Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

gethanen Reise.
Charten, von den verschiedenen auf einander folgen-
den Einrichtungen der Länder.

Gegen Mittag kam ich in ein Dorf Roussillon,Gegend um
Roussillon.

oder Peage de Roussillon. Auf einer Anhöhe neben
dem Dorfe siehet man noch die Ringmauern eines al-
ten Städtchens, und mitten in denselben auf einem
hohen einzelnen Felsen ein altes Gemäuer, vermuth-
lich von einem festen Thurm. Die Lage dieses Orts
schien mir so angenehm, daß ich versuchte, während
der Zeit da mein Mittagessen zubereitet würde, einen
Spaziergang auf das Feld zu thun, da ich bereits
von dieser Reise eine Vermehrung meiner Kräfte ver-
spürte.

Die Berge und Hügel, die längst der Rhone am
linken Ufer herunter laufen, wenden sich von diesem
Orte an von dem Fluß ab gegen das Land hinein, zie-
hen sich dem Anscheine nach in einem halben Zirkel
herum, und wenden sich hernach wieder bis an die
Rhone. Jch hatte also vor dem Dorfe Roussillon
gegen Mittag hin eine beträchtliche Fläche ebenes Lan-
des in Form einer halben Zirkelfläche, deren Diame-
ter längst der Rhone lag, vor mir. Von den An-
höhen bey dem Dorfe übersieht man sie ganz; und da
sie durchaus ziemlich dicht mit Maulbeerbäumen besetzt
ist, so hat sie das Ansehen eines einzigen sehr großen
Baumgartens. Jndessen ist der Acker, wenn man
ihn in der Nähe sieht, schlecht, und so sehr mit Kie-
selsteinen bedeckt, daß man an vielen Orten zwischen
den Steinen kaum einer Hand breit Erde sehen kann.
Verschiedene Aecker sehen wirklich wie ein gepflasterter
Platz in einer Stadt aus; dennoch sind sie mit vielen
Bäumen besetzt, und das Land unter denselben wird

gepflü-
F 4

gethanen Reiſe.
Charten, von den verſchiedenen auf einander folgen-
den Einrichtungen der Laͤnder.

Gegen Mittag kam ich in ein Dorf Rouſſillon,Gegend um
Rouſſillon.

oder Peage de Rouſſillon. Auf einer Anhoͤhe neben
dem Dorfe ſiehet man noch die Ringmauern eines al-
ten Staͤdtchens, und mitten in denſelben auf einem
hohen einzelnen Felſen ein altes Gemaͤuer, vermuth-
lich von einem feſten Thurm. Die Lage dieſes Orts
ſchien mir ſo angenehm, daß ich verſuchte, waͤhrend
der Zeit da mein Mittageſſen zubereitet wuͤrde, einen
Spaziergang auf das Feld zu thun, da ich bereits
von dieſer Reiſe eine Vermehrung meiner Kraͤfte ver-
ſpuͤrte.

Die Berge und Huͤgel, die laͤngſt der Rhone am
linken Ufer herunter laufen, wenden ſich von dieſem
Orte an von dem Fluß ab gegen das Land hinein, zie-
hen ſich dem Anſcheine nach in einem halben Zirkel
herum, und wenden ſich hernach wieder bis an die
Rhone. Jch hatte alſo vor dem Dorfe Rouſſillon
gegen Mittag hin eine betraͤchtliche Flaͤche ebenes Lan-
des in Form einer halben Zirkelflaͤche, deren Diame-
ter laͤngſt der Rhone lag, vor mir. Von den An-
hoͤhen bey dem Dorfe uͤberſieht man ſie ganz; und da
ſie durchaus ziemlich dicht mit Maulbeerbaͤumen beſetzt
iſt, ſo hat ſie das Anſehen eines einzigen ſehr großen
Baumgartens. Jndeſſen iſt der Acker, wenn man
ihn in der Naͤhe ſieht, ſchlecht, und ſo ſehr mit Kie-
ſelſteinen bedeckt, daß man an vielen Orten zwiſchen
den Steinen kaum einer Hand breit Erde ſehen kann.
Verſchiedene Aecker ſehen wirklich wie ein gepflaſterter
Platz in einer Stadt aus; dennoch ſind ſie mit vielen
Baͤumen beſetzt, und das Land unter denſelben wird

gepfluͤ-
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Charten, von den ver&#x017F;chiedenen auf einander folgen-<lb/>
den Einrichtungen der La&#x0364;nder.</p><lb/>
          <p>Gegen Mittag kam ich in ein Dorf <hi rendition="#fr">Rou&#x017F;&#x017F;illon,</hi><note place="right">Gegend um<lb/>
Rou&#x017F;&#x017F;illon.</note><lb/>
oder <hi rendition="#fr">Peage de Rou&#x017F;&#x017F;illon.</hi> Auf einer Anho&#x0364;he neben<lb/>
dem Dorfe &#x017F;iehet man noch die Ringmauern eines al-<lb/>
ten Sta&#x0364;dtchens, und mitten in den&#x017F;elben auf einem<lb/>
hohen einzelnen Fel&#x017F;en ein altes Gema&#x0364;uer, vermuth-<lb/>
lich von einem fe&#x017F;ten Thurm. Die Lage die&#x017F;es Orts<lb/>
&#x017F;chien mir &#x017F;o angenehm, daß ich ver&#x017F;uchte, wa&#x0364;hrend<lb/>
der Zeit da mein Mittage&#x017F;&#x017F;en zubereitet wu&#x0364;rde, einen<lb/>
Spaziergang auf das Feld zu thun, da ich bereits<lb/>
von die&#x017F;er Rei&#x017F;e eine Vermehrung meiner Kra&#x0364;fte ver-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;rte.</p><lb/>
          <p>Die Berge und Hu&#x0364;gel, die la&#x0364;ng&#x017F;t der Rhone am<lb/>
linken Ufer herunter laufen, wenden &#x017F;ich von die&#x017F;em<lb/>
Orte an von dem Fluß ab gegen das Land hinein, zie-<lb/>
hen &#x017F;ich dem An&#x017F;cheine nach in einem halben Zirkel<lb/>
herum, und wenden &#x017F;ich hernach wieder bis an die<lb/>
Rhone. Jch hatte al&#x017F;o vor dem Dorfe <hi rendition="#fr">Rou&#x017F;&#x017F;illon</hi><lb/>
gegen Mittag hin eine betra&#x0364;chtliche Fla&#x0364;che ebenes Lan-<lb/>
des in Form einer halben Zirkelfla&#x0364;che, deren Diame-<lb/>
ter la&#x0364;ng&#x017F;t der Rhone lag, vor mir. Von den An-<lb/>
ho&#x0364;hen bey dem Dorfe u&#x0364;ber&#x017F;ieht man &#x017F;ie ganz; und da<lb/>
&#x017F;ie durchaus ziemlich dicht mit Maulbeerba&#x0364;umen be&#x017F;etzt<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o hat &#x017F;ie das An&#x017F;ehen eines einzigen &#x017F;ehr großen<lb/>
Baumgartens. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t der Acker, wenn man<lb/>
ihn in der Na&#x0364;he &#x017F;ieht, &#x017F;chlecht, und &#x017F;o &#x017F;ehr mit Kie-<lb/>
&#x017F;el&#x017F;teinen bedeckt, daß man an vielen Orten zwi&#x017F;chen<lb/>
den Steinen kaum einer Hand breit Erde &#x017F;ehen kann.<lb/>
Ver&#x017F;chiedene Aecker &#x017F;ehen wirklich wie ein gepfla&#x017F;terter<lb/>
Platz in einer Stadt aus; dennoch &#x017F;ind &#x017F;ie mit vielen<lb/>
Ba&#x0364;umen be&#x017F;etzt, und das Land unter den&#x017F;elben wird<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">gepflu&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0107] gethanen Reiſe. Charten, von den verſchiedenen auf einander folgen- den Einrichtungen der Laͤnder. Gegen Mittag kam ich in ein Dorf Rouſſillon, oder Peage de Rouſſillon. Auf einer Anhoͤhe neben dem Dorfe ſiehet man noch die Ringmauern eines al- ten Staͤdtchens, und mitten in denſelben auf einem hohen einzelnen Felſen ein altes Gemaͤuer, vermuth- lich von einem feſten Thurm. Die Lage dieſes Orts ſchien mir ſo angenehm, daß ich verſuchte, waͤhrend der Zeit da mein Mittageſſen zubereitet wuͤrde, einen Spaziergang auf das Feld zu thun, da ich bereits von dieſer Reiſe eine Vermehrung meiner Kraͤfte ver- ſpuͤrte. Gegend um Rouſſillon. Die Berge und Huͤgel, die laͤngſt der Rhone am linken Ufer herunter laufen, wenden ſich von dieſem Orte an von dem Fluß ab gegen das Land hinein, zie- hen ſich dem Anſcheine nach in einem halben Zirkel herum, und wenden ſich hernach wieder bis an die Rhone. Jch hatte alſo vor dem Dorfe Rouſſillon gegen Mittag hin eine betraͤchtliche Flaͤche ebenes Lan- des in Form einer halben Zirkelflaͤche, deren Diame- ter laͤngſt der Rhone lag, vor mir. Von den An- hoͤhen bey dem Dorfe uͤberſieht man ſie ganz; und da ſie durchaus ziemlich dicht mit Maulbeerbaͤumen beſetzt iſt, ſo hat ſie das Anſehen eines einzigen ſehr großen Baumgartens. Jndeſſen iſt der Acker, wenn man ihn in der Naͤhe ſieht, ſchlecht, und ſo ſehr mit Kie- ſelſteinen bedeckt, daß man an vielen Orten zwiſchen den Steinen kaum einer Hand breit Erde ſehen kann. Verſchiedene Aecker ſehen wirklich wie ein gepflaſterter Platz in einer Stadt aus; dennoch ſind ſie mit vielen Baͤumen beſetzt, und das Land unter denſelben wird gepfluͤ- F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/107
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/107>, abgerufen am 24.11.2024.