Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza sehr wenig Wiesen hat, leben können. Denn dieganze Grafschaft ist durchaus mit hohen, sehr steilen, und fast völlig unfruchtbaren Bergen so besetzt, daß nicht nur kein ebenes Land, sondern gar selten ein klei- nes ganz enges Thal dazwischen ist. Denn an den meisten Orten stoßen die Berge zu unterst am Fuß so an einander, daß nach dem letzten Schritt, den man von einem herunter gethan, sogleich der erste Schritt gegen die Höhe des andern herauf geht. Nur hier und da fließt etwa ein Bach zwischen zwey Bergen durch. Fast alle diese Berge sind wenigstens zur Hälf- te ganz kahle Felsen. Gegen die Tiefe haben sie et- was Erde, sind aber so steil, daß überall haben Ter- rassen müssen aufgemauert werden, um die Erde vor dem Abspülen sicher zu stellen. Und diese meist sehr schmale Terrassen sind das getraidetragende Land. Ehe ich von dem hiesigen Klima spreche, will ich Die zweyte nur eine halbe Stunde weit von Ni- nete
Tagebuch von einer nach Nizza ſehr wenig Wieſen hat, leben koͤnnen. Denn dieganze Grafſchaft iſt durchaus mit hohen, ſehr ſteilen, und faſt voͤllig unfruchtbaren Bergen ſo beſetzt, daß nicht nur kein ebenes Land, ſondern gar ſelten ein klei- nes ganz enges Thal dazwiſchen iſt. Denn an den meiſten Orten ſtoßen die Berge zu unterſt am Fuß ſo an einander, daß nach dem letzten Schritt, den man von einem herunter gethan, ſogleich der erſte Schritt gegen die Hoͤhe des andern herauf geht. Nur hier und da fließt etwa ein Bach zwiſchen zwey Bergen durch. Faſt alle dieſe Berge ſind wenigſtens zur Haͤlf- te ganz kahle Felſen. Gegen die Tiefe haben ſie et- was Erde, ſind aber ſo ſteil, daß uͤberall haben Ter- raſſen muͤſſen aufgemauert werden, um die Erde vor dem Abſpuͤlen ſicher zu ſtellen. Und dieſe meiſt ſehr ſchmale Terraſſen ſind das getraidetragende Land. Ehe ich von dem hieſigen Klima ſpreche, will ich Die zweyte nur eine halbe Stunde weit von Ni- nete
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Tagebuch von einer nach Nizza
ſehr wenig Wieſen hat, leben koͤnnen. Denn die
ganze Grafſchaft iſt durchaus mit hohen, ſehr ſteilen,
und faſt voͤllig unfruchtbaren Bergen ſo beſetzt, daß
nicht nur kein ebenes Land, ſondern gar ſelten ein klei-
nes ganz enges Thal dazwiſchen iſt. Denn an den
meiſten Orten ſtoßen die Berge zu unterſt am Fuß ſo
an einander, daß nach dem letzten Schritt, den man
von einem herunter gethan, ſogleich der erſte Schritt
gegen die Hoͤhe des andern herauf geht. Nur hier
und da fließt etwa ein Bach zwiſchen zwey Bergen
durch. Faſt alle dieſe Berge ſind wenigſtens zur Haͤlf-
te ganz kahle Felſen. Gegen die Tiefe haben ſie et-
was Erde, ſind aber ſo ſteil, daß uͤberall haben Ter-
raſſen muͤſſen aufgemauert werden, um die Erde vor
dem Abſpuͤlen ſicher zu ſtellen. Und dieſe meiſt ſehr
ſchmale Terraſſen ſind das getraidetragende Land.
Ehe ich von dem hieſigen Klima ſpreche, will ich
der hieſigen Alterthuͤmer gedenken. Denn auf dem
kleinen Grunde des Gebiets der Stadt Nizza haben
ehedem zwey griechiſche, hernach roͤmiſche Staͤdte ge-
ſtanden. Nizza iſt, wie bekannt, das alte Nicaͤa,
von den maßiliſchen Griechen gebaut. Von den er-
ſten griechiſchen Einwohnern aber hat ſich bis jetzt kein
Ueberbleibſel, weder Schrift noch Gebaͤude, noch ir-
gend ein geſchnitztes oder gegoſſenes Bild gefunden,
da noch verſchiedenes von den roͤmiſchen Zeiten her da
vorhanden iſt. Jn und nahe um Nizza ſind zwar
keine roͤmiſche Gebaͤude mehr, aber verſchiedene Stei-
ne mit roͤmiſchen Jnſchriften.
Die zweyte nur eine halbe Stunde weit von Ni-
caͤa gelegene griechiſche Stadt Cemeneta oder Ceme-
nete
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