Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

Weinen Miras nicht zu hören. Manchmal war es ihm, als ob der stoßweise Atem der unglücklichen Frau bis zu ihm hindrang und ihn streifte und seine Augen füllten sich mit Tränen.

Als der Geistliche die Hand Stellas in die seine gelegt hatte, vergaß er alles. In der Sakristei blieb die junge Frau zurück und begleitete Fred mit einem letzten Blick.

Von Miß unterstützt, von den Gästen umringt zeigte sie sich gerührt, ohne ihren inneren Schmerz zu zeigen. Als sie ermüdete, unterbrach Miß die Gespräche und antwortete für sie.

Indessen erfüllte Stella mit viel Anmut ihre gesellschaftlichen Pflichten als Neuvermählte. Vollkommen in Allem, traf sie den richtigen Ton, und blieb vertraulich und heiter mit ihren jungen Freundinnen, mit denen sie ihre Herzensergüsse austauschte.

"Ihr werdet auch an die Reihe kommen, meine Kleinen," sagte sie "und ich werde euch helfen. Ihr werdet schon sehen! Wenn ich erst wieder zurückkomme ... aber erst müßt ihr mich abreisen lassen. Ich muß doch jetzt den Schleier ablegen, der mich überall zieht und spannt! Sehe ich nicht dumm aus, was?"

Weinen Miras nicht zu hören. Manchmal war es ihm, als ob der stoßweise Atem der unglücklichen Frau bis zu ihm hindrang und ihn streifte und seine Augen füllten sich mit Tränen.

Als der Geistliche die Hand Stellas in die seine gelegt hatte, vergaß er alles. In der Sakristei blieb die junge Frau zurück und begleitete Fred mit einem letzten Blick.

Von Miß unterstützt, von den Gästen umringt zeigte sie sich gerührt, ohne ihren inneren Schmerz zu zeigen. Als sie ermüdete, unterbrach Miß die Gespräche und antwortete für sie.

Indessen erfüllte Stella mit viel Anmut ihre gesellschaftlichen Pflichten als Neuvermählte. Vollkommen in Allem, traf sie den richtigen Ton, und blieb vertraulich und heiter mit ihren jungen Freundinnen, mit denen sie ihre Herzensergüsse austauschte.

„Ihr werdet auch an die Reihe kommen, meine Kleinen,“ sagte sie „und ich werde euch helfen. Ihr werdet schon sehen! Wenn ich erst wieder zurückkomme … aber erst müßt ihr mich abreisen lassen. Ich muß doch jetzt den Schleier ablegen, der mich überall zieht und spannt! Sehe ich nicht dumm aus, was?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="207"/>
Weinen Miras nicht zu hören. Manchmal war es ihm, als ob der stoßweise Atem der unglücklichen Frau bis zu ihm hindrang und ihn streifte und seine Augen füllten sich mit Tränen.</p>
        <p>Als der Geistliche die Hand Stellas in die seine gelegt hatte, vergaß er alles. In der Sakristei blieb die junge Frau zurück und begleitete Fred mit einem letzten Blick.</p>
        <p>Von Miß unterstützt, von den Gästen umringt zeigte sie sich gerührt, ohne ihren inneren Schmerz zu zeigen. Als sie ermüdete, unterbrach Miß die Gespräche und antwortete für sie.</p>
        <p>Indessen erfüllte Stella mit viel Anmut ihre gesellschaftlichen Pflichten als Neuvermählte. Vollkommen in Allem, traf sie den richtigen Ton, und blieb vertraulich und heiter mit ihren jungen Freundinnen, mit denen sie ihre Herzensergüsse austauschte.</p>
        <p>&#x201E;Ihr werdet auch an die Reihe kommen, meine Kleinen,&#x201C; sagte sie &#x201E;und ich werde euch helfen. Ihr werdet schon sehen! Wenn ich erst wieder zurückkomme &#x2026; aber erst müßt ihr mich abreisen lassen. Ich muß doch jetzt den Schleier ablegen, der mich überall zieht und spannt! Sehe ich nicht dumm aus, was?&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0208] Weinen Miras nicht zu hören. Manchmal war es ihm, als ob der stoßweise Atem der unglücklichen Frau bis zu ihm hindrang und ihn streifte und seine Augen füllten sich mit Tränen. Als der Geistliche die Hand Stellas in die seine gelegt hatte, vergaß er alles. In der Sakristei blieb die junge Frau zurück und begleitete Fred mit einem letzten Blick. Von Miß unterstützt, von den Gästen umringt zeigte sie sich gerührt, ohne ihren inneren Schmerz zu zeigen. Als sie ermüdete, unterbrach Miß die Gespräche und antwortete für sie. Indessen erfüllte Stella mit viel Anmut ihre gesellschaftlichen Pflichten als Neuvermählte. Vollkommen in Allem, traf sie den richtigen Ton, und blieb vertraulich und heiter mit ihren jungen Freundinnen, mit denen sie ihre Herzensergüsse austauschte. „Ihr werdet auch an die Reihe kommen, meine Kleinen,“ sagte sie „und ich werde euch helfen. Ihr werdet schon sehen! Wenn ich erst wieder zurückkomme … aber erst müßt ihr mich abreisen lassen. Ich muß doch jetzt den Schleier ablegen, der mich überall zieht und spannt! Sehe ich nicht dumm aus, was?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/208
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/208>, abgerufen am 18.05.2024.