Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.
des Schweitzerlandes. Fläche des Meers erhoben wären, und wie diese Erhöhung gegenallen Gegenden nach und nach zu- oder abnehme, etc. Man könte eine Probe davon machen, aus der Betrachtung der vornehmsten Flüssen in der Welt; denn der Lauff derselben zeiget, gegen welcher Seite ein gantzes Land erhöht ist, die Geschwindigkeit des Strohms aber läßt uns von der Grösse der nach und nach zunehmenden Höhe des Landes, durch welches er fliesset, urtheilen. Es kämen aber hier die besondre und einzele Berge nicht in Betrachtung, sondern nur gantze Länder. Jch glaube, daß dieses zu einer natürlichen Be- trachtung der Erde überhaupt sehr behülfflich seyn würde. Was in- sonderheit die Schweitz betrifft, so kan man dieselbe als einen einigen hohen Berg ansehen, welcher unzählig viele Hügel hat. Die oberste Spitze dieses Berges ist im Canton Uri, und liegt im 46° 20' Nordli- cher Breite, und im 26° 20' der Länge. Von diesem obersten Theile, welcher die Berge Gotthard, Furcka, Crispalt und Luckmanier begreifft, fliessen gegen alle 4. Haupt-Gegenden Flüsse herab; und ist zu mercken, daß die 4. Haupt-Seiten dieses grossen Berges just nach den 4. Haupt- Gegenden der Welt gehen. Von Altorff reißten wir durch das Thal hin, und kamen noch diesen Abend durch Erdfeld und Silenen bis zum Wirthshause am Stäg, war also die gantze Tag-Reise von Stansstad auf Flüelen 8. St. von Flüelen auf Altorff 1/2. St. von Altorff auf Erdfeld 1. St. von Erdfeld auf Silenen 1. St. von Silenen zum Stäg 1. St. S. 111/2. St.Den 19. August. Morgens frühe machten wir uns fertig, den hohen St. Gott-Strasse auf an
des Schweitzerlandes. Flaͤche des Meers erhoben waͤren, und wie dieſe Erhoͤhung gegenallen Gegenden nach und nach zu- oder abnehme, ꝛc. Man koͤnte eine Probe davon machen, aus der Betrachtung der vornehmſten Fluͤſſen in der Welt; denn der Lauff derſelben zeiget, gegen welcher Seite ein gantzes Land erhoͤht iſt, die Geſchwindigkeit des Strohms aber laͤßt uns von der Groͤſſe der nach und nach zunehmenden Hoͤhe des Landes, durch welches er flieſſet, urtheilen. Es kaͤmen aber hier die beſondre und einzele Berge nicht in Betrachtung, ſondern nur gantze Laͤnder. Jch glaube, daß dieſes zu einer natuͤrlichen Be- trachtung der Erde uͤberhaupt ſehr behuͤlfflich ſeyn wuͤrde. Was in- ſonderheit die Schweitz betrifft, ſo kan man dieſelbe als einen einigen hohen Berg anſehen, welcher unzaͤhlig viele Huͤgel hat. Die oberſte Spitze dieſes Berges iſt im Canton Uri, und liegt im 46° 20′ Nordli- cher Breite, und im 26° 20′ der Laͤnge. Von dieſem oberſten Theile, welcher die Berge Gotthard, Furcka, Criſpalt und Luckmanier begreifft, flieſſen gegen alle 4. Haupt-Gegenden Fluͤſſe herab; und iſt zu mercken, daß die 4. Haupt-Seiten dieſes groſſen Berges juſt nach den 4. Haupt- Gegenden der Welt gehen. Von Altorff reißten wir durch das Thal hin, und kamen noch dieſen Abend durch Erdfeld und Silenen bis zum Wirthshauſe am Staͤg, war alſo die gantze Tag-Reiſe von Stansſtad auf Fluͤelen 8. St. von Fluͤelen auf Altorff ½. St. von Altorff auf Erdfeld 1. St. von Erdfeld auf Silenen 1. St. von Silenen zum Staͤg 1. St. S. 11½. St.Den 19. Auguſt. Morgens fruͤhe machten wir uns fertig, den hohen St. Gott-Straſſe auf an
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Schweitzerlandes.</hi></fw><lb/> Flaͤche des Meers erhoben waͤren, und wie dieſe Erhoͤhung gegen<lb/> allen Gegenden nach und nach zu- oder abnehme, ꝛc. Man koͤnte<lb/> eine Probe davon machen, aus der Betrachtung der vornehmſten<lb/> Fluͤſſen in der Welt; denn der Lauff derſelben zeiget, gegen welcher<lb/> Seite ein gantzes Land erhoͤht iſt, die Geſchwindigkeit des Strohms<lb/> aber laͤßt uns von der Groͤſſe der nach und nach zunehmenden Hoͤhe<lb/> des Landes, durch welches er flieſſet, urtheilen. Es kaͤmen aber hier<lb/> die beſondre und einzele Berge nicht in Betrachtung, ſondern nur<lb/> gantze Laͤnder. Jch glaube, daß dieſes zu einer natuͤrlichen Be-<lb/> trachtung der Erde uͤberhaupt ſehr behuͤlfflich ſeyn wuͤrde. Was in-<lb/> ſonderheit die Schweitz betrifft, ſo kan man dieſelbe als einen einigen<lb/> hohen Berg anſehen, welcher unzaͤhlig viele Huͤgel hat. Die oberſte<lb/> Spitze dieſes Berges iſt im Canton Uri, und liegt im 46° 20′ Nordli-<lb/> cher Breite, und im 26° 20′ der Laͤnge. Von dieſem oberſten Theile,<lb/> welcher die Berge Gotthard, Furcka, Criſpalt und Luckmanier begreifft,<lb/> flieſſen gegen alle 4. Haupt-Gegenden Fluͤſſe herab; und iſt zu mercken,<lb/> daß die 4. Haupt-Seiten dieſes groſſen Berges juſt nach den 4. Haupt-<lb/> Gegenden der Welt gehen. Von Altorff reißten wir durch das Thal<lb/> hin, und kamen noch dieſen Abend durch <hi rendition="#fr">Erdfeld</hi> und <hi rendition="#fr">Silenen</hi> bis<lb/> zum Wirthshauſe <hi rendition="#fr">am Staͤg, war alſo die gantze</hi> Tag-Reiſe</p><lb/> <list> <item><list rendition="#rightBraced"><item>von Stansſtad auf Fluͤelen <hi rendition="#et">8. St.</hi></item><lb/><item>von Fluͤelen auf Altorff <hi rendition="#et">½. St.</hi></item><lb/><item>von Altorff auf Erdfeld <hi rendition="#et">1. St.</hi></item><lb/><item>von Erdfeld auf Silenen <hi rendition="#et">1. St.</hi></item><lb/><item>von Silenen zum Staͤg <hi rendition="#et">1. St.</hi></item></list>S. 11½. St.</item> </list> </div><lb/> <div type="diaryEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Den 19. Auguſt.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Morgens fruͤhe machten wir uns fertig, den hohen St. <hi rendition="#fr">Gott-</hi><note place="right">Straſſe auf<lb/> den Gott-<lb/> hard.</note><lb/><hi rendition="#fr">hards-Berg</hi> zu beſteigen, welcher, wie der Herꝛ <hi rendition="#aq">D.</hi> Scheuchzer recht<lb/> erinnert, hier beym Staͤg ſeinen Anfang nimmt; denn von hier aus<lb/> geht eine einzige ſchoͤne Straſſe, faſt allezeit in die Hoͤhe in einem fort,<lb/> bis auf den Gotthard. Dieſe Straſſe iſt wol eine von den merckwuͤr-<lb/> digſten in der gantzen Welt, nicht nur wegen der groſſen Anzahl der<lb/> Reiſenden, welche man zu allen Zeiten da antrifft, ſondern wegen<lb/> ihrer Beſchaffenheit an ſich ſelber. Sie geht, wie geſagt, bis auf den<lb/> Gotthard 8. Stunden in einem fort, und zwaren beſtaͤndig in die<lb/> Hoͤhe, welche jedoch von Urſelen bis auf Hoſpital durch eine halb-<lb/> ſtuͤndige Ebne unterbrochen wird. Sie iſt meiſtens 6. Schuhe breit,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">an</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0054]
des Schweitzerlandes.
Flaͤche des Meers erhoben waͤren, und wie dieſe Erhoͤhung gegen
allen Gegenden nach und nach zu- oder abnehme, ꝛc. Man koͤnte
eine Probe davon machen, aus der Betrachtung der vornehmſten
Fluͤſſen in der Welt; denn der Lauff derſelben zeiget, gegen welcher
Seite ein gantzes Land erhoͤht iſt, die Geſchwindigkeit des Strohms
aber laͤßt uns von der Groͤſſe der nach und nach zunehmenden Hoͤhe
des Landes, durch welches er flieſſet, urtheilen. Es kaͤmen aber hier
die beſondre und einzele Berge nicht in Betrachtung, ſondern nur
gantze Laͤnder. Jch glaube, daß dieſes zu einer natuͤrlichen Be-
trachtung der Erde uͤberhaupt ſehr behuͤlfflich ſeyn wuͤrde. Was in-
ſonderheit die Schweitz betrifft, ſo kan man dieſelbe als einen einigen
hohen Berg anſehen, welcher unzaͤhlig viele Huͤgel hat. Die oberſte
Spitze dieſes Berges iſt im Canton Uri, und liegt im 46° 20′ Nordli-
cher Breite, und im 26° 20′ der Laͤnge. Von dieſem oberſten Theile,
welcher die Berge Gotthard, Furcka, Criſpalt und Luckmanier begreifft,
flieſſen gegen alle 4. Haupt-Gegenden Fluͤſſe herab; und iſt zu mercken,
daß die 4. Haupt-Seiten dieſes groſſen Berges juſt nach den 4. Haupt-
Gegenden der Welt gehen. Von Altorff reißten wir durch das Thal
hin, und kamen noch dieſen Abend durch Erdfeld und Silenen bis
zum Wirthshauſe am Staͤg, war alſo die gantze Tag-Reiſe
von Stansſtad auf Fluͤelen 8. St.
von Fluͤelen auf Altorff ½. St.
von Altorff auf Erdfeld 1. St.
von Erdfeld auf Silenen 1. St.
von Silenen zum Staͤg 1. St.
S. 11½. St.
Den 19. Auguſt.
Morgens fruͤhe machten wir uns fertig, den hohen St. Gott-
hards-Berg zu beſteigen, welcher, wie der Herꝛ D. Scheuchzer recht
erinnert, hier beym Staͤg ſeinen Anfang nimmt; denn von hier aus
geht eine einzige ſchoͤne Straſſe, faſt allezeit in die Hoͤhe in einem fort,
bis auf den Gotthard. Dieſe Straſſe iſt wol eine von den merckwuͤr-
digſten in der gantzen Welt, nicht nur wegen der groſſen Anzahl der
Reiſenden, welche man zu allen Zeiten da antrifft, ſondern wegen
ihrer Beſchaffenheit an ſich ſelber. Sie geht, wie geſagt, bis auf den
Gotthard 8. Stunden in einem fort, und zwaren beſtaͤndig in die
Hoͤhe, welche jedoch von Urſelen bis auf Hoſpital durch eine halb-
ſtuͤndige Ebne unterbrochen wird. Sie iſt meiſtens 6. Schuhe breit,
an
Straſſe auf
den Gott-
hard.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/54 |
| Zitationshilfe: | Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/54>, abgerufen am 24.11.2024. |
