Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.Von denen Hindernissen der Vermehrung durch allmählich geschiehet, was durch eine heftigePest in kürtzerer Zeit geschehen würde. Ich bemer- cke noch hierbey daß London nicht allezeit so schädlich gewesen sey. Seit 1640. hat solches erst recht an- gefangen, indem von 1604. bis dahin der gebohr- nen etwas mehr gewesen als der ordentlich verstor- benen, wenn man nemlich die durch die Pest hinweg genommene, wie billig, davon abziehet. Seit dem aber die ordentliche Sterbe-Zahl mehr als 10 tausend be- tragen, und Londen angefangen mit Gewalt grösser und volckreicher zu werden, so sind auch der gestorbe- nen allezeit mehr gewesen. Es scheinet, man könne hieraus folgern daß London zwar eine Zierde des Lan- des, aber auch zugleich eine Pest und Ruin der Ein- wohner desselben. Hier würde weiter folgen daß es nicht rathsam sey eine Stadt gar zu groß und zu volck- reich zu machen, und daß es zuträglicher sey, viele mittelmäßige, aber volckreiche und wohlhabende Städte, als ein solches Ungeheuer, zu haben. Es ist auch solches von verständigen Engelländern genug ein- gesehen und beklaget. Der politische Schade ist so groß als der natürliche. London, schrieb Davenant im Jahr 1698. [i] hat seit 40. Jahren alles Volck, Reichthümer und Handel an sich gezogen. Engellands Vermögen war vorher besser im gantzen Lande vertheilet, der Adel lebte auf seinen Gütern, die Land-Städte waren volckreich, die See-Städte hatten guten Handel. Jetzt aber ist alles Geblüt in London als im Hertzen zusammen gepresset und die andern Glieder leiden darunter erschröcklich, weil es ihnen [i] Discourses on the publick revenues and on the Trade
of England by the author of the essay on ways and means. London 1698. Vol. I. p. 49. Von denen Hinderniſſen der Vermehrung durch allmaͤhlich geſchiehet, was durch eine heftigePeſt in kuͤrtzerer Zeit geſchehen wuͤrde. Ich bemer- cke noch hierbey daß London nicht allezeit ſo ſchaͤdlich geweſen ſey. Seit 1640. hat ſolches erſt recht an- gefangen, indem von 1604. bis dahin der gebohr- nen etwas mehr geweſen als der ordentlich verſtor- benen, wenn man nemlich die durch die Peſt hinweg genom̃ene, wie billig, davon abziehet. Seit dem aber die ordentliche Sterbe-Zahl mehr als 10 tauſend be- tragen, und Londen angefangen mit Gewalt groͤſſer und volckreicher zu werden, ſo ſind auch der geſtorbe- nen allezeit mehr geweſen. Es ſcheinet, man koͤnne hieraus folgern daß London zwar eine Zierde des Lan- des, aber auch zugleich eine Peſt und Ruin der Ein- wohner deſſelben. Hier wuͤrde weiter folgen daß es nicht rathſam ſey eine Stadt gar zu groß und zu volck- reich zu machen, und daß es zutraͤglicher ſey, viele mittelmaͤßige, aber volckreiche und wohlhabende Staͤdte, als ein ſolches Ungeheuer, zu haben. Es iſt auch ſolches von verſtaͤndigen Engellaͤndern genug ein- geſehen und beklaget. Der politiſche Schade iſt ſo groß als der natuͤrliche. London, ſchrieb Davenant im Jahr 1698. [i] hat ſeit 40. Jahren alles Volck, Reichthuͤmer und Handel an ſich gezogen. Engellands Vermoͤgen war vorher beſſer im gantzen Lande vertheilet, der Adel lebte auf ſeinen Guͤtern, die Land-Staͤdte waren volckreich, die See-Staͤdte hatten guten Handel. Jetzt aber iſt alles Gebluͤt in London als im Hertzen zuſammen gepreſſet und die andern Glieder leiden darunter erſchroͤcklich, weil es ihnen [i] Diſcourſes on the publick revenues and on the Trade
of England by the author of the eſſay on ways and means. London 1698. Vol. I. p. 49. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0100" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von denen Hinderniſſen der Vermehrung</hi></fw><lb/> durch allmaͤhlich geſchiehet, was durch eine heftige<lb/> Peſt in kuͤrtzerer Zeit geſchehen wuͤrde. Ich bemer-<lb/> cke noch hierbey daß London nicht allezeit ſo ſchaͤdlich<lb/> geweſen ſey. Seit 1640. hat ſolches erſt recht an-<lb/> gefangen, indem von 1604. bis dahin der gebohr-<lb/> nen etwas mehr geweſen als der ordentlich verſtor-<lb/> benen, wenn man nemlich die durch die Peſt hinweg<lb/> genom̃ene, wie billig, davon abziehet. Seit dem aber<lb/> die ordentliche Sterbe-Zahl mehr als 10 tauſend be-<lb/> tragen, und Londen angefangen mit Gewalt groͤſſer<lb/> und volckreicher zu werden, ſo ſind auch der geſtorbe-<lb/> nen allezeit mehr geweſen. Es ſcheinet, man koͤnne<lb/> hieraus folgern daß London zwar eine Zierde des Lan-<lb/> des, aber auch zugleich eine Peſt und Ruin der Ein-<lb/> wohner deſſelben. Hier wuͤrde weiter folgen daß es<lb/> nicht rathſam ſey eine Stadt gar zu groß und zu volck-<lb/> reich zu machen, und daß es zutraͤglicher ſey, viele<lb/> mittelmaͤßige, aber volckreiche und wohlhabende<lb/> Staͤdte, als ein ſolches Ungeheuer, zu haben. Es iſt<lb/> auch ſolches von verſtaͤndigen Engellaͤndern genug ein-<lb/> geſehen und beklaget. Der politiſche Schade iſt ſo<lb/> groß als der natuͤrliche. London, ſchrieb Davenant<lb/> im Jahr 1698. <note place="foot" n="[i]"><hi rendition="#aq">Diſcourſes on the publick revenues and on the Trade<lb/> of England by the author of the eſſay on ways and means.<lb/> London 1698. Vol. I. p.</hi> 49.</note> hat ſeit 40. Jahren alles<lb/> Volck, Reichthuͤmer und Handel an ſich gezogen.<lb/> Engellands Vermoͤgen war vorher beſſer im gantzen<lb/> Lande vertheilet, der Adel lebte auf ſeinen Guͤtern,<lb/> die Land-Staͤdte waren volckreich, die See-Staͤdte<lb/> hatten guten Handel. Jetzt aber iſt alles Gebluͤt in<lb/> London als im Hertzen zuſammen gepreſſet und die<lb/> andern Glieder leiden darunter erſchroͤcklich, weil es<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ihnen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0100]
Von denen Hinderniſſen der Vermehrung
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Peſt in kuͤrtzerer Zeit geſchehen wuͤrde. Ich bemer-
cke noch hierbey daß London nicht allezeit ſo ſchaͤdlich
geweſen ſey. Seit 1640. hat ſolches erſt recht an-
gefangen, indem von 1604. bis dahin der gebohr-
nen etwas mehr geweſen als der ordentlich verſtor-
benen, wenn man nemlich die durch die Peſt hinweg
genom̃ene, wie billig, davon abziehet. Seit dem aber
die ordentliche Sterbe-Zahl mehr als 10 tauſend be-
tragen, und Londen angefangen mit Gewalt groͤſſer
und volckreicher zu werden, ſo ſind auch der geſtorbe-
nen allezeit mehr geweſen. Es ſcheinet, man koͤnne
hieraus folgern daß London zwar eine Zierde des Lan-
des, aber auch zugleich eine Peſt und Ruin der Ein-
wohner deſſelben. Hier wuͤrde weiter folgen daß es
nicht rathſam ſey eine Stadt gar zu groß und zu volck-
reich zu machen, und daß es zutraͤglicher ſey, viele
mittelmaͤßige, aber volckreiche und wohlhabende
Staͤdte, als ein ſolches Ungeheuer, zu haben. Es iſt
auch ſolches von verſtaͤndigen Engellaͤndern genug ein-
geſehen und beklaget. Der politiſche Schade iſt ſo
groß als der natuͤrliche. London, ſchrieb Davenant
im Jahr 1698. [i] hat ſeit 40. Jahren alles
Volck, Reichthuͤmer und Handel an ſich gezogen.
Engellands Vermoͤgen war vorher beſſer im gantzen
Lande vertheilet, der Adel lebte auf ſeinen Guͤtern,
die Land-Staͤdte waren volckreich, die See-Staͤdte
hatten guten Handel. Jetzt aber iſt alles Gebluͤt in
London als im Hertzen zuſammen gepreſſet und die
andern Glieder leiden darunter erſchroͤcklich, weil es
ihnen
[i] Diſcourſes on the publick revenues and on the Trade
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London 1698. Vol. I. p. 49.
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