Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

gethanen Reise.
und hier noch keine ordentlich gedämmte Wege oderSchlimme
Landstraßen.

Chaussees sind, so müssen bey nassem Wetter, beson-
ders im Frühling und Herbst, die Wege höchst be-
schwerlich seyn. Man siehet dieses auch deutlich an
den hier und da aus den nassen Jahrszeiten übrig ge-
bliebenen sehr tiefen Geleisen; denn diese Straße müs-
sen die Fuhrleute nehmen, die aus Sachsen und
Brandenburg Güter nach Frankfurt, oder von da
nach diesen Ländern führen. Es ist kaum glaublich,
was für Mühe und Beschwerlichkeiten diese Fuhrleu-
te bey lange anhaltender Nässe auf solchen Straßen
ausstehen. Dieses vertheuert natürlicher Weise die
Frachten gar sehr, so daß es eine wahre Barbarey ist,
dergleichen wichtige Landstraßen in so elendem Zustande
zu lassen. Es scheint, daß unter den guten menschli-
chen Anstalten nichts langsamer zur Vollkommenheit
komme, als die allgemeine Landespolizey.

Man siehet auf dieser Straße von weitem ein
paar zerstörte Bergschlösser, die ehedem den Grafen
von Gleichen gehört haben. Und bey dieser Gele-
genheit erfuhr ich, daß in diesen Gegenden das An-
denken des berühmten Grafen von Gleichen, der eine
saracenische Gemahlinn von seinem Zuge nach Palä-
stina
zurückgebracht haben soll, sich durch Ueberliefe-
rung unter dem gemeinen Volk erhalten hat. Denn
mein Fuhrmann sagte mir, als er mir diese Schlösser
wies: sie haben einem Grafen gehört, der mit zwey
Frauen zugleich verheirathet gewesen sey.

Auf der ganzen Straße hat man schöne Aussich-
ten in die gegen Mittag liegenden, mit vielen angeneh-
men Höhen besetzten Länder.

Den

gethanen Reiſe.
und hier noch keine ordentlich gedaͤmmte Wege oderSchlimme
Landſtraßen.

Chauſſées ſind, ſo muͤſſen bey naſſem Wetter, beſon-
ders im Fruͤhling und Herbſt, die Wege hoͤchſt be-
ſchwerlich ſeyn. Man ſiehet dieſes auch deutlich an
den hier und da aus den naſſen Jahrszeiten uͤbrig ge-
bliebenen ſehr tiefen Geleiſen; denn dieſe Straße muͤſ-
ſen die Fuhrleute nehmen, die aus Sachſen und
Brandenburg Guͤter nach Frankfurt, oder von da
nach dieſen Laͤndern fuͤhren. Es iſt kaum glaublich,
was fuͤr Muͤhe und Beſchwerlichkeiten dieſe Fuhrleu-
te bey lange anhaltender Naͤſſe auf ſolchen Straßen
ausſtehen. Dieſes vertheuert natuͤrlicher Weiſe die
Frachten gar ſehr, ſo daß es eine wahre Barbarey iſt,
dergleichen wichtige Landſtraßen in ſo elendem Zuſtande
zu laſſen. Es ſcheint, daß unter den guten menſchli-
chen Anſtalten nichts langſamer zur Vollkommenheit
komme, als die allgemeine Landespolizey.

Man ſiehet auf dieſer Straße von weitem ein
paar zerſtoͤrte Bergſchloͤſſer, die ehedem den Grafen
von Gleichen gehoͤrt haben. Und bey dieſer Gele-
genheit erfuhr ich, daß in dieſen Gegenden das An-
denken des beruͤhmten Grafen von Gleichen, der eine
ſaraceniſche Gemahlinn von ſeinem Zuge nach Palaͤ-
ſtina
zuruͤckgebracht haben ſoll, ſich durch Ueberliefe-
rung unter dem gemeinen Volk erhalten hat. Denn
mein Fuhrmann ſagte mir, als er mir dieſe Schloͤſſer
wies: ſie haben einem Grafen gehoͤrt, der mit zwey
Frauen zugleich verheirathet geweſen ſey.

Auf der ganzen Straße hat man ſchoͤne Ausſich-
ten in die gegen Mittag liegenden, mit vielen angeneh-
men Hoͤhen beſetzten Laͤnder.

Den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
und hier noch keine ordentlich geda&#x0364;mmte Wege oder<note place="right">Schlimme<lb/>
Land&#x017F;traßen.</note><lb/><hi rendition="#aq">Chau&#x017F;&#x017F;ées</hi> &#x017F;ind, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bey na&#x017F;&#x017F;em Wetter, be&#x017F;on-<lb/>
ders im Fru&#x0364;hling und Herb&#x017F;t, die Wege ho&#x0364;ch&#x017F;t be-<lb/>
&#x017F;chwerlich &#x017F;eyn. Man &#x017F;iehet die&#x017F;es auch deutlich an<lb/>
den hier und da aus den na&#x017F;&#x017F;en Jahrszeiten u&#x0364;brig ge-<lb/>
bliebenen &#x017F;ehr tiefen Gelei&#x017F;en; denn die&#x017F;e Straße mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en die Fuhrleute nehmen, die aus <hi rendition="#fr">Sach&#x017F;en</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Brandenburg</hi> Gu&#x0364;ter nach <hi rendition="#fr">Frankfurt,</hi> oder von da<lb/>
nach die&#x017F;en La&#x0364;ndern fu&#x0364;hren. Es i&#x017F;t kaum glaublich,<lb/>
was fu&#x0364;r Mu&#x0364;he und Be&#x017F;chwerlichkeiten die&#x017F;e Fuhrleu-<lb/>
te bey lange anhaltender Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e auf &#x017F;olchen Straßen<lb/>
aus&#x017F;tehen. Die&#x017F;es vertheuert natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e die<lb/>
Frachten gar &#x017F;ehr, &#x017F;o daß es eine wahre Barbarey i&#x017F;t,<lb/>
dergleichen wichtige Land&#x017F;traßen in &#x017F;o elendem Zu&#x017F;tande<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en. Es &#x017F;cheint, daß unter den guten men&#x017F;chli-<lb/>
chen An&#x017F;talten nichts lang&#x017F;amer zur Vollkommenheit<lb/>
komme, als die allgemeine Landespolizey.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;iehet auf die&#x017F;er Straße von weitem ein<lb/>
paar zer&#x017F;to&#x0364;rte Berg&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, die ehedem den Grafen<lb/><hi rendition="#fr">von Gleichen</hi> geho&#x0364;rt haben. Und bey die&#x017F;er Gele-<lb/>
genheit erfuhr ich, daß in die&#x017F;en Gegenden das An-<lb/>
denken des beru&#x0364;hmten Grafen <hi rendition="#fr">von Gleichen,</hi> der eine<lb/>
&#x017F;araceni&#x017F;che Gemahlinn von &#x017F;einem Zuge nach <hi rendition="#fr">Pala&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tina</hi> zuru&#x0364;ckgebracht haben &#x017F;oll, &#x017F;ich durch Ueberliefe-<lb/>
rung unter dem gemeinen Volk erhalten hat. Denn<lb/>
mein Fuhrmann &#x017F;agte mir, als er mir die&#x017F;e Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er<lb/>
wies: &#x017F;ie haben einem Grafen geho&#x0364;rt, der mit zwey<lb/>
Frauen zugleich verheirathet gewe&#x017F;en &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Auf der ganzen Straße hat man &#x017F;cho&#x0364;ne Aus&#x017F;ich-<lb/>
ten in die gegen Mittag liegenden, mit vielen angeneh-<lb/>
men Ho&#x0364;hen be&#x017F;etzten La&#x0364;nder.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0029] gethanen Reiſe. und hier noch keine ordentlich gedaͤmmte Wege oder Chauſſées ſind, ſo muͤſſen bey naſſem Wetter, beſon- ders im Fruͤhling und Herbſt, die Wege hoͤchſt be- ſchwerlich ſeyn. Man ſiehet dieſes auch deutlich an den hier und da aus den naſſen Jahrszeiten uͤbrig ge- bliebenen ſehr tiefen Geleiſen; denn dieſe Straße muͤſ- ſen die Fuhrleute nehmen, die aus Sachſen und Brandenburg Guͤter nach Frankfurt, oder von da nach dieſen Laͤndern fuͤhren. Es iſt kaum glaublich, was fuͤr Muͤhe und Beſchwerlichkeiten dieſe Fuhrleu- te bey lange anhaltender Naͤſſe auf ſolchen Straßen ausſtehen. Dieſes vertheuert natuͤrlicher Weiſe die Frachten gar ſehr, ſo daß es eine wahre Barbarey iſt, dergleichen wichtige Landſtraßen in ſo elendem Zuſtande zu laſſen. Es ſcheint, daß unter den guten menſchli- chen Anſtalten nichts langſamer zur Vollkommenheit komme, als die allgemeine Landespolizey. Schlimme Landſtraßen. Man ſiehet auf dieſer Straße von weitem ein paar zerſtoͤrte Bergſchloͤſſer, die ehedem den Grafen von Gleichen gehoͤrt haben. Und bey dieſer Gele- genheit erfuhr ich, daß in dieſen Gegenden das An- denken des beruͤhmten Grafen von Gleichen, der eine ſaraceniſche Gemahlinn von ſeinem Zuge nach Palaͤ- ſtina zuruͤckgebracht haben ſoll, ſich durch Ueberliefe- rung unter dem gemeinen Volk erhalten hat. Denn mein Fuhrmann ſagte mir, als er mir dieſe Schloͤſſer wies: ſie haben einem Grafen gehoͤrt, der mit zwey Frauen zugleich verheirathet geweſen ſey. Auf der ganzen Straße hat man ſchoͤne Ausſich- ten in die gegen Mittag liegenden, mit vielen angeneh- men Hoͤhen beſetzten Laͤnder. Den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/29
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/29>, abgerufen am 03.12.2024.