Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Tagebuch von einer nach Nizza
bey der Ausfahrt linker Hand hat. Er hat inwen-
dig gegen den Hafen viele gewölbte, offene Nichen,
in denen das Schiffsvolk im Trockenen seyn und kochen
kann. Jede Niche hat eine aus der Mauer heraus-
kommende aus Erz gegossene Röhre mit einem Hahn,
wodurch man sehr gutes und gesundes Wasser, nicht
nur zum täglichen Gebrauch, sondern auch zum
Schiffsvorrath, kann herauslaufen lassen. Am En-
de dieses Mole neben der Ausfahrt stürzt dieses Was-
ser in einer sehr artigen Niche aus einem Löwenmaul,
und fällt in Cascaden herunter. Dieses schöne Quell-
wasser wird durch gemauerte Wasserleitungen von ei-
ner halben Stunde weit her nach dem Hafen geleitet.

Gleich neben dem Hafen liegt ein fürtrefflicher
Steinbruch, von einem weißlichen marmorartigen
Kalkstein, woraus die beyden Mole und die Ufer des
Hafens gemauert sind.

Merkwür-
digkeiten der
Natur.

Bey Gelegenheit dieses Steinbruchs muß ich
zweyer Merkwürdigkeiten gedenken. Vor ein paar
Jahren hat man in dem Steinbruch, da man zwey
durch eine sehr dünne Schicht Thon von einander ge-
trennte Steine von einander spaltete, einen fast ganz
verrosteten kupfernen Nagel zwischen diesen Steinen
gefunden, der sich in den einen eingedrückt hatte.
Der Baumeister, welcher die Aufsicht über die Arbei-
ten am Hafen hat, sagte mir, der Nagel sey ihm
weggekommen; er zeigte mir aber eine wohlgezeichne-
te Abbildung mit Farben, die er selbst davon gemacht
hatte. Kurze Zeit hernach fand man unweit vom
Hafen noch mehr solcher sehr wohl erhaltenen kupfer-
nen Nägel, davon gedachter Baumeister mir einen

schenk-

Tagebuch von einer nach Nizza
bey der Ausfahrt linker Hand hat. Er hat inwen-
dig gegen den Hafen viele gewoͤlbte, offene Nichen,
in denen das Schiffsvolk im Trockenen ſeyn und kochen
kann. Jede Niche hat eine aus der Mauer heraus-
kommende aus Erz gegoſſene Roͤhre mit einem Hahn,
wodurch man ſehr gutes und geſundes Waſſer, nicht
nur zum taͤglichen Gebrauch, ſondern auch zum
Schiffsvorrath, kann herauslaufen laſſen. Am En-
de dieſes Mole neben der Ausfahrt ſtuͤrzt dieſes Waſ-
ſer in einer ſehr artigen Niche aus einem Loͤwenmaul,
und faͤllt in Caſcaden herunter. Dieſes ſchoͤne Quell-
waſſer wird durch gemauerte Waſſerleitungen von ei-
ner halben Stunde weit her nach dem Hafen geleitet.

Gleich neben dem Hafen liegt ein fuͤrtrefflicher
Steinbruch, von einem weißlichen marmorartigen
Kalkſtein, woraus die beyden Mole und die Ufer des
Hafens gemauert ſind.

Merkwuͤr-
digkeiten der
Natur.

Bey Gelegenheit dieſes Steinbruchs muß ich
zweyer Merkwuͤrdigkeiten gedenken. Vor ein paar
Jahren hat man in dem Steinbruch, da man zwey
durch eine ſehr duͤnne Schicht Thon von einander ge-
trennte Steine von einander ſpaltete, einen faſt ganz
verroſteten kupfernen Nagel zwiſchen dieſen Steinen
gefunden, der ſich in den einen eingedruͤckt hatte.
Der Baumeiſter, welcher die Aufſicht uͤber die Arbei-
ten am Hafen hat, ſagte mir, der Nagel ſey ihm
weggekommen; er zeigte mir aber eine wohlgezeichne-
te Abbildung mit Farben, die er ſelbſt davon gemacht
hatte. Kurze Zeit hernach fand man unweit vom
Hafen noch mehr ſolcher ſehr wohl erhaltenen kupfer-
nen Naͤgel, davon gedachter Baumeiſter mir einen

ſchenk-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="184"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/>
bey der Ausfahrt linker Hand hat. Er hat inwen-<lb/>
dig gegen den Hafen viele gewo&#x0364;lbte, offene Nichen,<lb/>
in denen das Schiffsvolk im Trockenen &#x017F;eyn und kochen<lb/>
kann. Jede Niche hat eine aus der Mauer heraus-<lb/>
kommende aus Erz gego&#x017F;&#x017F;ene Ro&#x0364;hre mit einem Hahn,<lb/>
wodurch man &#x017F;ehr gutes und ge&#x017F;undes Wa&#x017F;&#x017F;er, nicht<lb/>
nur zum ta&#x0364;glichen Gebrauch, &#x017F;ondern auch zum<lb/>
Schiffsvorrath, kann herauslaufen la&#x017F;&#x017F;en. Am En-<lb/>
de die&#x017F;es Mole neben der Ausfahrt &#x017F;tu&#x0364;rzt die&#x017F;es Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er in einer &#x017F;ehr artigen Niche aus einem Lo&#x0364;wenmaul,<lb/>
und fa&#x0364;llt in Ca&#x017F;caden herunter. Die&#x017F;es &#x017F;cho&#x0364;ne Quell-<lb/>
wa&#x017F;&#x017F;er wird durch gemauerte Wa&#x017F;&#x017F;erleitungen von ei-<lb/>
ner halben Stunde weit her nach dem Hafen geleitet.</p><lb/>
        <p>Gleich neben dem Hafen liegt ein fu&#x0364;rtrefflicher<lb/>
Steinbruch, von einem weißlichen marmorartigen<lb/>
Kalk&#x017F;tein, woraus die beyden Mole und die Ufer des<lb/>
Hafens gemauert &#x017F;ind.</p><lb/>
        <note place="left">Merkwu&#x0364;r-<lb/>
digkeiten der<lb/>
Natur.</note>
        <p>Bey Gelegenheit die&#x017F;es Steinbruchs muß ich<lb/>
zweyer Merkwu&#x0364;rdigkeiten gedenken. Vor ein paar<lb/>
Jahren hat man in dem Steinbruch, da man zwey<lb/>
durch eine &#x017F;ehr du&#x0364;nne Schicht Thon von einander ge-<lb/>
trennte Steine von einander &#x017F;paltete, einen fa&#x017F;t ganz<lb/>
verro&#x017F;teten kupfernen Nagel zwi&#x017F;chen die&#x017F;en Steinen<lb/>
gefunden, der &#x017F;ich in den einen eingedru&#x0364;ckt hatte.<lb/>
Der Baumei&#x017F;ter, welcher die Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber die Arbei-<lb/>
ten am Hafen hat, &#x017F;agte mir, der Nagel &#x017F;ey ihm<lb/>
weggekommen; er zeigte mir aber eine wohlgezeichne-<lb/>
te Abbildung mit Farben, die er &#x017F;elb&#x017F;t davon gemacht<lb/>
hatte. Kurze Zeit hernach fand man unweit vom<lb/>
Hafen noch mehr &#x017F;olcher &#x017F;ehr wohl erhaltenen kupfer-<lb/>
nen Na&#x0364;gel, davon gedachter Baumei&#x017F;ter mir einen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chenk-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0204] Tagebuch von einer nach Nizza bey der Ausfahrt linker Hand hat. Er hat inwen- dig gegen den Hafen viele gewoͤlbte, offene Nichen, in denen das Schiffsvolk im Trockenen ſeyn und kochen kann. Jede Niche hat eine aus der Mauer heraus- kommende aus Erz gegoſſene Roͤhre mit einem Hahn, wodurch man ſehr gutes und geſundes Waſſer, nicht nur zum taͤglichen Gebrauch, ſondern auch zum Schiffsvorrath, kann herauslaufen laſſen. Am En- de dieſes Mole neben der Ausfahrt ſtuͤrzt dieſes Waſ- ſer in einer ſehr artigen Niche aus einem Loͤwenmaul, und faͤllt in Caſcaden herunter. Dieſes ſchoͤne Quell- waſſer wird durch gemauerte Waſſerleitungen von ei- ner halben Stunde weit her nach dem Hafen geleitet. Gleich neben dem Hafen liegt ein fuͤrtrefflicher Steinbruch, von einem weißlichen marmorartigen Kalkſtein, woraus die beyden Mole und die Ufer des Hafens gemauert ſind. Bey Gelegenheit dieſes Steinbruchs muß ich zweyer Merkwuͤrdigkeiten gedenken. Vor ein paar Jahren hat man in dem Steinbruch, da man zwey durch eine ſehr duͤnne Schicht Thon von einander ge- trennte Steine von einander ſpaltete, einen faſt ganz verroſteten kupfernen Nagel zwiſchen dieſen Steinen gefunden, der ſich in den einen eingedruͤckt hatte. Der Baumeiſter, welcher die Aufſicht uͤber die Arbei- ten am Hafen hat, ſagte mir, der Nagel ſey ihm weggekommen; er zeigte mir aber eine wohlgezeichne- te Abbildung mit Farben, die er ſelbſt davon gemacht hatte. Kurze Zeit hernach fand man unweit vom Hafen noch mehr ſolcher ſehr wohl erhaltenen kupfer- nen Naͤgel, davon gedachter Baumeiſter mir einen ſchenk-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/204
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/204>, abgerufen am 21.11.2024.