Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905"Ja, jetzt, wo ich habe, was ich will. Aber seien Sie ruhig, niemand wird davon erfahren. Ich bitte Sie sogar, Mama nicht zu sagen, daß ich Sie an dieser Tür getroffen habe. Sie hat mir verboten, mich hier herumzutreiben. Denken Sie nur, wenn man mich sähe! Denn es scheint, daß ich auf dem Dreirad unanständig ausschaue. Finden Sie auch?" Er stotterte: "Nein, nein, - ich glaube nicht." "Aber sicher sind Sie nicht? Warten Sie." Sie sprang auf, eilte auf ihre Maschine zu und bestieg sie, ohne Bedenken ihren Rock zwischen die Beine klemmend. Mit einem Ruck des Kopfes warf sie ihre Haare zurück, stellte sich seitlich von ihm auf, vorgebeugt, die Arme gestreckt: "Es spießt sich nichts? Was? Also, guten Abend! Ich fahre. Nichts der Mama sagen? Abgemacht?" Er bejahte mit einem Kopfnicken. Sie fuhr dahin, anfangs langsam, dann, als sie sich in einiger Entfernung befand, wandte sie sich um, legte, um ihn an sein Versprechen zu erinnern flüchtig die Finger auf die schelmischen Lippen, sodaß es weniger der Bitte um Verschwiegenheit, als einem „Ja, jetzt, wo ich habe, was ich will. Aber seien Sie ruhig, niemand wird davon erfahren. Ich bitte Sie sogar, Mama nicht zu sagen, daß ich Sie an dieser Tür getroffen habe. Sie hat mir verboten, mich hier herumzutreiben. Denken Sie nur, wenn man mich sähe! Denn es scheint, daß ich auf dem Dreirad unanständig ausschaue. Finden Sie auch?“ Er stotterte: „Nein, nein, – ich glaube nicht.“ „Aber sicher sind Sie nicht? Warten Sie.“ Sie sprang auf, eilte auf ihre Maschine zu und bestieg sie, ohne Bedenken ihren Rock zwischen die Beine klemmend. Mit einem Ruck des Kopfes warf sie ihre Haare zurück, stellte sich seitlich von ihm auf, vorgebeugt, die Arme gestreckt: „Es spießt sich nichts? Was? Also, guten Abend! Ich fahre. Nichts der Mama sagen? Abgemacht?“ Er bejahte mit einem Kopfnicken. Sie fuhr dahin, anfangs langsam, dann, als sie sich in einiger Entfernung befand, wandte sie sich um, legte, um ihn an sein Versprechen zu erinnern flüchtig die Finger auf die schelmischen Lippen, sodaß es weniger der Bitte um Verschwiegenheit, als einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0050" n="49"/> <p>„Ja, jetzt, wo ich habe, was ich will. Aber seien Sie ruhig, niemand wird davon erfahren. Ich bitte Sie sogar, Mama nicht zu sagen, daß ich Sie an dieser Tür getroffen habe. Sie hat mir verboten, mich hier herumzutreiben. Denken Sie nur, wenn man mich sähe! Denn es scheint, daß ich auf dem Dreirad unanständig ausschaue. Finden Sie auch?“</p> <p>Er stotterte:</p> <p>„Nein, nein, – ich glaube nicht.“</p> <p>„Aber sicher sind Sie nicht? Warten Sie.“ Sie sprang auf, eilte auf ihre Maschine zu und bestieg sie, ohne Bedenken ihren Rock zwischen die Beine klemmend. Mit einem Ruck des Kopfes warf sie ihre Haare zurück, stellte sich seitlich von ihm auf, vorgebeugt, die Arme gestreckt:</p> <p>„Es spießt sich nichts? Was? Also, guten Abend! Ich fahre. Nichts der Mama sagen? Abgemacht?“</p> <p>Er bejahte mit einem Kopfnicken.</p> <p>Sie fuhr dahin, anfangs langsam, dann, als sie sich in einiger Entfernung befand, wandte sie sich um, legte, um ihn an sein Versprechen zu erinnern flüchtig die Finger auf die schelmischen Lippen, sodaß es weniger der Bitte um Verschwiegenheit, als einem </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0050]
„Ja, jetzt, wo ich habe, was ich will. Aber seien Sie ruhig, niemand wird davon erfahren. Ich bitte Sie sogar, Mama nicht zu sagen, daß ich Sie an dieser Tür getroffen habe. Sie hat mir verboten, mich hier herumzutreiben. Denken Sie nur, wenn man mich sähe! Denn es scheint, daß ich auf dem Dreirad unanständig ausschaue. Finden Sie auch?“
Er stotterte:
„Nein, nein, – ich glaube nicht.“
„Aber sicher sind Sie nicht? Warten Sie.“ Sie sprang auf, eilte auf ihre Maschine zu und bestieg sie, ohne Bedenken ihren Rock zwischen die Beine klemmend. Mit einem Ruck des Kopfes warf sie ihre Haare zurück, stellte sich seitlich von ihm auf, vorgebeugt, die Arme gestreckt:
„Es spießt sich nichts? Was? Also, guten Abend! Ich fahre. Nichts der Mama sagen? Abgemacht?“
Er bejahte mit einem Kopfnicken.
Sie fuhr dahin, anfangs langsam, dann, als sie sich in einiger Entfernung befand, wandte sie sich um, legte, um ihn an sein Versprechen zu erinnern flüchtig die Finger auf die schelmischen Lippen, sodaß es weniger der Bitte um Verschwiegenheit, als einem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |