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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
chen Seite des Sees ist das nahe an der Stadt liegende
Ufer sehr schön und fruchtbar.

So wie man aus Como heraus ist, geht der
Weg gegen die Schweiz hin über einen höhern und
ziemlich steilen Berg. Zur linken Hand des Weges
hat sich ein eben nicht wasserreicher Bach sein Bett
ausgehöhlet, und läuft mit sanftem Geräusche über
viele Felsen herunter. Jch glaubte an diesem Bache
noch Reste der Kunst zu sehen, wodurch diese Casca-
den vermehrt worden. Dieses macht die ziemlich stei-
le Straße sehr angenehm; ergötzend war mir dabey
die Vorstellung, daß der jüngere Plinius, der, wie
bekannt, in der Nähe dieses Orts einen Landsitz hatte,
hier oft dem Gemurmel dieser kleinen Wasserfälle mit
eben der angenehmen und ruhigen Empfindung, die
ich nun selbst hatte, möchte zugehört haben.

Wenn man über den Berg weg ist, so bleibet
das Land immer schön mit Hügeln und Thälern, bey-
de sehr fruchtbar, abwechselnd. Die meist an Bäu-
men aufwachsenden, und von zwey nahen Bäumen
in Festone zusammengezogenen Weinranken dienen die-
sen ohnedem herrlichen Gefilden noch zu größerer Zier-
de, besonders da ihr starker Wuchs und die sehr gros-
sen und fetten Blätter das Gefühl der Fruchtbarkeit
des Landes mit ins Auge schicken. Zu einem ruhigen
und stillen Landsitze würde man schwerlich irgendwo ei-
ne schönere Gegend finden, als diese ist.

Nach etwa drey Stunden von Como kommt man
aus dem Meiländischen heraus in die sogenannten wel-
schen Vogteyen der helvetischen Cantone. Hier hatte
ich den einzigen Verdruß, den ich auf der ganzen Rei-
se wegen Durchsuchung meines Gepäckes gehabt habe.

Die

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
chen Seite des Sees iſt das nahe an der Stadt liegende
Ufer ſehr ſchoͤn und fruchtbar.

So wie man aus Como heraus iſt, geht der
Weg gegen die Schweiz hin uͤber einen hoͤhern und
ziemlich ſteilen Berg. Zur linken Hand des Weges
hat ſich ein eben nicht waſſerreicher Bach ſein Bett
ausgehoͤhlet, und laͤuft mit ſanftem Geraͤuſche uͤber
viele Felſen herunter. Jch glaubte an dieſem Bache
noch Reſte der Kunſt zu ſehen, wodurch dieſe Caſca-
den vermehrt worden. Dieſes macht die ziemlich ſtei-
le Straße ſehr angenehm; ergoͤtzend war mir dabey
die Vorſtellung, daß der juͤngere Plinius, der, wie
bekannt, in der Naͤhe dieſes Orts einen Landſitz hatte,
hier oft dem Gemurmel dieſer kleinen Waſſerfaͤlle mit
eben der angenehmen und ruhigen Empfindung, die
ich nun ſelbſt hatte, moͤchte zugehoͤrt haben.

Wenn man uͤber den Berg weg iſt, ſo bleibet
das Land immer ſchoͤn mit Huͤgeln und Thaͤlern, bey-
de ſehr fruchtbar, abwechſelnd. Die meiſt an Baͤu-
men aufwachſenden, und von zwey nahen Baͤumen
in Feſtone zuſammengezogenen Weinranken dienen die-
ſen ohnedem herrlichen Gefilden noch zu groͤßerer Zier-
de, beſonders da ihr ſtarker Wuchs und die ſehr groſ-
ſen und fetten Blaͤtter das Gefuͤhl der Fruchtbarkeit
des Landes mit ins Auge ſchicken. Zu einem ruhigen
und ſtillen Landſitze wuͤrde man ſchwerlich irgendwo ei-
ne ſchoͤnere Gegend finden, als dieſe iſt.

Nach etwa drey Stunden von Como kommt man
aus dem Meilaͤndiſchen heraus in die ſogenannten wel-
ſchen Vogteyen der helvetiſchen Cantone. Hier hatte
ich den einzigen Verdruß, den ich auf der ganzen Rei-
ſe wegen Durchſuchung meines Gepaͤckes gehabt habe.

Die
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[346/0366] Tagebuch von der Ruͤckreiſe chen Seite des Sees iſt das nahe an der Stadt liegende Ufer ſehr ſchoͤn und fruchtbar. So wie man aus Como heraus iſt, geht der Weg gegen die Schweiz hin uͤber einen hoͤhern und ziemlich ſteilen Berg. Zur linken Hand des Weges hat ſich ein eben nicht waſſerreicher Bach ſein Bett ausgehoͤhlet, und laͤuft mit ſanftem Geraͤuſche uͤber viele Felſen herunter. Jch glaubte an dieſem Bache noch Reſte der Kunſt zu ſehen, wodurch dieſe Caſca- den vermehrt worden. Dieſes macht die ziemlich ſtei- le Straße ſehr angenehm; ergoͤtzend war mir dabey die Vorſtellung, daß der juͤngere Plinius, der, wie bekannt, in der Naͤhe dieſes Orts einen Landſitz hatte, hier oft dem Gemurmel dieſer kleinen Waſſerfaͤlle mit eben der angenehmen und ruhigen Empfindung, die ich nun ſelbſt hatte, moͤchte zugehoͤrt haben. Wenn man uͤber den Berg weg iſt, ſo bleibet das Land immer ſchoͤn mit Huͤgeln und Thaͤlern, bey- de ſehr fruchtbar, abwechſelnd. Die meiſt an Baͤu- men aufwachſenden, und von zwey nahen Baͤumen in Feſtone zuſammengezogenen Weinranken dienen die- ſen ohnedem herrlichen Gefilden noch zu groͤßerer Zier- de, beſonders da ihr ſtarker Wuchs und die ſehr groſ- ſen und fetten Blaͤtter das Gefuͤhl der Fruchtbarkeit des Landes mit ins Auge ſchicken. Zu einem ruhigen und ſtillen Landſitze wuͤrde man ſchwerlich irgendwo ei- ne ſchoͤnere Gegend finden, als dieſe iſt. Nach etwa drey Stunden von Como kommt man aus dem Meilaͤndiſchen heraus in die ſogenannten wel- ſchen Vogteyen der helvetiſchen Cantone. Hier hatte ich den einzigen Verdruß, den ich auf der ganzen Rei- ſe wegen Durchſuchung meines Gepaͤckes gehabt habe. Die

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/366>, abgerufen am 22.11.2024.