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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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auserlesener Paßionslieder.
[Spaltenumbruch]

5. Nun nehm der Fein mir al-
les hin! Das Glück, daß ich ver
söhnet bin, ist meiner Seele höch-
stes Gut, und macht mir auch im
Tode Muth.

6. Wenn des Gesetzes Fluch mir
droht, dann zeigt mir dein Versöh-
nungstodt, daß du am Kreuz der
Sündenlast und meinen, Fluch ge-
tragen hast.

7. Und ist des Abschieds Stunde
da, dann blick ich hin nach Gol-
gatha. Der Trost, daß ich be-
gnadigt bin, macht mir das Ster-
ben zum Gewinu.

8. Einst, wenn mich aus der
finstern Grust dein Wort zum neuen
Leben ruft, dann seh ich dich, mein
Herr und Gott: mein Ruhm ist
ewig dann dein Tod.

45. Mel. O Traurigkeit etc.

Oblinde Wuth! O Durst nach
Blut, als nie erhöret worden!
Ihn, den Lebensfürsten selbst, wagt
man zu ermorden.

2. Zu siegen meynt sein stolzer
Feind; umringt ihn ganz mit Nö-
then; will durch seinen Fersenstich
seine Gottheit tödten.

3. Von Rache glühn jetzt wi-
der ihn, die seines Volkes waren.
Und in Wundern ohne Zahl seine
Lieb' erfahren.

4. Und welch ein Schmerz für
Jesu Herz! Sein Freund wird sein
Verräther. Nun verdammt man ihn
zum Tod, gleich als Uebelthäter.

5. Kein Schonen mehr! Wie
blutet er! Wie ist sein Leib zerrissen!
Wie viel Ströme seines Bluts, die
zur Erde fließen.

6. Frech, ruchlos, blind. Un-
menschen sind, die ihn so grausam
höhnen, daß sie den Zergeißelten
noch mit Dornen krönen.

[Spaltenumbruch]

7. Noch beugen sie vor ihm die
Knie, die keinen Frevel schenen.
Beten ihn, als König an, drauf
ihn zu verspeyen.

8. Seht! welch ein Mensch!
Seht! welch ein Mensch! Sie se-
hens ohne Schmerzen. Nur sein
Kreutztod sättigt ganz die ergrimm-
ten Herzen.

9. Hilf doch, daß ich mein Jesu,
dich ins Herz zeitlebens fasse, und
mich auf dein theures Blut ganz
und fest verlasse.

10. O grosse Huld! Für fremde
Schuld läßt sich der Herr zerschla-
gen. Jesu meine Missethat, wirkte
deine Plagen.

11. Hilf, Gotteslam, am Kreu-
zesstamm zu unserm Heil geschlach-
tet! daß mein Geist, wenn Sünde
lockt, deine Pein betrachtet.

12. Auch müß allein, Herr,
deine Pein mein Trost seyn, wenn
ich sterbe, daß ich sanft entschlaf
auf dich, und dein Reich ererbe.

46. Mel. Wenn meine Sünd etc.

O Lamm! aus deinen Wunden
fließt meine Seligkeit. Die
Schmach, die du empfunden, dient
mir zur Herrlichkeit. Ich sehe das,
was du gethan zur Tilgung meiner
Sünden, mit Freud und Zittern an.

2. O Lamm, du warst unschuldig,
von allen Fehlern rein: und doch
trugst du geouldig für uns der Sün-
de Pein. Ach präge mir dein Bey-
spiel ein, laß, wenn ich Unrecht
leide, mich stark durch Sanftmath
seyn.

3. Dein Angesicht zu schauen,
macht Seraphim erfreut. Und jetzt
ist es voll Grauen, blutrünstig und
bespeit. Ach, Heiland, ach verwirf
mich nicht, mich, der ich dich ge-
schändet von deinem Angestcht!

4. Du
Sturms Leidensgeschichte. X
auserleſener Paßionslieder.
[Spaltenumbruch]

5. Nun nehm der Fein mir al-
les hin! Das Glück, daß ich ver
ſöhnet bin, iſt meiner Seele höch-
ſtes Gut, und macht mir auch im
Tode Muth.

6. Wenn des Geſetzes Fluch mir
droht, dann zeigt mir dein Verſöh-
nungstodt, daß du am Kreuz der
Sündenlaſt und meinen, Fluch ge-
tragen haſt.

7. Und iſt des Abſchieds Stunde
da, dann blick ich hin nach Gol-
gatha. Der Troſt, daß ich be-
gnadigt bin, macht mir das Ster-
ben zum Gewinu.

8. Einſt, wenn mich aus der
finſtern Gruſt dein Wort zum neuen
Leben ruft, dann ſeh ich dich, mein
Herr und Gott: mein Ruhm iſt
ewig dann dein Tod.

45. Mel. O Traurigkeit ꝛc.

Oblinde Wuth! O Durſt nach
Blut, als nie erhöret worden!
Ihn, den Lebensfürſten ſelbſt, wagt
man zu ermorden.

2. Zu ſiegen meynt ſein ſtolzer
Feind; umringt ihn ganz mit Nö-
then; will durch ſeinen Ferſenſtich
ſeine Gottheit tödten.

3. Von Rache glühn jetzt wi-
der ihn, die ſeines Volkes waren.
Und in Wundern ohne Zahl ſeine
Lieb’ erfahren.

4. Und welch ein Schmerz für
Jeſu Herz! Sein Freund wird ſein
Verräther. Nun verdammt man ihn
zum Tod, gleich als Uebelthäter.

5. Kein Schonen mehr! Wie
blutet er! Wie iſt ſein Leib zerriſſen!
Wie viel Ströme ſeines Bluts, die
zur Erde fließen.

6. Frech, ruchlos, blind. Un-
menſchen ſind, die ihn ſo grauſam
höhnen, daß ſie den Zergeißelten
noch mit Dornen krönen.

[Spaltenumbruch]

7. Noch beugen ſie vor ihm die
Knie, die keinen Frevel ſchenen.
Beten ihn, als König an, drauf
ihn zu verſpeyen.

8. Seht! welch ein Menſch!
Seht! welch ein Menſch! Sie ſe-
hens ohne Schmerzen. Nur ſein
Kreutztod ſättigt ganz die ergrimm-
ten Herzen.

9. Hilf doch, daß ich mein Jeſu,
dich ins Herz zeitlebens faſſe, und
mich auf dein theures Blut ganz
und feſt verlaſſe.

10. O groſſe Huld! Für fremde
Schuld läßt ſich der Herr zerſchla-
gen. Jeſu meine Miſſethat, wirkte
deine Plagen.

11. Hilf, Gotteslam, am Kreu-
zesſtamm zu unſerm Heil geſchlach-
tet! daß mein Geiſt, wenn Sünde
lockt, deine Pein betrachtet.

12. Auch müß allein, Herr,
deine Pein mein Troſt ſeyn, wenn
ich ſterbe, daß ich ſanft entſchlaf
auf dich, und dein Reich ererbe.

46. Mel. Wenn meine Sünd ꝛc.

O Lamm! aus deinen Wunden
fließt meine Seligkeit. Die
Schmach, die du empfunden, dient
mir zur Herrlichkeit. Ich ſehe das,
was du gethan zur Tilgung meiner
Sünden, mit Freud und Zittern an.

2. O Lamm, du warſt unſchuldig,
von allen Fehlern rein: und doch
trugſt du geouldig für uns der Sün-
de Pein. Ach präge mir dein Bey-
ſpiel ein, laß, wenn ich Unrecht
leide, mich ſtark durch Sanftmath
ſeyn.

3. Dein Angeſicht zu ſchauen,
macht Seraphim erfreut. Und jetzt
iſt es voll Grauen, blutrünſtig und
beſpeit. Ach, Heiland, ach verwirf
mich nicht, mich, der ich dich ge-
ſchändet von deinem Angeſtcht!

4. Du
Sturms Leidensgeſchichte. X
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[321/0343] auserleſener Paßionslieder. 5. Nun nehm der Fein mir al- les hin! Das Glück, daß ich ver ſöhnet bin, iſt meiner Seele höch- ſtes Gut, und macht mir auch im Tode Muth. 6. Wenn des Geſetzes Fluch mir droht, dann zeigt mir dein Verſöh- nungstodt, daß du am Kreuz der Sündenlaſt und meinen, Fluch ge- tragen haſt. 7. Und iſt des Abſchieds Stunde da, dann blick ich hin nach Gol- gatha. Der Troſt, daß ich be- gnadigt bin, macht mir das Ster- ben zum Gewinu. 8. Einſt, wenn mich aus der finſtern Gruſt dein Wort zum neuen Leben ruft, dann ſeh ich dich, mein Herr und Gott: mein Ruhm iſt ewig dann dein Tod. 45. Mel. O Traurigkeit ꝛc. Oblinde Wuth! O Durſt nach Blut, als nie erhöret worden! Ihn, den Lebensfürſten ſelbſt, wagt man zu ermorden. 2. Zu ſiegen meynt ſein ſtolzer Feind; umringt ihn ganz mit Nö- then; will durch ſeinen Ferſenſtich ſeine Gottheit tödten. 3. Von Rache glühn jetzt wi- der ihn, die ſeines Volkes waren. Und in Wundern ohne Zahl ſeine Lieb’ erfahren. 4. Und welch ein Schmerz für Jeſu Herz! Sein Freund wird ſein Verräther. Nun verdammt man ihn zum Tod, gleich als Uebelthäter. 5. Kein Schonen mehr! Wie blutet er! Wie iſt ſein Leib zerriſſen! Wie viel Ströme ſeines Bluts, die zur Erde fließen. 6. Frech, ruchlos, blind. Un- menſchen ſind, die ihn ſo grauſam höhnen, daß ſie den Zergeißelten noch mit Dornen krönen. 7. Noch beugen ſie vor ihm die Knie, die keinen Frevel ſchenen. Beten ihn, als König an, drauf ihn zu verſpeyen. 8. Seht! welch ein Menſch! Seht! welch ein Menſch! Sie ſe- hens ohne Schmerzen. Nur ſein Kreutztod ſättigt ganz die ergrimm- ten Herzen. 9. Hilf doch, daß ich mein Jeſu, dich ins Herz zeitlebens faſſe, und mich auf dein theures Blut ganz und feſt verlaſſe. 10. O groſſe Huld! Für fremde Schuld läßt ſich der Herr zerſchla- gen. Jeſu meine Miſſethat, wirkte deine Plagen. 11. Hilf, Gotteslam, am Kreu- zesſtamm zu unſerm Heil geſchlach- tet! daß mein Geiſt, wenn Sünde lockt, deine Pein betrachtet. 12. Auch müß allein, Herr, deine Pein mein Troſt ſeyn, wenn ich ſterbe, daß ich ſanft entſchlaf auf dich, und dein Reich ererbe. 46. Mel. Wenn meine Sünd ꝛc. O Lamm! aus deinen Wunden fließt meine Seligkeit. Die Schmach, die du empfunden, dient mir zur Herrlichkeit. Ich ſehe das, was du gethan zur Tilgung meiner Sünden, mit Freud und Zittern an. 2. O Lamm, du warſt unſchuldig, von allen Fehlern rein: und doch trugſt du geouldig für uns der Sün- de Pein. Ach präge mir dein Bey- ſpiel ein, laß, wenn ich Unrecht leide, mich ſtark durch Sanftmath ſeyn. 3. Dein Angeſicht zu ſchauen, macht Seraphim erfreut. Und jetzt iſt es voll Grauen, blutrünſtig und beſpeit. Ach, Heiland, ach verwirf mich nicht, mich, der ich dich ge- ſchändet von deinem Angeſtcht! 4. Du Sturms Leidensgeſchichte. X

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/343>, abgerufen am 27.11.2024.