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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Gebrauch der Todten-Listen
ben zur genauern Untersuchung. Unterdeß hindert
die Unvollkommenheit nicht, daß man nicht hätte
sollen einige Vergleichungen entlegener Oerter und
Städte anstellen können.

Man kan aber billig fragen, warum man sich
der sterbenden, nicht aber der gebohrnen hiezu bedie-
ne? Ohnerachtet ich nicht weiß ob jemand hierauf
geantwortet, so dünckt mich doch daß denen sterben-
den hierinn der Vorzug zu geben, und daß man was
accurateres dadurch bekomme. Denn 1.) von der
Zahl der gebohrnen läßt sich nicht unmittelbahr auf
alle Menschen, sondern ich kan nur auf die frucht-
bahre Ehen schliessen. Die Ehen aber haben zu de-
nen überhaupt lebenden eine sehr verschiedene Ver-
hältniß. Z. E. in Paris und Wien sind viel Clö-
ster, in London aber nicht. In einem Lande finden
sich mehr, in einem andern wenigere Hindernisse zu
heyrathen. 2.) Der Tod hingegen trifft alle Alter
und Geschlechte, und läßt sich daher eher von ster-
benden auf die lebenden schliessen. Es ist wahr, daß
dort ebenfals mehr verheyrathete und gebohrne kom-
men müssen, wo mehr Menschen, wie solches aus
denen Tabellen von unserm Lande zu erkennen,
wo der Wachsthum der gebohrnen mit denen ster-
benden allmählich sortgehet: allein aus angegebe-
ner Ursach scheinet die Sache mehrerer Ungewißheit
unterworffen zu seyn.

§. 103.

Graunt ist, so viel ich weiß, der erste gewesen,
der hierauf gedacht. Er muthmaasset, wiewohl sei-
ne Muthmaassungen eben nicht die sichersten, daß
auf dem Lande unter 50 lebenden jährlich einer,

oder

Gebrauch der Todten-Liſten
ben zur genauern Unterſuchung. Unterdeß hindert
die Unvollkommenheit nicht, daß man nicht haͤtte
ſollen einige Vergleichungen entlegener Oerter und
Staͤdte anſtellen koͤnnen.

Man kan aber billig fragen, warum man ſich
der ſterbenden, nicht aber der gebohrnen hiezu bedie-
ne? Ohnerachtet ich nicht weiß ob jemand hierauf
geantwortet, ſo duͤnckt mich doch daß denen ſterben-
den hierinn der Vorzug zu geben, und daß man was
accurateres dadurch bekomme. Denn 1.) von der
Zahl der gebohrnen laͤßt ſich nicht unmittelbahr auf
alle Menſchen, ſondern ich kan nur auf die frucht-
bahre Ehen ſchlieſſen. Die Ehen aber haben zu de-
nen uͤberhaupt lebenden eine ſehr verſchiedene Ver-
haͤltniß. Z. E. in Paris und Wien ſind viel Cloͤ-
ſter, in London aber nicht. In einem Lande finden
ſich mehr, in einem andern wenigere Hinderniſſe zu
heyrathen. 2.) Der Tod hingegen trifft alle Alter
und Geſchlechte, und laͤßt ſich daher eher von ſter-
benden auf die lebenden ſchlieſſen. Es iſt wahr, daß
dort ebenfals mehr verheyrathete und gebohrne kom-
men muͤſſen, wo mehr Menſchen, wie ſolches aus
denen Tabellen von unſerm Lande zu erkennen,
wo der Wachsthum der gebohrnen mit denen ſter-
benden allmaͤhlich ſortgehet: allein aus angegebe-
ner Urſach ſcheinet die Sache mehrerer Ungewißheit
unterworffen zu ſeyn.

§. 103.

Graunt iſt, ſo viel ich weiß, der erſte geweſen,
der hierauf gedacht. Er muthmaaſſet, wiewohl ſei-
ne Muthmaaſſungen eben nicht die ſicherſten, daß
auf dem Lande unter 50 lebenden jaͤhrlich einer,

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[310/0358] Gebrauch der Todten-Liſten ben zur genauern Unterſuchung. Unterdeß hindert die Unvollkommenheit nicht, daß man nicht haͤtte ſollen einige Vergleichungen entlegener Oerter und Staͤdte anſtellen koͤnnen. Man kan aber billig fragen, warum man ſich der ſterbenden, nicht aber der gebohrnen hiezu bedie- ne? Ohnerachtet ich nicht weiß ob jemand hierauf geantwortet, ſo duͤnckt mich doch daß denen ſterben- den hierinn der Vorzug zu geben, und daß man was accurateres dadurch bekomme. Denn 1.) von der Zahl der gebohrnen laͤßt ſich nicht unmittelbahr auf alle Menſchen, ſondern ich kan nur auf die frucht- bahre Ehen ſchlieſſen. Die Ehen aber haben zu de- nen uͤberhaupt lebenden eine ſehr verſchiedene Ver- haͤltniß. Z. E. in Paris und Wien ſind viel Cloͤ- ſter, in London aber nicht. In einem Lande finden ſich mehr, in einem andern wenigere Hinderniſſe zu heyrathen. 2.) Der Tod hingegen trifft alle Alter und Geſchlechte, und laͤßt ſich daher eher von ſter- benden auf die lebenden ſchlieſſen. Es iſt wahr, daß dort ebenfals mehr verheyrathete und gebohrne kom- men muͤſſen, wo mehr Menſchen, wie ſolches aus denen Tabellen von unſerm Lande zu erkennen, wo der Wachsthum der gebohrnen mit denen ſter- benden allmaͤhlich ſortgehet: allein aus angegebe- ner Urſach ſcheinet die Sache mehrerer Ungewißheit unterworffen zu ſeyn. §. 103. Graunt iſt, ſo viel ich weiß, der erſte geweſen, der hierauf gedacht. Er muthmaaſſet, wiewohl ſei- ne Muthmaaſſungen eben nicht die ſicherſten, daß auf dem Lande unter 50 lebenden jaͤhrlich einer, oder

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/358>, abgerufen am 22.11.2024.