Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905Genüssen herabsinken. Wenn ich glücklich gewesen wäre, glücklich, wie der Erstbeste, hätte ich ein geliebtes Weib an der Seite, dann würde ich die Sehnsucht meines Herzens in Umarmungen sättigen, die erschöpfen, aber neu beleben. Meinen Durst würde ich an Lippen stillen, mir dargeboten wie ein geheimnisvoller Kelch, und vergehen würde ich in der göttlichen Extase zeugenden Besitzes. Ich würde befruchten, wie die Erde befruchtet in dieser Frühlingsnacht - - - Und morgen - - da würde ich freien Geistes, stark in dem Bewußtsein betätigter männlicher Kraft, an meine künstlerische Arbeit eilen. Jetzt kann ich nichts, ich bin tot, ich bin wahnsinnig. Sobald ich meinen vergebens angeregten Nerven freien Flug lasse, zerstören abgerissene Akkorde den kaum erfaßten Rhytmus und jagen einander, wie dämonische Reiter aus irgend einer schändlichen Walpurgisnacht. Verloren!! - Verloren!! - Oder wie? Mira nicht mehr lieben? Aber ihre Schönheit allein erschüttert mich. Sie wagt es, sich alt zu nennen! Und sie ist doch so schön, so anbetungswürdig schön. Ihr Blick - ihr Lächeln! - Sähe ich nicht immer die Erhabenheit ihres Herzens hinter dem Welken ihres Körpers? Sie vermag zu lieben, sie allein, so wie ich die Liebe Genüssen herabsinken. Wenn ich glücklich gewesen wäre, glücklich, wie der Erstbeste, hätte ich ein geliebtes Weib an der Seite, dann würde ich die Sehnsucht meines Herzens in Umarmungen sättigen, die erschöpfen, aber neu beleben. Meinen Durst würde ich an Lippen stillen, mir dargeboten wie ein geheimnisvoller Kelch, und vergehen würde ich in der göttlichen Extase zeugenden Besitzes. Ich würde befruchten, wie die Erde befruchtet in dieser Frühlingsnacht – – – Und morgen – – da würde ich freien Geistes, stark in dem Bewußtsein betätigter männlicher Kraft, an meine künstlerische Arbeit eilen. Jetzt kann ich nichts, ich bin tot, ich bin wahnsinnig. Sobald ich meinen vergebens angeregten Nerven freien Flug lasse, zerstören abgerissene Akkorde den kaum erfaßten Rhytmus und jagen einander, wie dämonische Reiter aus irgend einer schändlichen Walpurgisnacht. Verloren!! – Verloren!! – Oder wie? Mira nicht mehr lieben? Aber ihre Schönheit allein erschüttert mich. Sie wagt es, sich alt zu nennen! Und sie ist doch so schön, so anbetungswürdig schön. Ihr Blick – ihr Lächeln! – Sähe ich nicht immer die Erhabenheit ihres Herzens hinter dem Welken ihres Körpers? Sie vermag zu lieben, sie allein, so wie ich die Liebe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="65"/> Genüssen herabsinken. Wenn ich glücklich gewesen wäre, glücklich, wie der Erstbeste, hätte ich ein geliebtes Weib an der Seite, dann würde ich die Sehnsucht meines Herzens in Umarmungen sättigen, die erschöpfen, aber neu beleben. Meinen Durst würde ich an Lippen stillen, mir dargeboten wie ein geheimnisvoller Kelch, und vergehen würde ich in der göttlichen Extase zeugenden Besitzes. Ich würde befruchten, wie die Erde befruchtet in dieser Frühlingsnacht – – – Und morgen – – da würde ich freien Geistes, stark in dem Bewußtsein betätigter männlicher Kraft, an meine künstlerische Arbeit eilen. Jetzt kann ich nichts, ich bin tot, ich bin wahnsinnig. Sobald ich meinen vergebens angeregten Nerven freien Flug lasse, zerstören abgerissene Akkorde den kaum erfaßten Rhytmus und jagen einander, wie dämonische Reiter aus irgend einer schändlichen Walpurgisnacht. Verloren!! – Verloren!! – Oder wie? Mira nicht mehr lieben? Aber ihre Schönheit allein erschüttert mich. Sie wagt es, sich alt zu nennen! Und sie ist doch so schön, so anbetungswürdig schön. Ihr Blick – ihr Lächeln! – Sähe ich nicht immer die Erhabenheit ihres Herzens hinter dem Welken ihres Körpers? Sie vermag zu lieben, sie allein, so wie ich die Liebe </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0066]
Genüssen herabsinken. Wenn ich glücklich gewesen wäre, glücklich, wie der Erstbeste, hätte ich ein geliebtes Weib an der Seite, dann würde ich die Sehnsucht meines Herzens in Umarmungen sättigen, die erschöpfen, aber neu beleben. Meinen Durst würde ich an Lippen stillen, mir dargeboten wie ein geheimnisvoller Kelch, und vergehen würde ich in der göttlichen Extase zeugenden Besitzes. Ich würde befruchten, wie die Erde befruchtet in dieser Frühlingsnacht – – – Und morgen – – da würde ich freien Geistes, stark in dem Bewußtsein betätigter männlicher Kraft, an meine künstlerische Arbeit eilen. Jetzt kann ich nichts, ich bin tot, ich bin wahnsinnig. Sobald ich meinen vergebens angeregten Nerven freien Flug lasse, zerstören abgerissene Akkorde den kaum erfaßten Rhytmus und jagen einander, wie dämonische Reiter aus irgend einer schändlichen Walpurgisnacht. Verloren!! – Verloren!! – Oder wie? Mira nicht mehr lieben? Aber ihre Schönheit allein erschüttert mich. Sie wagt es, sich alt zu nennen! Und sie ist doch so schön, so anbetungswürdig schön. Ihr Blick – ihr Lächeln! – Sähe ich nicht immer die Erhabenheit ihres Herzens hinter dem Welken ihres Körpers? Sie vermag zu lieben, sie allein, so wie ich die Liebe
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