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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Sammlung
[Spaltenumbruch] du kömmst, den Kreis der Erde
zu richten mit Gerechtigkeit.

53. Mel. Wenn meine Sünd mich etc.

Seht Jesum, den Gerechten,
seht seine Schmach und weint!
Entehrt von Lasterknechten steht hier
der Menschenfreund. Spott, Spei-
chel und der Bosheit Wuth erdul-
det er, und büsset der Menschen
Frevelmuth.

2. Der göttliche Prophete, durch
den der Vater sprach, trägt ohne
Widerrede der Widersacher Schmach.
Ihr, die ihr seine Martern seht, be-
denkt, um euret willen, ward Je-
sus so geschmäht.

3. Der Schönste unter allen hat
nichts, was uns gefällt. Wie blu-
tend, wie verfallen, wie ist er doch
entstellt! Von dem bespeyten An-
gesicht fließt Blut; doch ist er stil-
le, und flucht den Frevlern nicht.

4. Die Feinde, die ihn hassen,
verfolgt er nicht im Grimm, trägt,
als ein Lamm, gelassen, der Wür-
ger Ungestüm. Durch göttlich
sanften Edelmuth besiegt er seine
Leiden und der Verfolger Wuth.

5. Herr, laß mich es bedenken,
was du mir guts gethan: und
wenn mich Leiden kränken, erinnre
mich daran, wie du des Elends
ganze Last so willig übernommen, so
still getragen hast.

5. Daß ich mich dir ergebe, im
Glück, wie in der Noth, nie dei-
ner unwerth lebe, das gib mir,
Herr und Gott. Werd ich dich
einst als Richter sehn, so laß mich
nicht mit Schande vor deinem
Throne stehn.

54 Mel. Allein Gott in der Höh etc.

Seht welch ein Mensch! wie
lag so schwer auf ihm die
Last der Sünder! Wie unaus-
[Spaltenumbruch] sprechlich duldet er, für euch ihr
Menschenkinder! So leiden sah
vom Anbeginn die Erde keinen je als
ihn: so wird auch keiner leiden!

2. Der Sohn des Vaters, unser
Gott, ein Helfer, ein Gerechter,
ward frecher Missethäter Spott, und
seines Volks Gelächter. Wie ein
Verbrecher stund er da, verklagt,
verläumdet! wer ihn sah, der sah
ihn mit Verrachtung!

3. Gefchäftig war der Frevler
Wuth, erfindrisch ihn zu plagen.
Bedeckt mit Striemen und mit
Blut: so war sein Leib zerschla-
gen! Gekrönt mit Dornen, in der
Hand ein Rohr, verhöhnt durch
sein Gewand: so sah'n ihn seine
Feinde!

4. Den Heiden, der sein Rich-
ter war, ergrif ein menschlich
Schrecken! Er stellt ihn seinen
Brüdern dar, ihr Mitleid zu erwe-
cken. Seht, welch ein Mensch!
ich kann ihn nicht verdammen, denn
die Unschuld spricht zu mächtig für
sein Leben!

5. Vergeblich, ach! vergeblich
war die Menschlichkeit des Heiden!
Die wütende, die stoltze Schaar
sah Jesu Schmach mit Freuden!
Sein Tod befriedigt sie allein! Sie
stürmten auf den Richter ein, und
schrien: Er sterb' am Kreuze!

6. Du denkest ohne Schaudern nie
an diese Wuth der Sünder; du
sprichst: die Rache strafte sie, und
straft noch ihre Kinder! O Seele,
denkst du auch dabey an deine Sün-
den? bist du frey von Schuld am
Tode Jesu?

7. Sieh, welch' ein Mensch!
wie er für dich verschmäht wird und
zerschlagen! Hör ihn, er spricht:

ich

Sammlung
[Spaltenumbruch] du kömmſt, den Kreis der Erde
zu richten mit Gerechtigkeit.

53. Mel. Wenn meine Sünd mich ꝛc.

Seht Jeſum, den Gerechten,
ſeht ſeine Schmach und weint!
Entehrt von Laſterknechten ſteht hier
der Menſchenfreund. Spott, Spei-
chel und der Bosheit Wuth erdul-
det er, und büſſet der Menſchen
Frevelmuth.

2. Der göttliche Prophete, durch
den der Vater ſprach, trägt ohne
Widerrede der Widerſacher Schmach.
Ihr, die ihr ſeine Martern ſeht, be-
denkt, um euret willen, ward Je-
ſus ſo geſchmäht.

3. Der Schönſte unter allen hat
nichts, was uns gefällt. Wie blu-
tend, wie verfallen, wie iſt er doch
entſtellt! Von dem beſpeyten An-
geſicht fließt Blut; doch iſt er ſtil-
le, und flucht den Frevlern nicht.

4. Die Feinde, die ihn haſſen,
verfolgt er nicht im Grimm, trägt,
als ein Lamm, gelaſſen, der Wür-
ger Ungeſtüm. Durch göttlich
ſanften Edelmuth beſiegt er ſeine
Leiden und der Verfolger Wuth.

5. Herr, laß mich es bedenken,
was du mir guts gethan: und
wenn mich Leiden kränken, erinnre
mich daran, wie du des Elends
ganze Laſt ſo willig übernommen, ſo
ſtill getragen haſt.

5. Daß ich mich dir ergebe, im
Glück, wie in der Noth, nie dei-
ner unwerth lebe, das gib mir,
Herr und Gott. Werd ich dich
einſt als Richter ſehn, ſo laß mich
nicht mit Schande vor deinem
Throne ſtehn.

54 Mel. Allein Gott in der Höh ꝛc.

Seht welch ein Menſch! wie
lag ſo ſchwer auf ihm die
Laſt der Sünder! Wie unaus-
[Spaltenumbruch] ſprechlich duldet er, für euch ihr
Menſchenkinder! So leiden ſah
vom Anbeginn die Erde keinen je als
ihn: ſo wird auch keiner leiden!

2. Der Sohn des Vaters, unſer
Gott, ein Helfer, ein Gerechter,
ward frecher Miſſethäter Spott, und
ſeines Volks Gelächter. Wie ein
Verbrecher ſtund er da, verklagt,
verläumdet! wer ihn ſah, der ſah
ihn mit Verrachtung!

3. Gefchäftig war der Frevler
Wuth, erfindriſch ihn zu plagen.
Bedeckt mit Striemen und mit
Blut: ſo war ſein Leib zerſchla-
gen! Gekrönt mit Dornen, in der
Hand ein Rohr, verhöhnt durch
ſein Gewand: ſo ſah’n ihn ſeine
Feinde!

4. Den Heiden, der ſein Rich-
ter war, ergrif ein menſchlich
Schrecken! Er ſtellt ihn ſeinen
Brüdern dar, ihr Mitleid zu erwe-
cken. Seht, welch ein Menſch!
ich kann ihn nicht verdammen, denn
die Unſchuld ſpricht zu mächtig für
ſein Leben!

5. Vergeblich, ach! vergeblich
war die Menſchlichkeit des Heiden!
Die wütende, die ſtoltze Schaar
ſah Jeſu Schmach mit Freuden!
Sein Tod befriedigt ſie allein! Sie
ſtürmten auf den Richter ein, und
ſchrien: Er ſterb’ am Kreuze!

6. Du denkeſt ohne Schaudern nie
an dieſe Wuth der Sünder; du
ſprichſt: die Rache ſtrafte ſie, und
ſtraft noch ihre Kinder! O Seele,
denkſt du auch dabey an deine Sün-
den? biſt du frey von Schuld am
Tode Jeſu?

7. Sieh, welch’ ein Menſch!
wie er für dich verſchmäht wird und
zerſchlagen! Hör ihn, er ſpricht:

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[326/0348] Sammlung du kömmſt, den Kreis der Erde zu richten mit Gerechtigkeit. 53. Mel. Wenn meine Sünd mich ꝛc. Seht Jeſum, den Gerechten, ſeht ſeine Schmach und weint! Entehrt von Laſterknechten ſteht hier der Menſchenfreund. Spott, Spei- chel und der Bosheit Wuth erdul- det er, und büſſet der Menſchen Frevelmuth. 2. Der göttliche Prophete, durch den der Vater ſprach, trägt ohne Widerrede der Widerſacher Schmach. Ihr, die ihr ſeine Martern ſeht, be- denkt, um euret willen, ward Je- ſus ſo geſchmäht. 3. Der Schönſte unter allen hat nichts, was uns gefällt. Wie blu- tend, wie verfallen, wie iſt er doch entſtellt! Von dem beſpeyten An- geſicht fließt Blut; doch iſt er ſtil- le, und flucht den Frevlern nicht. 4. Die Feinde, die ihn haſſen, verfolgt er nicht im Grimm, trägt, als ein Lamm, gelaſſen, der Wür- ger Ungeſtüm. Durch göttlich ſanften Edelmuth beſiegt er ſeine Leiden und der Verfolger Wuth. 5. Herr, laß mich es bedenken, was du mir guts gethan: und wenn mich Leiden kränken, erinnre mich daran, wie du des Elends ganze Laſt ſo willig übernommen, ſo ſtill getragen haſt. 5. Daß ich mich dir ergebe, im Glück, wie in der Noth, nie dei- ner unwerth lebe, das gib mir, Herr und Gott. Werd ich dich einſt als Richter ſehn, ſo laß mich nicht mit Schande vor deinem Throne ſtehn. 54 Mel. Allein Gott in der Höh ꝛc. Seht welch ein Menſch! wie lag ſo ſchwer auf ihm die Laſt der Sünder! Wie unaus- ſprechlich duldet er, für euch ihr Menſchenkinder! So leiden ſah vom Anbeginn die Erde keinen je als ihn: ſo wird auch keiner leiden! 2. Der Sohn des Vaters, unſer Gott, ein Helfer, ein Gerechter, ward frecher Miſſethäter Spott, und ſeines Volks Gelächter. Wie ein Verbrecher ſtund er da, verklagt, verläumdet! wer ihn ſah, der ſah ihn mit Verrachtung! 3. Gefchäftig war der Frevler Wuth, erfindriſch ihn zu plagen. Bedeckt mit Striemen und mit Blut: ſo war ſein Leib zerſchla- gen! Gekrönt mit Dornen, in der Hand ein Rohr, verhöhnt durch ſein Gewand: ſo ſah’n ihn ſeine Feinde! 4. Den Heiden, der ſein Rich- ter war, ergrif ein menſchlich Schrecken! Er ſtellt ihn ſeinen Brüdern dar, ihr Mitleid zu erwe- cken. Seht, welch ein Menſch! ich kann ihn nicht verdammen, denn die Unſchuld ſpricht zu mächtig für ſein Leben! 5. Vergeblich, ach! vergeblich war die Menſchlichkeit des Heiden! Die wütende, die ſtoltze Schaar ſah Jeſu Schmach mit Freuden! Sein Tod befriedigt ſie allein! Sie ſtürmten auf den Richter ein, und ſchrien: Er ſterb’ am Kreuze! 6. Du denkeſt ohne Schaudern nie an dieſe Wuth der Sünder; du ſprichſt: die Rache ſtrafte ſie, und ſtraft noch ihre Kinder! O Seele, denkſt du auch dabey an deine Sün- den? biſt du frey von Schuld am Tode Jeſu? 7. Sieh, welch’ ein Menſch! wie er für dich verſchmäht wird und zerſchlagen! Hör ihn, er ſpricht: ich

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/348>, abgerufen am 27.11.2024.