Den 1 Junius. Reise von Codelago über Lu- gano bis Bellinzona.
Codelago.
Codelago, oder eigentlich Cota di Lago, ist ein offener Ort an einem See, der Lago di Lugano ge- nennt wird. Hier mußte ich meinen meiländischen Fuhrmann wieder zurückschicken, weil ich nun die Rei- se über das Gebürge nicht anders als zu Pferde sortse- tzen konnte. Jch miethete hier ein Schiff, um mich nach Lugano, welches an der andern Seite des Sees liegt, herüber zu bringen. Die Fahrt war ange- nehm und dauerte nur drittehalb Stunden. Unter- weges sah ich doch noch eine Anhöhe an dem Fuße der diesen See einschließenden Berge mit Olivenbäumen bepflanzet, die ich, seitdem ich aus der Grafschaft Rizza heraus war, nirgends gesehen hatte. Aber die Schiffer sagten mir, daß sie selten und sehr wenig trügen.
Lugano.
Lugano ist eine volkreiche sehr artige kleine Stadt am nördlichen Ende des erwähnten Sees, der von diesem Orte seinen Namen hat. Der Ort ist nicht nur wegen des Passes und der Niederlage der aus und nach Jtalien durchgehenden Menschen und Waaren, sondern auch wegen der Fruchtbarkeit der herumliegen- den Hügel und der Betriebsamkeit der Einwohner sehr lebhaft, und der Sitz des Landvogts. Man kann nichts angenehmeres und fruchtbareres sehen, als die längst diesem nördlichen Ufer des Sees durch eine ziem- lich weite Strecke hinlaufenden Hügel, besonders bey der jetzigen Jahrszeit, da das ganze Pflanzenreich in seiner größten Pracht erscheinet. Wenn man dieses und die große Menge guter Künstler und anderer be-
rühm-
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Den 1 Junius. Reiſe von Codelago uͤber Lu- gano bis Bellinzona.
Codelago.
Codelago, oder eigentlich Cota di Lago, iſt ein offener Ort an einem See, der Lago di Lugano ge- nennt wird. Hier mußte ich meinen meilaͤndiſchen Fuhrmann wieder zuruͤckſchicken, weil ich nun die Rei- ſe uͤber das Gebuͤrge nicht anders als zu Pferde ſortſe- tzen konnte. Jch miethete hier ein Schiff, um mich nach Lugano, welches an der andern Seite des Sees liegt, heruͤber zu bringen. Die Fahrt war ange- nehm und dauerte nur drittehalb Stunden. Unter- weges ſah ich doch noch eine Anhoͤhe an dem Fuße der dieſen See einſchließenden Berge mit Olivenbaͤumen bepflanzet, die ich, ſeitdem ich aus der Grafſchaft Rizza heraus war, nirgends geſehen hatte. Aber die Schiffer ſagten mir, daß ſie ſelten und ſehr wenig truͤgen.
Lugano.
Lugano iſt eine volkreiche ſehr artige kleine Stadt am noͤrdlichen Ende des erwaͤhnten Sees, der von dieſem Orte ſeinen Namen hat. Der Ort iſt nicht nur wegen des Paſſes und der Niederlage der aus und nach Jtalien durchgehenden Menſchen und Waaren, ſondern auch wegen der Fruchtbarkeit der herumliegen- den Huͤgel und der Betriebſamkeit der Einwohner ſehr lebhaft, und der Sitz des Landvogts. Man kann nichts angenehmeres und fruchtbareres ſehen, als die laͤngſt dieſem noͤrdlichen Ufer des Sees durch eine ziem- lich weite Strecke hinlaufenden Huͤgel, beſonders bey der jetzigen Jahrszeit, da das ganze Pflanzenreich in ſeiner groͤßten Pracht erſcheinet. Wenn man dieſes und die große Menge guter Kuͤnſtler und anderer be-
ruͤhm-
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Den 1 Junius. Reiſe von Codelago uͤber Lu-
gano bis Bellinzona.
Codelago, oder eigentlich Cota di Lago, iſt ein
offener Ort an einem See, der Lago di Lugano ge-
nennt wird. Hier mußte ich meinen meilaͤndiſchen
Fuhrmann wieder zuruͤckſchicken, weil ich nun die Rei-
ſe uͤber das Gebuͤrge nicht anders als zu Pferde ſortſe-
tzen konnte. Jch miethete hier ein Schiff, um mich
nach Lugano, welches an der andern Seite des Sees
liegt, heruͤber zu bringen. Die Fahrt war ange-
nehm und dauerte nur drittehalb Stunden. Unter-
weges ſah ich doch noch eine Anhoͤhe an dem Fuße der
dieſen See einſchließenden Berge mit Olivenbaͤumen
bepflanzet, die ich, ſeitdem ich aus der Grafſchaft
Rizza heraus war, nirgends geſehen hatte. Aber
die Schiffer ſagten mir, daß ſie ſelten und ſehr wenig
truͤgen.
Lugano iſt eine volkreiche ſehr artige kleine Stadt
am noͤrdlichen Ende des erwaͤhnten Sees, der von
dieſem Orte ſeinen Namen hat. Der Ort iſt nicht
nur wegen des Paſſes und der Niederlage der aus und
nach Jtalien durchgehenden Menſchen und Waaren,
ſondern auch wegen der Fruchtbarkeit der herumliegen-
den Huͤgel und der Betriebſamkeit der Einwohner ſehr
lebhaft, und der Sitz des Landvogts. Man kann
nichts angenehmeres und fruchtbareres ſehen, als die
laͤngſt dieſem noͤrdlichen Ufer des Sees durch eine ziem-
lich weite Strecke hinlaufenden Huͤgel, beſonders bey
der jetzigen Jahrszeit, da das ganze Pflanzenreich in
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und die große Menge guter Kuͤnſtler und anderer be-
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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