Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza wendig die Oberfläche der Steine in Mehl zermalmetwird. Dabey geht der Weg lange zwischen hohen Mauren, womit die Landhäuser und Gärten umgeben sind, da der Wind nicht zukommen kann, den ersti- ckenden Staub, der durch das immer anhaltende Rei- ten und Fahren sich erhebt, wegzutreiben. Man bleibt also immer mitten in Wolken von diesem Stau- be, von dem alle Häuser und Bäume so bedeckt sind, daß sie ganz weiß aussehen, als wenn sie mitten in ei- ner Mühle stünden. Dazu kam jetzt in der Mittagsstunde die erstaun- Die jungen Dirnen von dem herumliegenden Lan- Man
Tagebuch von einer nach Nizza wendig die Oberflaͤche der Steine in Mehl zermalmetwird. Dabey geht der Weg lange zwiſchen hohen Mauren, womit die Landhaͤuſer und Gaͤrten umgeben ſind, da der Wind nicht zukommen kann, den erſti- ckenden Staub, der durch das immer anhaltende Rei- ten und Fahren ſich erhebt, wegzutreiben. Man bleibt alſo immer mitten in Wolken von dieſem Stau- be, von dem alle Haͤuſer und Baͤume ſo bedeckt ſind, daß ſie ganz weiß ausſehen, als wenn ſie mitten in ei- ner Muͤhle ſtuͤnden. Dazu kam jetzt in der Mittagsſtunde die erſtaun- Die jungen Dirnen von dem herumliegenden Lan- Man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/> wendig die Oberflaͤche der Steine in Mehl zermalmet<lb/> wird. Dabey geht der Weg lange zwiſchen hohen<lb/> Mauren, womit die Landhaͤuſer und Gaͤrten umgeben<lb/> ſind, da der Wind nicht zukommen kann, den erſti-<lb/> ckenden Staub, der durch das immer anhaltende Rei-<lb/> ten und Fahren ſich erhebt, wegzutreiben. Man<lb/> bleibt alſo immer mitten in Wolken von dieſem Stau-<lb/> be, von dem alle Haͤuſer und Baͤume ſo bedeckt ſind,<lb/> daß ſie ganz weiß ausſehen, als wenn ſie mitten in ei-<lb/> ner Muͤhle ſtuͤnden.</p><lb/> <p>Dazu kam jetzt in der Mittagsſtunde die erſtaun-<lb/> liche Menge des mit Maulthieren und Eſeln aus der<lb/> Stadt zuruͤckkommenden Landvolks, das ſeinen Vor-<lb/> rath zu Markte gebracht hatte. Das Geklingel der<lb/> Schellen, womit jedes Maulthier reichlich behangen<lb/> iſt, das laute Geſchrey der Treiber, und das hoͤchſt<lb/> unangenehme und immer anhaltende Gekreiſch der<lb/> Weibsleute, die auf ihren Eſeln zuruͤckreiten, und<lb/> die damit theils die Eſel antreiben, theils ſich Platz<lb/> zu machen ſuchen, um neben andren vorbey zu kom-<lb/> men: dies alles macht eine hoͤchſt unangenehme und<lb/> betaͤubende Muſik.</p><lb/> <p>Die jungen Dirnen von dem herumliegenden Lan-<lb/> de, die ich auf ihren Eſeln nach Hauſe reiten ſah, hat-<lb/> ten durchgehends bey ihrer braunen Geſichtsfarbe,<lb/> durch die doch ein angenehmes Roth etwas durchſchei-<lb/> net, eine ſchoͤne und gefaͤllige Bildung und einen aͤuſ-<lb/> ſerſt lebhaften Blick der Augen, die aus der Dunkel-<lb/> heit der großen, nicht aufgekrempten ſchwarzen Filz-<lb/> huͤte gleichſam herausblitzen. Die Phyſionomien ſind<lb/> faſt durchgehends intereſſant; aber die Stimmen die-<lb/> ſer Schoͤnen ſind ſehr unangenehm und kreiſchend.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0134]
Tagebuch von einer nach Nizza
wendig die Oberflaͤche der Steine in Mehl zermalmet
wird. Dabey geht der Weg lange zwiſchen hohen
Mauren, womit die Landhaͤuſer und Gaͤrten umgeben
ſind, da der Wind nicht zukommen kann, den erſti-
ckenden Staub, der durch das immer anhaltende Rei-
ten und Fahren ſich erhebt, wegzutreiben. Man
bleibt alſo immer mitten in Wolken von dieſem Stau-
be, von dem alle Haͤuſer und Baͤume ſo bedeckt ſind,
daß ſie ganz weiß ausſehen, als wenn ſie mitten in ei-
ner Muͤhle ſtuͤnden.
Dazu kam jetzt in der Mittagsſtunde die erſtaun-
liche Menge des mit Maulthieren und Eſeln aus der
Stadt zuruͤckkommenden Landvolks, das ſeinen Vor-
rath zu Markte gebracht hatte. Das Geklingel der
Schellen, womit jedes Maulthier reichlich behangen
iſt, das laute Geſchrey der Treiber, und das hoͤchſt
unangenehme und immer anhaltende Gekreiſch der
Weibsleute, die auf ihren Eſeln zuruͤckreiten, und
die damit theils die Eſel antreiben, theils ſich Platz
zu machen ſuchen, um neben andren vorbey zu kom-
men: dies alles macht eine hoͤchſt unangenehme und
betaͤubende Muſik.
Die jungen Dirnen von dem herumliegenden Lan-
de, die ich auf ihren Eſeln nach Hauſe reiten ſah, hat-
ten durchgehends bey ihrer braunen Geſichtsfarbe,
durch die doch ein angenehmes Roth etwas durchſchei-
net, eine ſchoͤne und gefaͤllige Bildung und einen aͤuſ-
ſerſt lebhaften Blick der Augen, die aus der Dunkel-
heit der großen, nicht aufgekrempten ſchwarzen Filz-
huͤte gleichſam herausblitzen. Die Phyſionomien ſind
faſt durchgehends intereſſant; aber die Stimmen die-
ſer Schoͤnen ſind ſehr unangenehm und kreiſchend.
Man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |