Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.Vorbericht. len einbilden/ daß er was errathen könne. Die Versäumung die-ser Regel hat gemacht/ daß die Physic/ ungeachtet sie vermuth- lich die älteste unter allen Wissenschaften/ bis auf unsre Zeiten in so grosser Unvollkommenheit geblieben ist/ und daß unter allen Lehr-Gebäuden von den Würckungen der Natur/ die von Alters her bis auf unsre Zeiten sind gemacht worden/ kein einziges ist/ das nicht durch die Erfahrung über einen Hauffen geworffen worden. Und wenn diese edle Wissenschaft soll zur Vollkommen- heit steigen/ so muß man nothwendig sich so weit erniedrigen/ daß man seine eigenen Erfindungen beyseite setzt/ und die Natur auf das genauste beobachtet. Die allgemeinen/ und wenn ich so sagen kan/ die gröbern Die bergichten Länder/ wie die Schweitz ist/ sind zu dieser Weil ich genugsame Gründe hatte/ die Beschreibung der kleinen B
Vorbericht. len einbilden/ daß er was errathen koͤnne. Die Verſaͤumung die-ſer Regel hat gemacht/ daß die Phyſic/ ungeachtet ſie vermuth- lich die aͤlteſte unter allen Wiſſenſchaften/ bis auf unſre Zeiten in ſo groſſer Unvollkommenheit geblieben iſt/ und daß unter allen Lehr-Gebaͤuden von den Wuͤrckungen der Natur/ die von Alters her bis auf unſre Zeiten ſind gemacht worden/ kein einziges iſt/ das nicht durch die Erfahrung uͤber einen Hauffen geworffen worden. Und wenn dieſe edle Wiſſenſchaft ſoll zur Vollkommen- heit ſteigen/ ſo muß man nothwendig ſich ſo weit erniedrigen/ daß man ſeine eigenen Erfindungen beyſeite ſetzt/ und die Natur auf das genauſte beobachtet. Die allgemeinen/ und wenn ich ſo ſagen kan/ die groͤbern Die bergichten Laͤnder/ wie die Schweitz iſt/ ſind zu dieſer Weil ich genugſame Gruͤnde hatte/ die Beſchreibung der kleinen B
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Vorbericht.
len einbilden/ daß er was errathen koͤnne. Die Verſaͤumung die-
ſer Regel hat gemacht/ daß die Phyſic/ ungeachtet ſie vermuth-
lich die aͤlteſte unter allen Wiſſenſchaften/ bis auf unſre Zeiten
in ſo groſſer Unvollkommenheit geblieben iſt/ und daß unter allen
Lehr-Gebaͤuden von den Wuͤrckungen der Natur/ die von Alters
her bis auf unſre Zeiten ſind gemacht worden/ kein einziges iſt/
das nicht durch die Erfahrung uͤber einen Hauffen geworffen
worden. Und wenn dieſe edle Wiſſenſchaft ſoll zur Vollkommen-
heit ſteigen/ ſo muß man nothwendig ſich ſo weit erniedrigen/
daß man ſeine eigenen Erfindungen beyſeite ſetzt/ und die Natur
auf das genauſte beobachtet.
Die allgemeinen/ und wenn ich ſo ſagen kan/ die groͤbern
Wuͤrckungen der Natur/ an denen aber am meiſten gelegen iſt/
koͤnnen nicht anders erfahren werden/ als wenn man ſich auf der
Welt umſiehet. Wer immer in ſeinem Zimmer oder in ſeiner
Stadt eingeſchloſſen bleibt/ der kan die Natur niemalen kennen
lernen. Man muß auf den Schauplatz/ wo ſie ſich zeiget/ heraus-
gehen. Man muß die Felder/ die Berge/ die Kluͤfte und das
Waſſer/ wo ſie wuͤrckt/ beſuchen/ und daſelbſt auf ihr Verhal-
ten Achtung geben. Alſo folget hieraus/ daß zur Aufnahm der
Phyſic unumgaͤnglich noͤthig iſt/ daß man phyſicaliſche Reiſen an-
ſtellet. Zu ſolchen Reiſen aber muß man die bequemſten Oerter
aus ſuchen/ wo ſich die Natur in ihrer Mannigfaͤltigkeit am mei-
ſten zeiget.
Die bergichten Laͤnder/ wie die Schweitz iſt/ ſind zu dieſer
Abſicht die allermerckwuͤrdigſten/ weil die Natur nirgend ſo ver-
ſchieden iſt/ und ſehr viele ihrer vornehmſten Wuͤrckungen nirgend
ſo ſchoͤn als an dieſen Orten zeiget. Wer aber ſolche Laͤnder in
Abſicht auf die Erforſchung der Natur beſuchen will/ der muß
ſchon vorher einigen Unterricht von natuͤrlichen Dingen haben/
um zu wiſſen/ was er eigentlich zu ſuchen, und worauf er ſeine
Gedancken und Angen zu richten hat; Denn ſonſt wird er faſt
eben ſo leer an Erkaͤnntniß wieder zuruͤck kommen/ als er vor-
her war.
Weil ich genugſame Gruͤnde hatte/ die Beſchreibung der
kleinen
B
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