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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Seele, wenn Sie nicht eines Tages dem Schmerze begegnen werden, der die nüchterne Härte Ihres Herzens brechen wird, um daraus die unendliche Quelle einziger Glückseligkeit sprudeln zu lassen."

"Ich danke Ihnen, Miß," erwiderte das junge Mädchen kalt; "aber ich hoffe niemals dem Hammer zu begegnen, der auf diesen Felsen schlagen wird."

Und das junge Mädchen berührte mit leichtem Finger die Stelle, wo ihr Herz schlief.

Sie verblieben einen Augenblick in Schweigen, um den inneren Tumult ihrer heftig erregten, aufgewirbelten Gedanken sich beruhigen zu lassen, wie im Kielwasser eines Schiffes die Wogen sich türmen und glätten. Sie wechselten noch gleichgültige Worte, um die Zeit auszufüllen und der Verlegenheit einer vollen Verstummung auszuweichen. Die Miß versuchte, ostentativ ein Heft der englischen Schularbeiten durchzublättern: aber Stella wendete das Haupt zur Uhr, die von dem sentimentalen Museum der Nippsachen auf dem Kamin umgeben war.

Die Miß sagte:

"Sie wissen ganz gut, daß ich zu früh komme. Aber einerlei, gehen wir."

Seele, wenn Sie nicht eines Tages dem Schmerze begegnen werden, der die nüchterne Härte Ihres Herzens brechen wird, um daraus die unendliche Quelle einziger Glückseligkeit sprudeln zu lassen.“

„Ich danke Ihnen, Miß,“ erwiderte das junge Mädchen kalt; „aber ich hoffe niemals dem Hammer zu begegnen, der auf diesen Felsen schlagen wird.“

Und das junge Mädchen berührte mit leichtem Finger die Stelle, wo ihr Herz schlief.

Sie verblieben einen Augenblick in Schweigen, um den inneren Tumult ihrer heftig erregten, aufgewirbelten Gedanken sich beruhigen zu lassen, wie im Kielwasser eines Schiffes die Wogen sich türmen und glätten. Sie wechselten noch gleichgültige Worte, um die Zeit auszufüllen und der Verlegenheit einer vollen Verstummung auszuweichen. Die Miß versuchte, ostentativ ein Heft der englischen Schularbeiten durchzublättern: aber Stella wendete das Haupt zur Uhr, die von dem sentimentalen Museum der Nippsachen auf dem Kamin umgeben war.

Die Miß sagte:

„Sie wissen ganz gut, daß ich zu früh komme. Aber einerlei, gehen wir.“

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[160/0161] Seele, wenn Sie nicht eines Tages dem Schmerze begegnen werden, der die nüchterne Härte Ihres Herzens brechen wird, um daraus die unendliche Quelle einziger Glückseligkeit sprudeln zu lassen.“ „Ich danke Ihnen, Miß,“ erwiderte das junge Mädchen kalt; „aber ich hoffe niemals dem Hammer zu begegnen, der auf diesen Felsen schlagen wird.“ Und das junge Mädchen berührte mit leichtem Finger die Stelle, wo ihr Herz schlief. Sie verblieben einen Augenblick in Schweigen, um den inneren Tumult ihrer heftig erregten, aufgewirbelten Gedanken sich beruhigen zu lassen, wie im Kielwasser eines Schiffes die Wogen sich türmen und glätten. Sie wechselten noch gleichgültige Worte, um die Zeit auszufüllen und der Verlegenheit einer vollen Verstummung auszuweichen. Die Miß versuchte, ostentativ ein Heft der englischen Schularbeiten durchzublättern: aber Stella wendete das Haupt zur Uhr, die von dem sentimentalen Museum der Nippsachen auf dem Kamin umgeben war. Die Miß sagte: „Sie wissen ganz gut, daß ich zu früh komme. Aber einerlei, gehen wir.“

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/161>, abgerufen am 24.11.2024.