Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie," rief die junge Frau. "Der Verlobte deiner Freundin Alice! Bist du bei Sinnen - Stella!"

"Ein bißchen verrückt, aber sehr wenig," erwiderte schelmisch das junge Mädchen. "Fernand heiratet Alice einzig und allein ihres Geldes wegen, ich weiß es. Wenn ich ihn wollte, bin ich sicher, daß ich ihn gleich hätte und Alice wäre durchgefallen. Eigentlich wäre es ganz amüsant, ihr einen solchen Streich zu spielen."

"Stella! Du könntest ihr ruhig den Verlobten wegnehmen?"

"Die Freundschaft, Mira, ist wie die Liebe: eine kleine Zerstreuung, die mit den ernsten Lebensfragen nichts zu schaffen hat. Fernand ist eine gute Partie und ein schöner, junger Mann. Ich mag ihn weniger gerne zum Manne haben, als Fred, aber er mißfällt mir durchaus nicht und ich prophezeihe dir, wenn ich auf einer Seite durchfliege, so gelingt's mir auf der andern."

"Man kann dich nicht anhören, Stella."

"Ja, ich weiß, du hast deine Ideen. Ich aber habe die meinen, die ich für besser halte. Siehst du, das ist das Gesetz dieser Welt: Sein Glück fassen,

„Wie,“ rief die junge Frau. „Der Verlobte deiner Freundin Alice! Bist du bei Sinnen – Stella!“

„Ein bißchen verrückt, aber sehr wenig,“ erwiderte schelmisch das junge Mädchen. „Fernand heiratet Alice einzig und allein ihres Geldes wegen, ich weiß es. Wenn ich ihn wollte, bin ich sicher, daß ich ihn gleich hätte und Alice wäre durchgefallen. Eigentlich wäre es ganz amüsant, ihr einen solchen Streich zu spielen.“

„Stella! Du könntest ihr ruhig den Verlobten wegnehmen?“

„Die Freundschaft, Mira, ist wie die Liebe: eine kleine Zerstreuung, die mit den ernsten Lebensfragen nichts zu schaffen hat. Fernand ist eine gute Partie und ein schöner, junger Mann. Ich mag ihn weniger gerne zum Manne haben, als Fred, aber er mißfällt mir durchaus nicht und ich prophezeihe dir, wenn ich auf einer Seite durchfliege, so gelingt’s mir auf der andern.“

„Man kann dich nicht anhören, Stella.“

„Ja, ich weiß, du hast deine Ideen. Ich aber habe die meinen, die ich für besser halte. Siehst du, das ist das Gesetz dieser Welt: Sein Glück fassen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0128" n="127"/>
        <p>&#x201E;Wie,&#x201C; rief die junge Frau. &#x201E;Der Verlobte deiner Freundin Alice! Bist du bei Sinnen &#x2013; Stella!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ein bißchen verrückt, aber sehr wenig,&#x201C; erwiderte schelmisch das junge Mädchen. &#x201E;Fernand heiratet Alice einzig und allein ihres Geldes wegen, ich weiß es. Wenn ich ihn wollte, bin ich sicher, daß ich ihn gleich hätte und Alice wäre durchgefallen. Eigentlich wäre es ganz amüsant, ihr einen solchen Streich zu spielen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Stella! Du könntest ihr ruhig den Verlobten wegnehmen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Die Freundschaft, Mira, ist wie die Liebe: eine kleine Zerstreuung, die mit den ernsten Lebensfragen nichts zu schaffen hat. Fernand ist eine gute Partie und ein schöner, junger Mann. Ich mag ihn weniger gerne zum Manne haben, als Fred, aber er mißfällt mir durchaus nicht und ich prophezeihe dir, wenn ich auf einer Seite durchfliege, so gelingt&#x2019;s mir auf der andern.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Man kann dich nicht anhören, Stella.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, ich weiß, du hast deine Ideen. Ich aber habe die meinen, die ich für besser halte. Siehst du, das ist das Gesetz dieser Welt: Sein Glück fassen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0128] „Wie,“ rief die junge Frau. „Der Verlobte deiner Freundin Alice! Bist du bei Sinnen – Stella!“ „Ein bißchen verrückt, aber sehr wenig,“ erwiderte schelmisch das junge Mädchen. „Fernand heiratet Alice einzig und allein ihres Geldes wegen, ich weiß es. Wenn ich ihn wollte, bin ich sicher, daß ich ihn gleich hätte und Alice wäre durchgefallen. Eigentlich wäre es ganz amüsant, ihr einen solchen Streich zu spielen.“ „Stella! Du könntest ihr ruhig den Verlobten wegnehmen?“ „Die Freundschaft, Mira, ist wie die Liebe: eine kleine Zerstreuung, die mit den ernsten Lebensfragen nichts zu schaffen hat. Fernand ist eine gute Partie und ein schöner, junger Mann. Ich mag ihn weniger gerne zum Manne haben, als Fred, aber er mißfällt mir durchaus nicht und ich prophezeihe dir, wenn ich auf einer Seite durchfliege, so gelingt’s mir auf der andern.“ „Man kann dich nicht anhören, Stella.“ „Ja, ich weiß, du hast deine Ideen. Ich aber habe die meinen, die ich für besser halte. Siehst du, das ist das Gesetz dieser Welt: Sein Glück fassen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/128
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/128>, abgerufen am 23.11.2024.