Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Tagebuch von einer nach Nizza
einem Walde, oder nur einem Busche ähnlich gewe-
sen wäre. Jetzt wurd ich angenehm überrascht, als
ich von weitem ein schönes Gehölz sah, gegen welches
mein Weg hingieng. Wer nie durch ein von Hol-
zungen entblößtes Land gereiset ist, wird sich kaum
vorstellen können, daß Wälder unter die größten An-
nehmlichkeiten eines Landes gehören. Hier erfuhr ich
es ganz lebhaft; und es machte mir ausnehmendes
Vergnügen, nach einer langen Reise über freye Fel-
der, einmal durch einen mit schönen Bäumen besetz-
ten Wald zu kommen. Aber die Freude daurete nicht
lange. Die Straße gieng neben diesem kleinen Ge-
hölze vorbey, und in der Nähe sah ich, daß es ein
kleiner, zu einem adlichen Landsitz gehöriger Park sey.
Nicht weit davon traf ich bey einem andern Landsitze
noch einen solchen an. Weiter hin kam ich bey ver-
schiedenen adlichen Schlössern vorbey, die ganz kahl
da stunden, und nicht einmal irgend eine Allee von
Bäumen in der Nähe hatten. Dieser fast gänzliche
Mangel an schattigen Oertern muß die Landsitze in ei-
ner so warmen Provinz im Sommer fast unerträglich
machen.

Hier sah ich auf dieser Straße weit mehr Wein-
als Kornfelder, und alles nackend, sehr wenige hier
und da zerstreut stehende Olivenbäume ausgenommen.
Eine halbe Stunde vor Orgon geht der Weg über
einen sehr großen unfruchtbaren sandigen Anger. Aus
den verwachsenen Furchen nahm ich ab, daß das Land
ehedem muß gebaut worden seyn. Es giebt in Deutsch-
land noch geringere Aecker als diese sind, die doch be-
stellt werden; aber hier fehlet es wegen Mangel des
Viehes an dem benöthigten Dünger. Dieses magere

Land,

Tagebuch von einer nach Nizza
einem Walde, oder nur einem Buſche aͤhnlich gewe-
ſen waͤre. Jetzt wurd ich angenehm uͤberraſcht, als
ich von weitem ein ſchoͤnes Gehoͤlz ſah, gegen welches
mein Weg hingieng. Wer nie durch ein von Hol-
zungen entbloͤßtes Land gereiſet iſt, wird ſich kaum
vorſtellen koͤnnen, daß Waͤlder unter die groͤßten An-
nehmlichkeiten eines Landes gehoͤren. Hier erfuhr ich
es ganz lebhaft; und es machte mir ausnehmendes
Vergnuͤgen, nach einer langen Reiſe uͤber freye Fel-
der, einmal durch einen mit ſchoͤnen Baͤumen beſetz-
ten Wald zu kommen. Aber die Freude daurete nicht
lange. Die Straße gieng neben dieſem kleinen Ge-
hoͤlze vorbey, und in der Naͤhe ſah ich, daß es ein
kleiner, zu einem adlichen Landſitz gehoͤriger Park ſey.
Nicht weit davon traf ich bey einem andern Landſitze
noch einen ſolchen an. Weiter hin kam ich bey ver-
ſchiedenen adlichen Schloͤſſern vorbey, die ganz kahl
da ſtunden, und nicht einmal irgend eine Allee von
Baͤumen in der Naͤhe hatten. Dieſer faſt gaͤnzliche
Mangel an ſchattigen Oertern muß die Landſitze in ei-
ner ſo warmen Provinz im Sommer faſt unertraͤglich
machen.

Hier ſah ich auf dieſer Straße weit mehr Wein-
als Kornfelder, und alles nackend, ſehr wenige hier
und da zerſtreut ſtehende Olivenbaͤume ausgenommen.
Eine halbe Stunde vor Orgon geht der Weg uͤber
einen ſehr großen unfruchtbaren ſandigen Anger. Aus
den verwachſenen Furchen nahm ich ab, daß das Land
ehedem muß gebaut worden ſeyn. Es giebt in Deutſch-
land noch geringere Aecker als dieſe ſind, die doch be-
ſtellt werden; aber hier fehlet es wegen Mangel des
Viehes an dem benoͤthigten Duͤnger. Dieſes magere

Land,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/>
einem Walde, oder nur einem Bu&#x017F;che a&#x0364;hnlich gewe-<lb/>
&#x017F;en wa&#x0364;re. Jetzt wurd ich angenehm u&#x0364;berra&#x017F;cht, als<lb/>
ich von weitem ein &#x017F;cho&#x0364;nes Geho&#x0364;lz &#x017F;ah, gegen welches<lb/>
mein Weg hingieng. Wer nie durch ein von Hol-<lb/>
zungen entblo&#x0364;ßtes Land gerei&#x017F;et i&#x017F;t, wird &#x017F;ich kaum<lb/>
vor&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen, daß Wa&#x0364;lder unter die gro&#x0364;ßten An-<lb/>
nehmlichkeiten eines Landes geho&#x0364;ren. Hier erfuhr ich<lb/>
es ganz lebhaft; und es machte mir ausnehmendes<lb/>
Vergnu&#x0364;gen, nach einer langen Rei&#x017F;e u&#x0364;ber freye Fel-<lb/>
der, einmal durch einen mit &#x017F;cho&#x0364;nen Ba&#x0364;umen be&#x017F;etz-<lb/>
ten Wald zu kommen. Aber die Freude daurete nicht<lb/>
lange. Die Straße gieng neben die&#x017F;em kleinen Ge-<lb/>
ho&#x0364;lze vorbey, und in der Na&#x0364;he &#x017F;ah ich, daß es ein<lb/>
kleiner, zu einem adlichen Land&#x017F;itz geho&#x0364;riger Park &#x017F;ey.<lb/>
Nicht weit davon traf ich bey einem andern Land&#x017F;itze<lb/>
noch einen &#x017F;olchen an. Weiter hin kam ich bey ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen adlichen Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern vorbey, die ganz kahl<lb/>
da &#x017F;tunden, und nicht einmal irgend eine Allee von<lb/>
Ba&#x0364;umen in der Na&#x0364;he hatten. Die&#x017F;er fa&#x017F;t ga&#x0364;nzliche<lb/>
Mangel an &#x017F;chattigen Oertern muß die Land&#x017F;itze in ei-<lb/>
ner &#x017F;o warmen Provinz im Sommer fa&#x017F;t unertra&#x0364;glich<lb/>
machen.</p><lb/>
          <p>Hier &#x017F;ah ich auf die&#x017F;er Straße weit mehr Wein-<lb/>
als Kornfelder, und alles nackend, &#x017F;ehr wenige hier<lb/>
und da zer&#x017F;treut &#x017F;tehende Olivenba&#x0364;ume ausgenommen.<lb/>
Eine halbe Stunde vor <hi rendition="#fr">Orgon</hi> geht der Weg u&#x0364;ber<lb/>
einen &#x017F;ehr großen unfruchtbaren &#x017F;andigen Anger. Aus<lb/>
den verwach&#x017F;enen Furchen nahm ich ab, daß das Land<lb/>
ehedem muß gebaut worden &#x017F;eyn. Es giebt in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land noch geringere Aecker als die&#x017F;e &#x017F;ind, die doch be-<lb/>
&#x017F;tellt werden; aber hier fehlet es wegen Mangel des<lb/>
Viehes an dem beno&#x0364;thigten Du&#x0364;nger. Die&#x017F;es magere<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Land,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0126] Tagebuch von einer nach Nizza einem Walde, oder nur einem Buſche aͤhnlich gewe- ſen waͤre. Jetzt wurd ich angenehm uͤberraſcht, als ich von weitem ein ſchoͤnes Gehoͤlz ſah, gegen welches mein Weg hingieng. Wer nie durch ein von Hol- zungen entbloͤßtes Land gereiſet iſt, wird ſich kaum vorſtellen koͤnnen, daß Waͤlder unter die groͤßten An- nehmlichkeiten eines Landes gehoͤren. Hier erfuhr ich es ganz lebhaft; und es machte mir ausnehmendes Vergnuͤgen, nach einer langen Reiſe uͤber freye Fel- der, einmal durch einen mit ſchoͤnen Baͤumen beſetz- ten Wald zu kommen. Aber die Freude daurete nicht lange. Die Straße gieng neben dieſem kleinen Ge- hoͤlze vorbey, und in der Naͤhe ſah ich, daß es ein kleiner, zu einem adlichen Landſitz gehoͤriger Park ſey. Nicht weit davon traf ich bey einem andern Landſitze noch einen ſolchen an. Weiter hin kam ich bey ver- ſchiedenen adlichen Schloͤſſern vorbey, die ganz kahl da ſtunden, und nicht einmal irgend eine Allee von Baͤumen in der Naͤhe hatten. Dieſer faſt gaͤnzliche Mangel an ſchattigen Oertern muß die Landſitze in ei- ner ſo warmen Provinz im Sommer faſt unertraͤglich machen. Hier ſah ich auf dieſer Straße weit mehr Wein- als Kornfelder, und alles nackend, ſehr wenige hier und da zerſtreut ſtehende Olivenbaͤume ausgenommen. Eine halbe Stunde vor Orgon geht der Weg uͤber einen ſehr großen unfruchtbaren ſandigen Anger. Aus den verwachſenen Furchen nahm ich ab, daß das Land ehedem muß gebaut worden ſeyn. Es giebt in Deutſch- land noch geringere Aecker als dieſe ſind, die doch be- ſtellt werden; aber hier fehlet es wegen Mangel des Viehes an dem benoͤthigten Duͤnger. Dieſes magere Land,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/126
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/126>, abgerufen am 24.11.2024.