Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
gethanen Reise.

Er besteht aus einem vierkantigen, vier bis fünf
Zoll dicken Stück Holz A B, an dessen vorderes Ende
eine starke, etwa 10 Zoll lange eiserne Spitze A C
befestiget ist. Dieses Stück liegt gerade auf der Er-
de auf. D und E sind hölzerne in das Hauptstück ein-
gelassene Aerme. An den vordern E wird das Vieh
angespannt; an dem hintern D aber hält der Land-
mann den Pflug, um ihn zu lenken. Der hölzerne
Nagel F dienet, den vordern Arm, oder die Deichsel,
nach der Größe des vorzuspannenden Viehes, etwas
höher oder niedriger zu stellen. Wenn der Pflug von
hinten ein wenig gehoben wird, dringt die eiserne
Spitze C mehr oder weniger in die Erde, und reißt sie
beym Fortrücken des Pfluges auf. Gegen das hin-
tere Ende B wird das Holz allmählig etwas dicker,
um die mit der Spitze aufgerissene Furche etwas zu
erweitern.

Mit diesem Pfluge bearbeitet der Landmann seinen
Acker mit ausnehmender Genauigkeit. Die Furchen
sind so gerade, als wenn jede nach der Schnur gezo-
gen wäre; die Aecker sind so genau im Viereck, als
wenn die äußersten Furchen nach einem angesetzten
Winkelmaaß abgestochen wären; der ganze Acker aber
so eben, wie mit der Bleywaage abgewogen. Die-
ses giebt dem Felde das Ansehen eines in viereckige
Beete abgetheilten Gartens, und man kann es nicht
ohne Vergnügen übersehen.

Das Dorf, oder der Flecken Roussillon ist ge-
ring und scheint arm zu seyn. Es sind eine Menge
Gasthöfe darin, so wie in allen Dörfern und Städten
auf dieser ungemein lebhaften Landstraße, auf der
man beständig Postchaisen, Landkutschen, zu Pferde

Rei-
F 5
gethanen Reiſe.

Er beſteht aus einem vierkantigen, vier bis fuͤnf
Zoll dicken Stuͤck Holz A B, an deſſen vorderes Ende
eine ſtarke, etwa 10 Zoll lange eiſerne Spitze A C
befeſtiget iſt. Dieſes Stuͤck liegt gerade auf der Er-
de auf. D und E ſind hoͤlzerne in das Hauptſtuͤck ein-
gelaſſene Aerme. An den vordern E wird das Vieh
angeſpannt; an dem hintern D aber haͤlt der Land-
mann den Pflug, um ihn zu lenken. Der hoͤlzerne
Nagel F dienet, den vordern Arm, oder die Deichſel,
nach der Groͤße des vorzuſpannenden Viehes, etwas
hoͤher oder niedriger zu ſtellen. Wenn der Pflug von
hinten ein wenig gehoben wird, dringt die eiſerne
Spitze C mehr oder weniger in die Erde, und reißt ſie
beym Fortruͤcken des Pfluges auf. Gegen das hin-
tere Ende B wird das Holz allmaͤhlig etwas dicker,
um die mit der Spitze aufgeriſſene Furche etwas zu
erweitern.

Mit dieſem Pfluge bearbeitet der Landmann ſeinen
Acker mit ausnehmender Genauigkeit. Die Furchen
ſind ſo gerade, als wenn jede nach der Schnur gezo-
gen waͤre; die Aecker ſind ſo genau im Viereck, als
wenn die aͤußerſten Furchen nach einem angeſetzten
Winkelmaaß abgeſtochen waͤren; der ganze Acker aber
ſo eben, wie mit der Bleywaage abgewogen. Die-
ſes giebt dem Felde das Anſehen eines in viereckige
Beete abgetheilten Gartens, und man kann es nicht
ohne Vergnuͤgen uͤberſehen.

Das Dorf, oder der Flecken Rouſſillon iſt ge-
ring und ſcheint arm zu ſeyn. Es ſind eine Menge
Gaſthoͤfe darin, ſo wie in allen Doͤrfern und Staͤdten
auf dieſer ungemein lebhaften Landſtraße, auf der
man beſtaͤndig Poſtchaiſen, Landkutſchen, zu Pferde

Rei-
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <pb facs="#f0109" n="89"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
          <p>Er be&#x017F;teht aus einem vierkantigen, vier bis fu&#x0364;nf<lb/>
Zoll dicken Stu&#x0364;ck Holz <hi rendition="#aq">A B,</hi> an de&#x017F;&#x017F;en vorderes Ende<lb/>
eine &#x017F;tarke, etwa 10 Zoll lange ei&#x017F;erne Spitze <hi rendition="#aq">A C</hi><lb/>
befe&#x017F;tiget i&#x017F;t. Die&#x017F;es Stu&#x0364;ck liegt gerade auf der Er-<lb/>
de auf. <hi rendition="#aq">D</hi> und <hi rendition="#aq">E</hi> &#x017F;ind ho&#x0364;lzerne in das Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck ein-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;ene Aerme. An den vordern <hi rendition="#aq">E</hi> wird das Vieh<lb/>
ange&#x017F;pannt; an dem hintern <hi rendition="#aq">D</hi> aber ha&#x0364;lt der Land-<lb/>
mann den Pflug, um ihn zu lenken. Der ho&#x0364;lzerne<lb/>
Nagel <hi rendition="#aq">F</hi> dienet, den vordern Arm, oder die Deich&#x017F;el,<lb/>
nach der Gro&#x0364;ße des vorzu&#x017F;pannenden Viehes, etwas<lb/>
ho&#x0364;her oder niedriger zu &#x017F;tellen. Wenn der Pflug von<lb/>
hinten ein wenig gehoben wird, dringt die ei&#x017F;erne<lb/>
Spitze <hi rendition="#aq">C</hi> mehr oder weniger in die Erde, und reißt &#x017F;ie<lb/>
beym Fortru&#x0364;cken des Pfluges auf. Gegen das hin-<lb/>
tere Ende <hi rendition="#aq">B</hi> wird das Holz allma&#x0364;hlig etwas dicker,<lb/>
um die mit der Spitze aufgeri&#x017F;&#x017F;ene Furche etwas zu<lb/>
erweitern.</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;em Pfluge bearbeitet der Landmann &#x017F;einen<lb/>
Acker mit ausnehmender Genauigkeit. Die Furchen<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;o gerade, als wenn jede nach der Schnur gezo-<lb/>
gen wa&#x0364;re; die Aecker &#x017F;ind &#x017F;o genau im Viereck, als<lb/>
wenn die a&#x0364;ußer&#x017F;ten Furchen nach einem ange&#x017F;etzten<lb/>
Winkelmaaß abge&#x017F;tochen wa&#x0364;ren; der ganze Acker aber<lb/>
&#x017F;o eben, wie mit der Bleywaage abgewogen. Die-<lb/>
&#x017F;es giebt dem Felde das An&#x017F;ehen eines in viereckige<lb/>
Beete abgetheilten Gartens, und man kann es nicht<lb/>
ohne Vergnu&#x0364;gen u&#x0364;ber&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Das Dorf, oder der Flecken <hi rendition="#fr">Rou&#x017F;&#x017F;illon</hi> i&#x017F;t ge-<lb/>
ring und &#x017F;cheint arm zu &#x017F;eyn. Es &#x017F;ind eine Menge<lb/>
Ga&#x017F;tho&#x0364;fe darin, &#x017F;o wie in allen Do&#x0364;rfern und Sta&#x0364;dten<lb/>
auf die&#x017F;er ungemein lebhaften Land&#x017F;traße, auf der<lb/>
man be&#x017F;ta&#x0364;ndig Po&#x017F;tchai&#x017F;en, Landkut&#x017F;chen, zu Pferde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Rei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0109] gethanen Reiſe. Er beſteht aus einem vierkantigen, vier bis fuͤnf Zoll dicken Stuͤck Holz A B, an deſſen vorderes Ende eine ſtarke, etwa 10 Zoll lange eiſerne Spitze A C befeſtiget iſt. Dieſes Stuͤck liegt gerade auf der Er- de auf. D und E ſind hoͤlzerne in das Hauptſtuͤck ein- gelaſſene Aerme. An den vordern E wird das Vieh angeſpannt; an dem hintern D aber haͤlt der Land- mann den Pflug, um ihn zu lenken. Der hoͤlzerne Nagel F dienet, den vordern Arm, oder die Deichſel, nach der Groͤße des vorzuſpannenden Viehes, etwas hoͤher oder niedriger zu ſtellen. Wenn der Pflug von hinten ein wenig gehoben wird, dringt die eiſerne Spitze C mehr oder weniger in die Erde, und reißt ſie beym Fortruͤcken des Pfluges auf. Gegen das hin- tere Ende B wird das Holz allmaͤhlig etwas dicker, um die mit der Spitze aufgeriſſene Furche etwas zu erweitern. Mit dieſem Pfluge bearbeitet der Landmann ſeinen Acker mit ausnehmender Genauigkeit. Die Furchen ſind ſo gerade, als wenn jede nach der Schnur gezo- gen waͤre; die Aecker ſind ſo genau im Viereck, als wenn die aͤußerſten Furchen nach einem angeſetzten Winkelmaaß abgeſtochen waͤren; der ganze Acker aber ſo eben, wie mit der Bleywaage abgewogen. Die- ſes giebt dem Felde das Anſehen eines in viereckige Beete abgetheilten Gartens, und man kann es nicht ohne Vergnuͤgen uͤberſehen. Das Dorf, oder der Flecken Rouſſillon iſt ge- ring und ſcheint arm zu ſeyn. Es ſind eine Menge Gaſthoͤfe darin, ſo wie in allen Doͤrfern und Staͤdten auf dieſer ungemein lebhaften Landſtraße, auf der man beſtaͤndig Poſtchaiſen, Landkutſchen, zu Pferde Rei- F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/109
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/109>, abgerufen am 24.11.2024.