Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905Frau verdeckt viel, ja, alle Türen sind dann offen, und man kann fliegen, wohin man nur will, allein. - Ja, das ist eine Logik! - Also du denkst, wenn ich jetzt so, mit meiner ledernen Mappe unter dem Arm, allein, unbehütet nach Hause ginge, ich würde ganz Entsetzliches riskieren? Wenn mir aber dieses Risiko angenehm wäre, was dann, schönes Mamachen?" "Es handelt sich hier nicht um Risikos," sprach die Miß, "sondern um die gute Sitte, liebes Kind. Wir sind hier nicht in London und nicht in New York, wir sind hier in einer Provinzstadt." "Ach ja!" "Eine Stadt aus heutiger Zeit, Die 'nen Schwarm Arbeiter in die Straßen speit. Brave Leute." "Möglich. Aber von mangelhafter Bildung und nicht gewohnt, wohlerzogene Mädchen abends allein auf der Straße zu sehen." "Sie wurden mich natürlich auffressen?" "Nein, das wohl nicht, aber sie könnten Flegeleien zu hören bekommen." "Sie glauben doch nicht, Miß, daß ich ihnen nicht zu antworten wüßte, welcher Art immer diese Flegeleien auch wären." Frau verdeckt viel, ja, alle Türen sind dann offen, und man kann fliegen, wohin man nur will, allein. – Ja, das ist eine Logik! – Also du denkst, wenn ich jetzt so, mit meiner ledernen Mappe unter dem Arm, allein, unbehütet nach Hause ginge, ich würde ganz Entsetzliches riskieren? Wenn mir aber dieses Risiko angenehm wäre, was dann, schönes Mamachen?“ „Es handelt sich hier nicht um Risikos,“ sprach die Miß, „sondern um die gute Sitte, liebes Kind. Wir sind hier nicht in London und nicht in New York, wir sind hier in einer Provinzstadt.“ „Ach ja!“ „Eine Stadt aus heutiger Zeit, Die ’nen Schwarm Arbeiter in die Straßen speit. Brave Leute.“ „Möglich. Aber von mangelhafter Bildung und nicht gewohnt, wohlerzogene Mädchen abends allein auf der Straße zu sehen.“ „Sie wurden mich natürlich auffressen?“ „Nein, das wohl nicht, aber sie könnten Flegeleien zu hören bekommen.“ „Sie glauben doch nicht, Miß, daß ich ihnen nicht zu antworten wüßte, welcher Art immer diese Flegeleien auch wären.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="9"/> Frau verdeckt viel, ja, alle Türen sind dann offen, und man kann fliegen, wohin man nur will, allein. – Ja, das ist eine Logik! – Also du denkst, wenn ich jetzt so, mit meiner ledernen Mappe unter dem Arm, allein, unbehütet nach Hause ginge, ich würde ganz Entsetzliches riskieren? Wenn mir aber dieses Risiko angenehm wäre, was dann, schönes Mamachen?“</p> <p>„Es handelt sich hier nicht um Risikos,“ sprach die Miß, „sondern um die gute Sitte, liebes Kind. Wir sind hier nicht in London und nicht in New York, wir sind hier in einer Provinzstadt.“</p> <p>„Ach ja!“</p> <p>„Eine Stadt aus heutiger Zeit, Die ’nen Schwarm Arbeiter in die Straßen speit. Brave Leute.“</p> <p>„Möglich. Aber von mangelhafter Bildung und nicht gewohnt, wohlerzogene Mädchen abends allein auf der Straße zu sehen.“</p> <p>„Sie wurden mich natürlich auffressen?“</p> <p>„Nein, das wohl nicht, aber sie könnten Flegeleien zu hören bekommen.“</p> <p>„Sie glauben doch nicht, Miß, daß ich ihnen nicht zu antworten wüßte, welcher Art immer diese Flegeleien auch wären.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0010]
Frau verdeckt viel, ja, alle Türen sind dann offen, und man kann fliegen, wohin man nur will, allein. – Ja, das ist eine Logik! – Also du denkst, wenn ich jetzt so, mit meiner ledernen Mappe unter dem Arm, allein, unbehütet nach Hause ginge, ich würde ganz Entsetzliches riskieren? Wenn mir aber dieses Risiko angenehm wäre, was dann, schönes Mamachen?“
„Es handelt sich hier nicht um Risikos,“ sprach die Miß, „sondern um die gute Sitte, liebes Kind. Wir sind hier nicht in London und nicht in New York, wir sind hier in einer Provinzstadt.“
„Ach ja!“
„Eine Stadt aus heutiger Zeit, Die ’nen Schwarm Arbeiter in die Straßen speit. Brave Leute.“
„Möglich. Aber von mangelhafter Bildung und nicht gewohnt, wohlerzogene Mädchen abends allein auf der Straße zu sehen.“
„Sie wurden mich natürlich auffressen?“
„Nein, das wohl nicht, aber sie könnten Flegeleien zu hören bekommen.“
„Sie glauben doch nicht, Miß, daß ich ihnen nicht zu antworten wüßte, welcher Art immer diese Flegeleien auch wären.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |