Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza etwas bezecht. Der meinige sagte mir unterwegesmit viel Artigkeit, daß ihm der Wein etwas zu Ko- pfe gestiegen sey, und daß auch sein Camerad davon so munter geworden, daß er jetzt viel besser zufahre, als vorher. Auch die Weiber scheinen arbeitsam. Die man auf Fuhrwerk hat der Landmann in diesen beyden Pro- Jch glaube schon angemerkt zu haben, daß die Stei-
Tagebuch von einer nach Nizza etwas bezecht. Der meinige ſagte mir unterwegesmit viel Artigkeit, daß ihm der Wein etwas zu Ko- pfe geſtiegen ſey, und daß auch ſein Camerad davon ſo munter geworden, daß er jetzt viel beſſer zufahre, als vorher. Auch die Weiber ſcheinen arbeitſam. Die man auf Fuhrwerk hat der Landmann in dieſen beyden Pro- Jch glaube ſchon angemerkt zu haben, daß die Stei-
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Tagebuch von einer nach Nizza
etwas bezecht. Der meinige ſagte mir unterweges
mit viel Artigkeit, daß ihm der Wein etwas zu Ko-
pfe geſtiegen ſey, und daß auch ſein Camerad davon
ſo munter geworden, daß er jetzt viel beſſer zufahre,
als vorher.
Auch die Weiber ſcheinen arbeitſam. Die man auf
der Landſtraße antrifft, ſind unter dem Gehen mei-
ſtentheils entweder mit Spinnen oder mit Struͤmpfe-
knuͤtten beſchaͤfftiget.
Fuhrwerk hat der Landmann in dieſen beyden Pro-
vinzen ſehr ſelten. Die Eſel oder (Bourriques) ſind ſein
gewoͤhnliches Vieh. Dieſe muͤſſen in Koͤrben den
Duͤnger auf die Felder tragen, Holz und andere Be-
duͤrfniſſe nach Hauſe oder zu Markte ſchleppen, und
dienen auch zum Reiten. Die provenzaliſchen Pferde
ſind klein, wie die im Brandenburgiſchen, aber ſehr
lebhaft und flink. Weil der Duͤnger beſonders in
Niederprovence ſehr rar iſt, ſo trifft man vielfaͤltig
Leute an, die alles, was Eſel oder Pferde auf den
Straßen fallen laſſen, mit den Haͤnden aufſammeln.
Jn Marſeille und in Toulon ſieht man Leute auf den
Straßen, die aus den kleinen Roͤnnen, wodurch die
Unreinigkeiten von den Straßen abgefuͤhrt werden,
mit beyden hohlen Haͤnden den Unrath heraus langen,
und in Koͤrbe ſammeln. Ein ſolches Volk verdient
gluͤcklicher zu ſeyn, als es iſt.
Jch glaube ſchon angemerkt zu haben, daß die
einzelnen Bauerhaͤuſer, die man an der Straße antrifft,
zwar ſehr maſſiv, aber dabey ſehr elend ſind. Die
wenigen Doͤrfer, durch die ich gekommen bin, ſehen
ſehr aͤrmlich aus, obgleich die Haͤuſer, wie in Staͤd-
ten, in Straßen an einander geſetzt, und hoch von
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