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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
Orten viel tausendmal wiederholte Ueberschwemmung,
woraus eben so viel Schieferschichten entstanden sind,
kann ein Kenner der Gebürge ohne Sündfluth, und
ohne das Meer auf den Höhen der Berge nöthig zu
haben, gar natürlich erklären. Allein über diesen
Punkt, der mich zu weit abführen würde, mag ich
mich jetzt nicht einlassen, sondern will nur von der
schiefen Lage der Schichten sprechen.

Sobald man bemerkt hat, daß die Thäler und
Klüfte zwischen den Bergen nichts anders seyen, als
Aushöhlungen, die das herunterlaufende Wasser ge-
macht hat, und dieses wird man gar bald gewahr: so
begreift man, daß dieses Aushöhlen und Untergraben
der Berge nicht hat geschehen können, ohne daß die
Seiten der Berge, an denen es gemacht worden, hier
und da haben einstürzen müssen; nämlich da, wo sie
nicht von völlig harten, durchaus ohne Schichten zu-
sammenhangenden Felsen waren, wie die Granitfelsen
sind. Dergleichen Felsen können stark unterhöhlt wer-
den, ohne daß sie einstürzen; weichere Felsen aber,
und so sind alle, die schichtenweise liegen, müssen noth-
wendig, wenn sie stark untergraben worden, ein-
stürzen.

Geschiehet dieses nun so, daß nur einzelne kleine
Stücke nach und nach herunterfallen, so werden diese
meistentheils bey stark anlaufenden Gewässern aus dem
angefangenen Thale herausgeführt. Daher kommt
der aus Steinen, Sand und Erde vermischte Schutt,
welcher fast überall den Grund und Boden der ebenen
Länder ausmacht. Dieser Boden machte ehedem ei-
nen Theil der Berge aus, der nach und nach in die
Thäler herunter gefallen, und durch die anlaufenden

Was-

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Orten viel tauſendmal wiederholte Ueberſchwemmung,
woraus eben ſo viel Schieferſchichten entſtanden ſind,
kann ein Kenner der Gebuͤrge ohne Suͤndfluth, und
ohne das Meer auf den Hoͤhen der Berge noͤthig zu
haben, gar natuͤrlich erklaͤren. Allein uͤber dieſen
Punkt, der mich zu weit abfuͤhren wuͤrde, mag ich
mich jetzt nicht einlaſſen, ſondern will nur von der
ſchiefen Lage der Schichten ſprechen.

Sobald man bemerkt hat, daß die Thaͤler und
Kluͤfte zwiſchen den Bergen nichts anders ſeyen, als
Aushoͤhlungen, die das herunterlaufende Waſſer ge-
macht hat, und dieſes wird man gar bald gewahr: ſo
begreift man, daß dieſes Aushoͤhlen und Untergraben
der Berge nicht hat geſchehen koͤnnen, ohne daß die
Seiten der Berge, an denen es gemacht worden, hier
und da haben einſtuͤrzen muͤſſen; naͤmlich da, wo ſie
nicht von voͤllig harten, durchaus ohne Schichten zu-
ſammenhangenden Felſen waren, wie die Granitfelſen
ſind. Dergleichen Felſen koͤnnen ſtark unterhoͤhlt wer-
den, ohne daß ſie einſtuͤrzen; weichere Felſen aber,
und ſo ſind alle, die ſchichtenweiſe liegen, muͤſſen noth-
wendig, wenn ſie ſtark untergraben worden, ein-
ſtuͤrzen.

Geſchiehet dieſes nun ſo, daß nur einzelne kleine
Stuͤcke nach und nach herunterfallen, ſo werden dieſe
meiſtentheils bey ſtark anlaufenden Gewaͤſſern aus dem
angefangenen Thale herausgefuͤhrt. Daher kommt
der aus Steinen, Sand und Erde vermiſchte Schutt,
welcher faſt uͤberall den Grund und Boden der ebenen
Laͤnder ausmacht. Dieſer Boden machte ehedem ei-
nen Theil der Berge aus, der nach und nach in die
Thaͤler herunter gefallen, und durch die anlaufenden

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[272/0292] Tagebuch von der Ruͤckreiſe Orten viel tauſendmal wiederholte Ueberſchwemmung, woraus eben ſo viel Schieferſchichten entſtanden ſind, kann ein Kenner der Gebuͤrge ohne Suͤndfluth, und ohne das Meer auf den Hoͤhen der Berge noͤthig zu haben, gar natuͤrlich erklaͤren. Allein uͤber dieſen Punkt, der mich zu weit abfuͤhren wuͤrde, mag ich mich jetzt nicht einlaſſen, ſondern will nur von der ſchiefen Lage der Schichten ſprechen. Sobald man bemerkt hat, daß die Thaͤler und Kluͤfte zwiſchen den Bergen nichts anders ſeyen, als Aushoͤhlungen, die das herunterlaufende Waſſer ge- macht hat, und dieſes wird man gar bald gewahr: ſo begreift man, daß dieſes Aushoͤhlen und Untergraben der Berge nicht hat geſchehen koͤnnen, ohne daß die Seiten der Berge, an denen es gemacht worden, hier und da haben einſtuͤrzen muͤſſen; naͤmlich da, wo ſie nicht von voͤllig harten, durchaus ohne Schichten zu- ſammenhangenden Felſen waren, wie die Granitfelſen ſind. Dergleichen Felſen koͤnnen ſtark unterhoͤhlt wer- den, ohne daß ſie einſtuͤrzen; weichere Felſen aber, und ſo ſind alle, die ſchichtenweiſe liegen, muͤſſen noth- wendig, wenn ſie ſtark untergraben worden, ein- ſtuͤrzen. Geſchiehet dieſes nun ſo, daß nur einzelne kleine Stuͤcke nach und nach herunterfallen, ſo werden dieſe meiſtentheils bey ſtark anlaufenden Gewaͤſſern aus dem angefangenen Thale herausgefuͤhrt. Daher kommt der aus Steinen, Sand und Erde vermiſchte Schutt, welcher faſt uͤberall den Grund und Boden der ebenen Laͤnder ausmacht. Dieſer Boden machte ehedem ei- nen Theil der Berge aus, der nach und nach in die Thaͤler herunter gefallen, und durch die anlaufenden Waſ-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/292>, abgerufen am 25.11.2024.