Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
und dergleichen sagen/ welches er auch selbst/ so viel die Zeit zu-
läßt/ beobachten muß. Wenn er nun alle diese Beobachtungen
gesammelt hat/ so muß er sie zusammen vergleichen/ um/ wo mög-
lich/ den Zusammenhang zu entdecken/ und die Quelle der Verän-
derungen zu ergründen. So habe ich zum Exempel aus der beson-
dern Lage der verschiedenen Dörffer in der Herschaft Knonau den
Grund gegeben/ warum die Früchte zu ungleicher Zeit reif wer-
den. Siehe Bl. 23.

Dieses aber ist einem fleißigen Naturforscher noch nicht ge-
nug/ er kan bey der allgemeinen Beschaffenheit des Landes noch
andre Beobachtungen machen. Er ist begierig zu wissen/ durch
was für Mittel die Natur eine solche Gestalt der Erde hervorge-
bracht hat. Er will wissen/ wie die Berge und Thäler/ die Flüsse/
Seen/ Brunnen/ wie die verschieden Erdschichten entstanden sind.
Zu dieser Untersuchung aber findet er in bergichten Gegenden die
allerbesten Beobachtungen/ wenn er auf die Gestalt der Berge/
auf ihren Unterschied/ auf die Art der Schichten Achtung gibt.
Wie man aus solchen Beobachtungen zuletzt allgemeine Sätze zu
Erklärung verschiedener schweren Fragen heraus bringt/ daran habe
ich in der Untersuchung von dem Ursprung der Berge Cap. 3. eine
Probe gegeben. Wer aber hierin genau seyn will/ der muß nicht
nur die Berge von weitem und überhaupt ansehen/ er muß sie be-
steigen/ die rauhesten Oerter und Felsklippen besuchen/ sich in die
Hölen und Klüfte hinein wagen/ auf dem platten Land aber die
Gruben/ Steinbrüche und Hölen besehen/ weil er an solchen Or-
ten die meisten Beobachtungen machen kan. Sein Fleiß muß aber
alles/ was er von der Gestalt der Erde beobachten kan/ wol be-
mercken und aufschreiben/ damit er hernach bey gelegener Zeit/ aus
dem Schatz seiner Beobachtungen/ die Wahrbeit finden könne.
So viel von der Gestaltung und dem Bau der Erde überhaupt.

Das zweyte Feld/ wo sich die Natur auf eine ausnehmende
Weise zeiget/ ist die Atmosphär oder Luft/ in welcher sie die so-
genannte cörperliche Elemente vermischt/ und daher die Witterun-
gen hervorbringt. Die Wissenschaft dieser Dinge/ welche Meteo-
rologie
genennt wird/ ist noch bis auf diese Zeit eine der verworr-

nesten.

Vorbericht.
und dergleichen ſagen/ welches er auch ſelbſt/ ſo viel die Zeit zu-
laͤßt/ beobachten muß. Wenn er nun alle dieſe Beobachtungen
geſammelt hat/ ſo muß er ſie zuſammen vergleichen/ um/ wo moͤg-
lich/ den Zuſammenhang zu entdecken/ und die Quelle der Veraͤn-
derungen zu ergruͤnden. So habe ich zum Exempel aus der beſon-
dern Lage der verſchiedenen Doͤrffer in der Herſchaft Knonau den
Grund gegeben/ warum die Fruͤchte zu ungleicher Zeit reif wer-
den. Siehe Bl. 23.

Dieſes aber iſt einem fleißigen Naturforſcher noch nicht ge-
nug/ er kan bey der allgemeinen Beſchaffenheit des Landes noch
andre Beobachtungen machen. Er iſt begierig zu wiſſen/ durch
was fuͤr Mittel die Natur eine ſolche Geſtalt der Erde hervorge-
bracht hat. Er will wiſſen/ wie die Berge und Thaͤler/ die Fluͤſſe/
Seen/ Brunnen/ wie die verſchieden Erdſchichten entſtanden ſind.
Zu dieſer Unterſuchung aber findet er in bergichten Gegenden die
allerbeſten Beobachtungen/ wenn er auf die Geſtalt der Berge/
auf ihren Unterſchied/ auf die Art der Schichten Achtung gibt.
Wie man aus ſolchen Beobachtungen zuletzt allgemeine Saͤtze zu
Erklaͤrung verſchiedener ſchweren Fragen heraus bringt/ daran habe
ich in der Unterſuchung von dem Urſprung der Berge Cap. 3. eine
Probe gegeben. Wer aber hierin genau ſeyn will/ der muß nicht
nur die Berge von weitem und uͤberhaupt anſehen/ er muß ſie be-
ſteigen/ die rauheſten Oerter und Felsklippen beſuchen/ ſich in die
Hoͤlen und Kluͤfte hinein wagen/ auf dem platten Land aber die
Gruben/ Steinbruͤche und Hoͤlen beſehen/ weil er an ſolchen Or-
ten die meiſten Beobachtungen machen kan. Sein Fleiß muß aber
alles/ was er von der Geſtalt der Erde beobachten kan/ wol be-
mercken und aufſchreiben/ damit er hernach bey gelegener Zeit/ aus
dem Schatz ſeiner Beobachtungen/ die Wahrbeit finden koͤnne.
So viel von der Geſtaltung und dem Bau der Erde uͤberhaupt.

Das zweyte Feld/ wo ſich die Natur auf eine ausnehmende
Weiſe zeiget/ iſt die Atmosphaͤr oder Luft/ in welcher ſie die ſo-
genannte coͤrperliche Elemente vermiſcht/ und daher die Witterun-
gen hervorbringt. Die Wiſſenſchaft dieſer Dinge/ welche Meteo-
rologie
genennt wird/ iſt noch bis auf dieſe Zeit eine der verworꝛ-

neſten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/>
und dergleichen &#x017F;agen/ welches er auch &#x017F;elb&#x017F;t/ &#x017F;o viel die Zeit zu-<lb/>
la&#x0364;ßt/ beobachten muß. Wenn er nun alle die&#x017F;e Beobachtungen<lb/>
ge&#x017F;ammelt hat/ &#x017F;o muß er &#x017F;ie zu&#x017F;ammen vergleichen/ um/ wo mo&#x0364;g-<lb/>
lich/ den Zu&#x017F;ammenhang zu entdecken/ und die Quelle der Vera&#x0364;n-<lb/>
derungen zu ergru&#x0364;nden. So habe ich zum Exempel aus der be&#x017F;on-<lb/>
dern Lage der ver&#x017F;chiedenen Do&#x0364;rffer in der Her&#x017F;chaft Knonau den<lb/>
Grund gegeben/ warum die Fru&#x0364;chte zu ungleicher Zeit reif wer-<lb/>
den. Siehe Bl. 23.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es aber i&#x017F;t einem fleißigen Naturfor&#x017F;cher noch nicht ge-<lb/>
nug/ er kan bey der allgemeinen Be&#x017F;chaffenheit des Landes noch<lb/>
andre Beobachtungen machen. Er i&#x017F;t begierig zu wi&#x017F;&#x017F;en/ durch<lb/>
was fu&#x0364;r Mittel die Natur eine &#x017F;olche Ge&#x017F;talt der Erde hervorge-<lb/>
bracht hat. Er will wi&#x017F;&#x017F;en/ wie die Berge und Tha&#x0364;ler/ die Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/<lb/>
Seen/ Brunnen/ wie die ver&#x017F;chieden Erd&#x017F;chichten ent&#x017F;tanden &#x017F;ind.<lb/>
Zu die&#x017F;er Unter&#x017F;uchung aber findet er in bergichten Gegenden die<lb/>
allerbe&#x017F;ten Beobachtungen/ wenn er auf die Ge&#x017F;talt der Berge/<lb/>
auf ihren Unter&#x017F;chied/ auf die Art der Schichten Achtung gibt.<lb/>
Wie man aus &#x017F;olchen Beobachtungen zuletzt allgemeine Sa&#x0364;tze zu<lb/>
Erkla&#x0364;rung ver&#x017F;chiedener &#x017F;chweren Fragen heraus bringt/ daran habe<lb/>
ich in der Unter&#x017F;uchung von dem Ur&#x017F;prung der Berge Cap. 3. eine<lb/>
Probe gegeben. Wer aber hierin genau &#x017F;eyn will/ der muß nicht<lb/>
nur die Berge von weitem und u&#x0364;berhaupt an&#x017F;ehen/ er muß &#x017F;ie be-<lb/>
&#x017F;teigen/ die rauhe&#x017F;ten Oerter und Felsklippen be&#x017F;uchen/ &#x017F;ich in die<lb/>
Ho&#x0364;len und Klu&#x0364;fte hinein wagen/ auf dem platten Land aber die<lb/>
Gruben/ Steinbru&#x0364;che und Ho&#x0364;len be&#x017F;ehen/ weil er an &#x017F;olchen Or-<lb/>
ten die mei&#x017F;ten Beobachtungen machen kan. Sein Fleiß muß aber<lb/>
alles/ was er von der Ge&#x017F;talt der Erde beobachten kan/ wol be-<lb/>
mercken und auf&#x017F;chreiben/ damit er hernach bey gelegener Zeit/ aus<lb/>
dem Schatz &#x017F;einer Beobachtungen/ die Wahrbeit finden ko&#x0364;nne.<lb/>
So viel von der Ge&#x017F;taltung und dem Bau der Erde u&#x0364;berhaupt.</p><lb/>
        <p>Das zweyte Feld/ wo &#x017F;ich die Natur auf eine ausnehmende<lb/>
Wei&#x017F;e zeiget/ i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Atmospha&#x0364;r</hi> oder Luft/ in welcher &#x017F;ie die &#x017F;o-<lb/>
genannte co&#x0364;rperliche Elemente vermi&#x017F;cht/ und daher die Witterun-<lb/>
gen hervorbringt. Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft die&#x017F;er Dinge/ welche <hi rendition="#fr">Meteo-<lb/>
rologie</hi> genennt wird/ i&#x017F;t noch bis auf die&#x017F;e Zeit eine der verwor&#xA75B;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne&#x017F;ten.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0016] Vorbericht. und dergleichen ſagen/ welches er auch ſelbſt/ ſo viel die Zeit zu- laͤßt/ beobachten muß. Wenn er nun alle dieſe Beobachtungen geſammelt hat/ ſo muß er ſie zuſammen vergleichen/ um/ wo moͤg- lich/ den Zuſammenhang zu entdecken/ und die Quelle der Veraͤn- derungen zu ergruͤnden. So habe ich zum Exempel aus der beſon- dern Lage der verſchiedenen Doͤrffer in der Herſchaft Knonau den Grund gegeben/ warum die Fruͤchte zu ungleicher Zeit reif wer- den. Siehe Bl. 23. Dieſes aber iſt einem fleißigen Naturforſcher noch nicht ge- nug/ er kan bey der allgemeinen Beſchaffenheit des Landes noch andre Beobachtungen machen. Er iſt begierig zu wiſſen/ durch was fuͤr Mittel die Natur eine ſolche Geſtalt der Erde hervorge- bracht hat. Er will wiſſen/ wie die Berge und Thaͤler/ die Fluͤſſe/ Seen/ Brunnen/ wie die verſchieden Erdſchichten entſtanden ſind. Zu dieſer Unterſuchung aber findet er in bergichten Gegenden die allerbeſten Beobachtungen/ wenn er auf die Geſtalt der Berge/ auf ihren Unterſchied/ auf die Art der Schichten Achtung gibt. Wie man aus ſolchen Beobachtungen zuletzt allgemeine Saͤtze zu Erklaͤrung verſchiedener ſchweren Fragen heraus bringt/ daran habe ich in der Unterſuchung von dem Urſprung der Berge Cap. 3. eine Probe gegeben. Wer aber hierin genau ſeyn will/ der muß nicht nur die Berge von weitem und uͤberhaupt anſehen/ er muß ſie be- ſteigen/ die rauheſten Oerter und Felsklippen beſuchen/ ſich in die Hoͤlen und Kluͤfte hinein wagen/ auf dem platten Land aber die Gruben/ Steinbruͤche und Hoͤlen beſehen/ weil er an ſolchen Or- ten die meiſten Beobachtungen machen kan. Sein Fleiß muß aber alles/ was er von der Geſtalt der Erde beobachten kan/ wol be- mercken und aufſchreiben/ damit er hernach bey gelegener Zeit/ aus dem Schatz ſeiner Beobachtungen/ die Wahrbeit finden koͤnne. So viel von der Geſtaltung und dem Bau der Erde uͤberhaupt. Das zweyte Feld/ wo ſich die Natur auf eine ausnehmende Weiſe zeiget/ iſt die Atmosphaͤr oder Luft/ in welcher ſie die ſo- genannte coͤrperliche Elemente vermiſcht/ und daher die Witterun- gen hervorbringt. Die Wiſſenſchaft dieſer Dinge/ welche Meteo- rologie genennt wird/ iſt noch bis auf dieſe Zeit eine der verworꝛ- neſten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/16
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/16>, abgerufen am 21.11.2024.