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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
zwischen denen und dem festen Lande eine weite, aber
seichte und vollkommen sichere Bucht liegt. Nur an
ein paar Orten siehet man zwischen den Jnseln auf das
hohe Meer hinaus.

Es scheinet allerdings, daß diese ganze Ebene
um Hieres ehedem eine Bucht der See gewesen sey.
Herr Büsching sagt in seiner Geographie, daß ehe-
dem bey Hieres ein Hafen gewesen, und daß hernach
die See sich auf zweytausend Schritt zurückgezogen ha-
be. Man kann hier wohl errathen, was es mit die-
sem Zurücktreten des Meeres, so wie vermuthlich auch
an vielen andern Orten, wo sich dieses zugetragen haben
soll, für eine Bewandtniß hat. Die Bucht war sehr
seicht, und ist allmählig durch die von dem bey Regen-
wetter sehr anschwellenden Flusse hergeführten Steine
und Erde ausgefüllt worden. Also mußte freylich
das Wasser zurückweichen, da es von Erde und Stei-
nen verdrängt wurde. Dergleichen Ausfüllungen
seichter Buchten, in welche sich Flüsse ergießen, muß-
ten nothwendig mit der Länge der Zeit seltener werden,
weil endlich nach viel tausendmal wiederholten Auf-
schwellungen der Flüsse, und der von den Seiten in
dieselben strömenden Bäche, alle an den Ufern befind-
liche Steine und Erde weggeführt worden, so daß ge-
genwärtig diese Flüsse und Bäche feste Ufer haben.
Es geschieht noch jetzt, daß nach langem Regenwet-
ter, oder bey plötzlichem Aufthauen des den Winter
über in den Bergen gesammelten Schnees, der ge-
dachte Fluß aus seinem Ufer tritt, und das Land her-
um auf 5 bis 6 Fuß hoch überschwemmt. Da er
aber jetzt nur noch wenig Stein und Erde auf seinem
Laufe mit fortreißt, so lassen solche Ueberschwemmun-

gen

Tagebuch von einer nach Nizza
zwiſchen denen und dem feſten Lande eine weite, aber
ſeichte und vollkommen ſichere Bucht liegt. Nur an
ein paar Orten ſiehet man zwiſchen den Jnſeln auf das
hohe Meer hinaus.

Es ſcheinet allerdings, daß dieſe ganze Ebene
um Hieres ehedem eine Bucht der See geweſen ſey.
Herr Buͤſching ſagt in ſeiner Geographie, daß ehe-
dem bey Hieres ein Hafen geweſen, und daß hernach
die See ſich auf zweytauſend Schritt zuruͤckgezogen ha-
be. Man kann hier wohl errathen, was es mit die-
ſem Zuruͤcktreten des Meeres, ſo wie vermuthlich auch
an vielen andern Orten, wo ſich dieſes zugetragen haben
ſoll, fuͤr eine Bewandtniß hat. Die Bucht war ſehr
ſeicht, und iſt allmaͤhlig durch die von dem bey Regen-
wetter ſehr anſchwellenden Fluſſe hergefuͤhrten Steine
und Erde ausgefuͤllt worden. Alſo mußte freylich
das Waſſer zuruͤckweichen, da es von Erde und Stei-
nen verdraͤngt wurde. Dergleichen Ausfuͤllungen
ſeichter Buchten, in welche ſich Fluͤſſe ergießen, muß-
ten nothwendig mit der Laͤnge der Zeit ſeltener werden,
weil endlich nach viel tauſendmal wiederholten Auf-
ſchwellungen der Fluͤſſe, und der von den Seiten in
dieſelben ſtroͤmenden Baͤche, alle an den Ufern befind-
liche Steine und Erde weggefuͤhrt worden, ſo daß ge-
genwaͤrtig dieſe Fluͤſſe und Baͤche feſte Ufer haben.
Es geſchieht noch jetzt, daß nach langem Regenwet-
ter, oder bey ploͤtzlichem Aufthauen des den Winter
uͤber in den Bergen geſammelten Schnees, der ge-
dachte Fluß aus ſeinem Ufer tritt, und das Land her-
um auf 5 bis 6 Fuß hoch uͤberſchwemmt. Da er
aber jetzt nur noch wenig Stein und Erde auf ſeinem
Laufe mit fortreißt, ſo laſſen ſolche Ueberſchwemmun-

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[134/0154] Tagebuch von einer nach Nizza zwiſchen denen und dem feſten Lande eine weite, aber ſeichte und vollkommen ſichere Bucht liegt. Nur an ein paar Orten ſiehet man zwiſchen den Jnſeln auf das hohe Meer hinaus. Es ſcheinet allerdings, daß dieſe ganze Ebene um Hieres ehedem eine Bucht der See geweſen ſey. Herr Buͤſching ſagt in ſeiner Geographie, daß ehe- dem bey Hieres ein Hafen geweſen, und daß hernach die See ſich auf zweytauſend Schritt zuruͤckgezogen ha- be. Man kann hier wohl errathen, was es mit die- ſem Zuruͤcktreten des Meeres, ſo wie vermuthlich auch an vielen andern Orten, wo ſich dieſes zugetragen haben ſoll, fuͤr eine Bewandtniß hat. Die Bucht war ſehr ſeicht, und iſt allmaͤhlig durch die von dem bey Regen- wetter ſehr anſchwellenden Fluſſe hergefuͤhrten Steine und Erde ausgefuͤllt worden. Alſo mußte freylich das Waſſer zuruͤckweichen, da es von Erde und Stei- nen verdraͤngt wurde. Dergleichen Ausfuͤllungen ſeichter Buchten, in welche ſich Fluͤſſe ergießen, muß- ten nothwendig mit der Laͤnge der Zeit ſeltener werden, weil endlich nach viel tauſendmal wiederholten Auf- ſchwellungen der Fluͤſſe, und der von den Seiten in dieſelben ſtroͤmenden Baͤche, alle an den Ufern befind- liche Steine und Erde weggefuͤhrt worden, ſo daß ge- genwaͤrtig dieſe Fluͤſſe und Baͤche feſte Ufer haben. Es geſchieht noch jetzt, daß nach langem Regenwet- ter, oder bey ploͤtzlichem Aufthauen des den Winter uͤber in den Bergen geſammelten Schnees, der ge- dachte Fluß aus ſeinem Ufer tritt, und das Land her- um auf 5 bis 6 Fuß hoch uͤberſchwemmt. Da er aber jetzt nur noch wenig Stein und Erde auf ſeinem Laufe mit fortreißt, ſo laſſen ſolche Ueberſchwemmun- gen

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/154>, abgerufen am 21.11.2024.