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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Jetzt aber stand Stella vor ihr, von vorne herein siegreich durch die Macht ihrer Reize und die Zähigkeit ihres herrischen Willens. Sollte denn die grausame Stunde schon so nahe sein? Nun erklärte sie sich den schmerzlichen Schauder ihres Herzens, daß wohl den furchtbaren Schlag geahnt, der es treffen, ja vielleicht gar brechen sollte? Die junge Frau wagte nicht, die Hände an ihre Kehle zu heben, die ein plötzliches Erstickungsgefühl verkrampfte; ihre Niederlage fühlend, bewachte sie sich mit der heroischen keuschen Kraft des liebenden Weibes, das zugleich Mutterpflichten trägt und - dreißig Jahre alt ist. Sie hat nicht mehr das Recht, ihre Liebe einzugestehen. Kein Wort kam über ihre Lippen. Wenn Stella ihr wenigstens eine noch so kindische Liebe für Fred gestanden hätte! Gewiß hätte sie, die Opferfreudige, die Bitterkeit der Entsagung gern auf sich genommen, und trotzdem kam ihr ein Trost aus dem unverfrorenen Geständnis des jungen Mädchens. Kam es ihr unter diesen Umständen zu, Fred zu einer Verbindung zu nötigen, die Stella nur in einer hochmütigen Laune wünschte?

Sie wandte den Blick von dem jungen Mädchen ab, daß jetzt spielend seinen geschmeidigen Körper

Jetzt aber stand Stella vor ihr, von vorne herein siegreich durch die Macht ihrer Reize und die Zähigkeit ihres herrischen Willens. Sollte denn die grausame Stunde schon so nahe sein? Nun erklärte sie sich den schmerzlichen Schauder ihres Herzens, daß wohl den furchtbaren Schlag geahnt, der es treffen, ja vielleicht gar brechen sollte? Die junge Frau wagte nicht, die Hände an ihre Kehle zu heben, die ein plötzliches Erstickungsgefühl verkrampfte; ihre Niederlage fühlend, bewachte sie sich mit der heroischen keuschen Kraft des liebenden Weibes, das zugleich Mutterpflichten trägt und – dreißig Jahre alt ist. Sie hat nicht mehr das Recht, ihre Liebe einzugestehen. Kein Wort kam über ihre Lippen. Wenn Stella ihr wenigstens eine noch so kindische Liebe für Fred gestanden hätte! Gewiß hätte sie, die Opferfreudige, die Bitterkeit der Entsagung gern auf sich genommen, und trotzdem kam ihr ein Trost aus dem unverfrorenen Geständnis des jungen Mädchens. Kam es ihr unter diesen Umständen zu, Fred zu einer Verbindung zu nötigen, die Stella nur in einer hochmütigen Laune wünschte?

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[109/0110] Jetzt aber stand Stella vor ihr, von vorne herein siegreich durch die Macht ihrer Reize und die Zähigkeit ihres herrischen Willens. Sollte denn die grausame Stunde schon so nahe sein? Nun erklärte sie sich den schmerzlichen Schauder ihres Herzens, daß wohl den furchtbaren Schlag geahnt, der es treffen, ja vielleicht gar brechen sollte? Die junge Frau wagte nicht, die Hände an ihre Kehle zu heben, die ein plötzliches Erstickungsgefühl verkrampfte; ihre Niederlage fühlend, bewachte sie sich mit der heroischen keuschen Kraft des liebenden Weibes, das zugleich Mutterpflichten trägt und – dreißig Jahre alt ist. Sie hat nicht mehr das Recht, ihre Liebe einzugestehen. Kein Wort kam über ihre Lippen. Wenn Stella ihr wenigstens eine noch so kindische Liebe für Fred gestanden hätte! Gewiß hätte sie, die Opferfreudige, die Bitterkeit der Entsagung gern auf sich genommen, und trotzdem kam ihr ein Trost aus dem unverfrorenen Geständnis des jungen Mädchens. Kam es ihr unter diesen Umständen zu, Fred zu einer Verbindung zu nötigen, die Stella nur in einer hochmütigen Laune wünschte? Sie wandte den Blick von dem jungen Mädchen ab, daß jetzt spielend seinen geschmeidigen Körper

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/110>, abgerufen am 18.05.2024.