Kreuz. Praktiſche Anmerkungen. 1. Möchte ich doch, wie Jeſus that, die Erfüllung des Wil- lens Gottes mein Augenmerk im Leben und im Tode ſeyn laſſen! 2. Ehe ich ſterben werde, werde ich auch vielleicht einen heiſ- ſen Durſt empfinden. Und da ſoll mir das Andenken an dieſen Durſt Jeſu erquickend ſeyn. 3. Wie weit glücklicher, als Jeſus, werde ich unter dieſen Umſtänden ſeyn! Mir wird eine beßre Erquickung gereicht wer- den: zum wenigſten wird auch ſelbſt mein ärgſter Feind nicht meines Jammers ſpotten. 49. Tod Jeſu. Sobald Jeſus dieſen Weineßig genommen hatte, ſprach er: Es iſt vollendet. Unmittelbar darauf rief er mit vernehmlicher Stimme: Vater, ich übergebe meine Seele deiner Aufſicht. Kaum hatte er dieſe Worte ausgeſprochen, ſo ſank ſein Haupt näher auf die Bruſt, und er gab ſeinen Geiſt von ſich. Praktiſche Anmerkungen. 1. Ich wünſche mir nicht eher zu ſterben, als bis ich ſagen kann: ich habe alles vollendet, was ich als Menſch und Chriſt thun ſollte. 2. Aber wie viel Unvollendetes werde ich einſt bey meinem Tode antreffen, wenn ich ins Leben zurückſehe! Alsdann komme mir die Vollendung Jeſu zu ſtatten. 3. Jeſus blieb ſeinem Vater bis in den Tod getreu: auch mich ſoll der Tod nicht von ihm ſcheiden. 4. In der Todesſtunde muß meine Hauptſorge auf die Seele, und deren Schickſal in der Ewigkeit, gerichtet ſeyn. 5. Ein wahrhaftig heiliger und ſeliger Tod iſt die Folge ei- nes heiligen Lebens. 6. Der Tod Jeſu iſt das Siegel ſeiner Lehre, und die Ver- ſicherung meiner völligen Ausſöhnung mit Gott. 7. In

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/305>, abgerufen am 25.11.2024.